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Öffnungsstrategie im Saarland
Ein Stück Normalität mit Notbremse

Wieder Freunde treffen, im Biergarten sitzen oder ins Fitnessstudio gehen. All das will CDU-Ministerpräsident Tobias Hans der Bevölkerung im Saarland wieder ermöglichen. Den Anfang macht ein Modellprojekt mit tagesaktuellen Corona-Tests. Doch nicht alle sind überzeugt von dem Plan.

Von Tonia Koch | 25.03.2021
Tobias Hans (CDU), Ministerpräsident des Saarlands, spricht am Rande der Plenarsitzung im Bundesrat mit Journalisten. Die Länderkammer stimmt in ihrer heutigen 1001. Sitzung über die neuen Corona-Hilfsmaßnahmen ab. Weitere Themen sind unter anderem die Vereinfachungen bei Planungs- und Genehmigungsverfahren, der Aufbau einer Infrastruktur für Elektromobilität, Maßnahmen zur besseren Bekämpfung der Geldwäsche und die Einführung einer Bürger-Identifikationsnummer für Online-Serviceleistungen der Verwaltung.
Saarlands Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) will ein Modellprojekt starten (picture alliance/dpa | Bernd von Jutrczenka)
Die Aussicht auf mehr Lebensqualität für die Menschen hat der saarländische CDU-Ministerpräsident Tobias Hans so beschrieben: "Wenn ein negativer Test vorliegt, dann können beispielsweise die Menschen in ihrem Garten gemeinsam mit Nachbarn wieder grillen, sie können sich mit Freunden auf der Außenterrasse eines Restaurants treffen oder auf dem Marktplatz ein Eis essen gehen, sie können wieder ins Fitness-Center gehen und sich sportlich betätigen oder eben auf dem Bolzplatz Fußball spielen, sie können wieder ins Theater, in die Oper und dann, wenn der Filmverleih wieder angelaufen ist, wieder ins Kino gehen."
Damit die Menschen im Saarland dieses Stück Normalität wieder leben können, will das Land ein Modellprojekt starten. Dafür benötigen Bürger einen tagesaktuellen negativen Corona-Test. An einen solchen Test heranzukommen, sei kein Problem.

Neue App geplant

Im Land stünden sowohl in landeseigenen, kommunalen als auch in privaten Test-Einrichtungen sowie bei Apotheken, Hausärzten und Zahnärzten ausreichend Testmöglichkeiten zur Verfügung, so der Ministerpräsident. Die Überprüfung der Testergebnisse soll auf elektronischem Wege erfolgen. Die Ausschreibung für eine entsprechende App sei auf den Weg gebracht.
Tobias Hans: "Wenn wir es schaffen, bis nach Ostern diese App ans Laufen zu bringen, dann wird es damit auch laufen können. Wenn das nicht der Fall ist, haben wir uns vorbereitet. An die Rechtsverordnung wird ein Formular angehängt, das ausgefüllt werden kann mit Blick auf den negativen Test und die Gastronomie oder auch andere Bereich können das auch händisch kontrollieren."
Der Ministerpräsident des Saarlandes, Tobias Hans (CDU), gestikuliert während eines Interviews in seinem Büro 
Tobias Hans (CDU) - Lockdown-ähnliche Situation vermeiden
Ein Interview aus dem Herbst 2020. Deutschland befinde sich an einem kritischen Punkt, sagte Saarlands Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) im Dlf. Es gelte, Lockdown-ähnliche Maßnahmen zum Schutz der Gesellschaft und der Wirtschaft zu vermeiden. Das gelinge nur, wenn ein "größtmöglicher Teil der Menschen" sich an die Regeln halte.
Die Gastronomie, sagt Frank Hohrath, Hauptgeschäftsführer des Hotel- und Gaststättenverbandes habe lange Monate auf diese Chance gewartet und werde ihrer Verantwortung gerecht werden: "Die Gastronomie ist weder Labor noch Sheriff, aber ich denke, dass sowohl die Bevölkerung als auch Gastronomen verantwortlich mit den Kontrollmöglichkeiten umgehen werden, das wird sich einspielen."
Die saarländische Landesregierung hat überdies angekündigt, dass sie sich auch während dieses Modellversuchs weiterhin zur sogenannten Notbremse bekennt. Diese soll dann gezogen werden, wenn der Inzidenz-Wert die Marke von 100 überschreitet. Aktuell liegt der Wert im Saarland bei 70 und steigt damit weniger schnell als andernorts.

Wann die Notbremse gezogen werden soll

Allerdings: Wenn ein Landkreis mal über 100 liege, bedeute das nicht, dass erneut Stillstand verordnet werde, erklärt Ministerpräsident Hans: "Entscheidend ist vor allem, dass es kein exponentielles Wachstum gibt. Und darauf werden wir ein Auge halten und die Notbremse nur dann reinhauen, wenn es dieses exponentielle Wachstum gibt."
Interaktive Karte mit COVID-19-Statistiken vom Zentrum für Systemwissenschaft und Systemtechnik der Johns Hopkins University in Baltimore
Was die Neuinfektionen für die kommenden Wochen bedeuten 
Eine Epidemie bedeutet ständige Veränderung. Die Situation ist im Fluss, doch wohin? Zahlen bieten Orientierung, aber sie verwirren auch. Ein Wert alleine wird der Dynamik nicht gerecht. Ein Überblick über Zahlen und Trends.
Die Gastronomie begrüßt diese Differenzierung ausdrücklich. Hohrath: "Unser Anliegen ist es ja nicht nur zu öffnen, sondern wir wollen ja auch dauerhaft geöffnet bleiben." Ansonsten lohne sich eine Öffnung nicht.
Als "fahrlässig" hat SPD-Gesundheitsexperte, Karl Lauterbach, den Öffnungskurs des Saarlands gegenüber der "Rheinischen Post" bezeichnet. Noch nicht wirklich zufrieden sind die Sportverbände. Noch sind Details nicht veröffentlicht. Aber der Amateursport hat vielerorts bereits den Deckel auf die Saison gemacht. Und gemessen an dem was bislang bekannt sei, bleibe das Land hinter dem zurück, was der Breitensport fordert, sagt Johannes Kopkow, Vorstand für Sport und Vermarktung beim Landesportverband.
Kopkow: "Wir wollen dahin, dass jeder, der einen tagesaktuellen Test hat, jeden Sport machen darf, auch innendrin indoor, auch mit Anfassen, denn es geht uns darum, dass der Sport eine klare Perspektive hat."

Einzelhandel durfte wieder öffnen

Bereits vor zwei Wochen hatte das Oberlandesgericht im Saarland die Beschränkungen, die für den Einzelhandel gegolten hatten, größtenteils aufgehoben. Seitdem dürfen sämtliche Läden auch ohne Termin aufgesucht werden. Zu größeren Corona-Ausbrüchen hat das bisher nicht geführt. Überdies sind im Land wieder alle Schulen im Wechselunterricht wieder am Start, zwei Mal die Woche werden Schüler und Lehrer, die das möchten, von medizinischem Personal in den Schulen getestet. All das führe zu einem recht guten Überblick auf das Geschehen im Land und rechtfertige es, neue Wege zu gehen, fasst SPD-Wirtschaftsministerin Anke Rehlinger die Situation heute zusammen.
Rehlinger: "Wir haben mittlerweile bessere Instrumente, vielleicht müssen wir noch besser werden beim Testen, vielleicht müssen wir uns noch mehr anstrengen beim Impfen, aber ideenlos noch mal in den Lockdown zurück ist kein Plan, den ich für besonders klug halte."