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Atomkraftwerke für Brasilien
Bundesregierung muss über Atomabkommen entscheiden

Mitte der 70er Jahre vereinbarte Deutschland mit der damaligen Militärdiktatur Brasiliens den Bau mehrerer Atomkraftwerke. Tatsächlich betriebsfertig wurde bislang nur eines. Das zweite wird gerade gebaut - mit Teilen, die über zwei Jahrzehnte eingemottet herumlagen. Jetzt hat der Bundestag über eine Verlängerung des deutsch-brasilianischen Atomvertrages entschieden.

Von Philip Banse | 07.11.2014
    Das Atomabkommen zwischen Deutschland und Brasilen ist nicht lang: 2 DIN A4 Seiten, 11 Artikel. Es trat vor 39 Jahren in Kraft. Beide Staaten wollen Forschungseinrichtungen und Industrieunternehmen fördern, wenn sie Uranerze suchen, abbauen und aufbereiten; Atomkraftwerke bauen, planen oder verkaufen; Wiederaufbereitungs-Anlagen bauen oder solche Dienstleistungen anbieten.
    Deutschland verpflichtet sich in dem Abkommen, Aktivitäten der friedlichen Atomwirtschaft in Brasilien mit möglichst billigen Krediten zu fördern. Dieser Atomvertrag müsste innerhalb der kommenden 11 Tage gekündigt werden, sonst verlängert er sich um weitere 5 Jahre. Grüne und Linke wollten, dass der Bundestag, die Bundesregierung auffordert, den Vertrag zu kündigen.
    "Die Linke meint: Atomausstieg in Deutschland und weitere Atomförderung im Ausland passen nicht zusammen."
    Sylvia Kotting-Uhl von den Grünen ergänzt:
    "Unser Verhalten kommt dort als Doppelmoral an. Lassen sie uns Klarheit schaffen. Lassen sie uns zeigen, dass wir es auch international ernst meinen mit der Bewertung des Risikos. In Deutschland hat die Zivilgesellschaft den Atomausstieg erreicht. Helfen sie, helfen wir alle der brasilianischen Zivilgesellschaft, die nach britischen Studien zu 67 Prozent den Atomausstieg will, mit der Kündigung dieses antiquierten Abkommens. Vielen Dank."
    Bundesregierung hat keine billigen Kredite mehr gewährt
    Wie genau die Atomkraft in Brasilien durch dieses Atomabkommen gefördert wurde, ist schwer zu sagen. In einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen, weist die Bundesregierung darauf hin, dass das Abkommen keine Dokumentationspflichten festschreibe. Sicher scheint nur: Ab 1975 hat Siemens in Brasilien ein Atomkraftwerk gebaut; ein zweites AKW wurde mit deutschem Geld geplant, bis heute aber nicht fertig gestellt - auch weil die Bundesregierung keine billigen Kredite mehr gewährt.
    In der Antwort auf die Kleine Anfrage der Grünen schreibt die Bundesregierung, es gebe darüber hinaus jährliche Treffen und Sicherheits-Workshops der deutschen Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit mit der brasilianischen Atomaufsichtsbehörde. Das Atomabkommen bringe Sicherheit - das ist das zentrale Argument von Bundesregierung und CDU. Andreas Lämmel von der Unionsfraktion will den Atomvertrag daher nicht kündigen:
    "Meine Damen und Herren, wir wären doch eigentlich verrückt, wenn wir jetzt nicht die Möglichkeiten über dieses Abkommen nutzen würden und unser Know-how, unsere Erfahrungen den Brasilianern beim Betrieb der Atomkraftwerke beziehungsweise bei der Aufrüstung in sicherheitstechnischen Anlagen weiter zu vermitteln."
    AKW in Erdbebengebieten
    Das Sicherheits-Argument halten die Grünen für vorgeschoben. 39 Jahre Atomvertrag und jährliche Sicherheits-Gespräche hätten nicht verhindert, dass die Brasilianer mit deutschem Geld Atomkraftwerke bauen, die auf einem technischen Niveau seien wie AKW, die Deutschland gerade stilllegt. Zudem stünden diese AKW in Erdbeben-Gebieten und seien nicht ausreichend gegen Flugzeug-Abstürze geschützt. Ausstieg hier, Atomförderung da - diese Argumente überzeugen selbst die SPD-Expertin Nina Scheer:
    "Sicher steht fest, dass wir das 1975 geschlossene Atomabkommen so nicht mehr für gut heißen können. Konsequenterweise muss dann natürlich eine Betrachtung des Atomabkommens aus heutiger Sicht bedeuten, dass es so nicht aufrecht erhalten werden kann, beziehungsweise auf den Prüfstand gestellt werden muss."
    Vertrag auf den Prüfstand stellen
    Atomvertrag auf den Prüfstand stellen. Der Vertrag ist 39 Jahre alt. Warum die SPD 11 Tage vor Ablauf der Kündigungsfrist mit der Prüfung nicht fertig ist, sagte SPD-Frau Nina Scheer in der Debatte gestern nicht. Das SPD-geführte Bundeswirtschaftsministerium teilt mit: Derzeit gebe es keine Nachverhandlungen des Atomabkommens mit Brasilien, es seien auch keine geplant. Dennoch haben die Fraktionen von Union und auch der SPD die Bundesregierung aufgefordert, den Atomvertrag mit Brasilien nicht zu kündigen.