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"Atomkraft? Nein danke!"

"Gorleben ist überall", warnten die Atomkraftgegner und meinten damit die über Jahrzehnte heiß umkämpfte Deponie für atomare Abfälle im Landkreis Lüchow-Dannenberg. Vor 25 Jahren kam dort der erste Atommülltransport an.

Von Agnes Steinbauer | 08.10.2009
    "In insgesamt vier Containern wurden 210 200-Liter-Fässer mit schwach radioaktivem Material aus dem Kernkraftwerk Stade zum neu errichteten Zwischenlager in Gorleben transportiert, wo sie bis zur Fertigstellung eines Endlagers deponiert werden sollen."

    So beschrieb ein Reporter des Bayerischen Rundfunks den ersten Atommülltransport in den niedersächsischen Ort Gorleben – am 8. Oktober 1984. Dieser Tag ging als "Tag X" in die Geschichte der deutschen Anti-AKW-Bewegung ein. Er wurde allerdings eine Enttäuschung für die Atomkraftgegner. Der Atommüll kam trotz Protesten ungehindert im Zwischenlager an.

    Dafür sorgten 2000 Beamte des Bundesgrenzschutzes. Bereitschaftspolizei aus Oldenburg, Braunschweig und Hannover riegelte die Straßen der Region ab und besetzte Waldschneisen. Bewacht wurde der Transport von schwach radioaktiven Abfällen aus deutschen Reaktoren, Forschungslabors und Krankenhäusern, die teils verpresst, teils in Beton gegossen auf Sattelschleppern transportiert wurden.

    "Das Ding wird hier so behandelt, als ob sie einen Bäckerladen aufbauen wollen und der ganze Atommüll von Europa, der wird dann hierher geschafft und die Probleme für die Zukunft für die Menschen, die nach uns kommen, ja, da kann man nur hören: Was später kommt, das geht uns nix an."

    Der Widerstand gegen die Atomkraft formierte sich bereits in den 70er-Jahren. Im Februar 1977 fanden die ersten Proteste im Landkreis Lüchow-Dannenberg statt. 1500 Menschen bildeten einen Autokorso gegen Gorleben als Standort für ein "integriertes nukleares Entsorgungszentrum", für das sich der damalige niedersächsische Ministerpräsident Ernst Albrecht starkgemacht hatte. Mitten in ein Gorleben-Symposium, bei dem Ende März 1979 in Hannover Sicherheitsfragen zu Wiederaufarbeitung und Atommülllagerung erörtert wurden, platzte die Meldung des Beinahe-GAU im amerikanischen Kernkraftwerk Three Mile Island und spitzte die Diskussion zu. Einer der Nuklearkritiker, der Physiker Prof. Dieter von Ehrenstein, warnte:

    "Zu Beginn sei noch einmal an das sehr große Gefährdungspotenzial erinnert, das in dem geplanten atomaren Abfallzentrum Gorleben konzentriert werden soll. In der Größenordnung entsprechen die hoch radioaktiven Abfallstoffe den längerlebigen, wohlgemerkt, Spaltprodukten - die bei der Explosion von Zehntausenden von Hiroshimabomben entstehen würden."

    1983 wurde dennoch das Zwischenlager – zwei Kilometer südlich von Gorleben genehmigt. Kernstück ist die Castorenhalle, in der heute 91 Behälter mit hoch radioaktivem Atommüll deutscher Herkunft aus den Wiederaufarbeitungsanlagen im französischen La Hague und dem britischen Sellafield lagern. Insgesamt bietet die Halle Platz für 420 Behälter. 3800 Tonnen Atommüll dürfen maximal hier eingelagert werden.

    "Wir sind also viele, viele Tausend Menschen und das ist ein ganz klares Signal dafür: Wir lassen und nicht verarschen hier mit Gorleben."

    Dagegen ist der Salzstock Gorleben - seit Jahrzehnten als Endlager heiß umstritten - heute fragwürdiger denn je. "Der Standort Gorleben ist tot", sagte Bundesumweltminister Siegmar Gabriel, nachdem ein mutmaßlich geschöntes Gutachten aus der Kohl-Ära für Furore gesorgt hatte. Auch die Pannenserie im Atomkraftwerk Krümmel und undichte Atommüllfässer im niedersächsischen Salzstock Asse geben der Anti-AKW-Bewegung heute wieder Auftrieb. Zur Großdemonstration Anfang September in Berlin kamen 50.000 Menschen.

    "Ausstieg jetzt, Ausstieg jetzt, Ausstieg jetzt."

    Unter den Demonstranten waren auch 350 Trekkerfahrer aus dem Wendland. Im Landkreis Lüchow-Dannenberg umfasst der Widerstand gegen die Atomenergie mittlerweile drei Generationen – und die sind sich in einer Sache einig:

    "Wir brauchen keine Atomkraft, wir wollen keine Atomkraft und wir werden sie uns nicht aufzwingen lassen."