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Atommüll
Etwas Bewegung bei der Suche nach einem Endlager

Keiner will ihn haben, den strahlenden Atommüll. Doch irgendwo in Deutschland wird auf absehbare Zeit ein Endlager entstehen müssen. An öffentlichen Veranstaltungen der ersten Such-Phase haben sich rund 1.000 Bürgerinnen und Bürger beteiligt. Es sind viele Fragen offen.

07.09.2021
Ein Traktor mit einem Transparent mit der Aufschrift "Am Ende lage(r)n wir richtig" startet zu einer Rundfahrt um das Erkundungsberkwerk in Gorleben, wo die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg das Ausscheiden Gorlebens aus dem Suchverfahren für ein nationales Endlager mit einer Demonstration feiert.
Atomkraftgegner feiern 2020 das Ausscheiden Gorlebens aus dem Suchverfahren für ein nationales Atommüll-Endlager (picture alliance/dpa | Markus Scholz)
Die mit der Suche für ein Atommüll-Endlager beauftragte Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) hat im September 2020 einen Zwischenbericht vorgelegt. Demnach sind 54 Prozent der Fläche Deutschlands und rund 30 Prozent der Fläche in Nordrhein-Westfalen für ein atomares Endlager geologisch geeignet. Der heftig umkämpfte niedersächsische Salzstock Gorleben war nicht darunter, was von Atomkraftgegnern vor Ort gefeiert wurde. Aber die Suche läuft weiter.

Wie ist der aktuelle Stand?

Bürgerinnen und Bürger hatten jetzt die Gelegenheit, über den Zwischenbericht aus dem September 2020 zu diskutieren - wegen Corona vor allem online. Dazu wurde eine sogenannte "Fachkonferenz Teilgebiete" geschaffen. Dabei sollte eine breite Wissensbasis geschaffen werden, auf deren Grundlage dann Bürger und kommunale Vertreter diskutieren und die möglichen Schritte kritisch hinterfragen können. Zu diesem Prozess wurde nun ein Bericht zum Diskussionsstand vorgestellt. Die Bürgerkonferenz hat kein Vetorecht. Ihr Feedback muss aber berücksichtigt werden.
Fässer mit radioaktivem Abfall stehen neben einem Weg im Zwischenlager der Wiederaufarbeitungsanlage Karlsruhe (WAK)
Radioaktiver Abfall - Die Suche nach einem deutschen Atommüll-Endlager
Noch befindet sich der hochradioaktive Atommüll aus deutschen Kernkraftwerken in Zwischenlagern. Bis 2031 soll ein Endlager-Standort gefunden werden, um die tödlich strahlenden Abfälle dort ab 2050 für alle Zeiten sicher zu begraben. Aus geologischer Sicht ist dafür halb Deutschland geeignet.
Der von der Fachkonferenz Teilgebiete vorgelegte 116-seitige Bericht fasst Stellungnahmen, Empfehlungen und Kritik aus öffentlichen Diskussionsveranstaltungen zusammen, bei denen sich die Bürger seit Oktober vergangenen Jahres zur Suche nach einem Endlager äußern konnten - diese Form der Bürgerbeteiligung ist im Standortauswahlgesetz festgeschrieben.
Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) sagte eine Berücksichtigung der Forderungen bei der weiteren Suche nach einem Endlager zu. "Jeder kritische Blick, jede hinterfragende Stimme bereichert das Verfahren", erklärte sie. Die in dem Bericht festgehaltene "konstruktive Kritik" sei "wichtig".

Was sind die noch offenen Punkte bei der Endlagersuche?

Zu den ungeklärten Punkten gehört die Frage, ob das theoretisch für ein Endlager nutzbare Salzgestein im Norden von Deutschland stabil ist im Falle einer neuen Eiszeit - wenn dort also 1.000 Meter Gletscher über das Gebiet gehen. Weiterhin hat man im Süden Deutschlands Granitgesteine, die auch als Endlager in Frage kommen. Dort muss man herausfinden, wie ein Endlager überhaupt aussehen muss, damit es funktioniert. In Deutschland sind eine Million Jahre Sicherheit gefordert. Insofern gibt es naturgemäß keine Vorbilder. Es sollen weitere Daten gesammelt werden. Ein Problem ist zum Beispiel, dass das bisherige Datenmaterial teilweise noch aus den 1950er-Jahren stammt. [*]
Die BGE will nun Empfehlungen ausarbeiten, auf deren Grundlage dann der Bundestag entscheidet, wo in einer zweiten Phase überirdische Erkundungen erfolgen sollen. Dagegen sind dann auch Klagen möglich. Begleitet wird dieser Schritt durch öffentliche Regionalkonferenzen. In einer dritten Phase erfolgen an mindestens zwei Standorten auch unterirdische Erkundungen, bis 2031 schließlich dem Parlament ein Standortvorschlag vorliegen soll.

Wie ist das Such-Verfahren zu bewerten?

Die Diskussion scheint nicht mehr so festgefahren. Es sind viele junge Leute bei den Bürgergesprächen dabei. Sie geht es im Endeffekt auch an. Denn wenn das Endlager 2060 in Betrieb gehen würde, sind sie alt - und für ihre Kinder verantwortlich, weil sie die Entscheidungen treffen, die dann für jene wichtig werden.
Von Atomkraftgegnern kommt regelmäßig Kritik. Der im vergangenen Jahr vorgelegte Zwischenbericht der BGE sei "so oberflächlich ausgefallen", dass der Öffentlichkeit "schlicht an einer vernünftigen Diskussionsgrundlage fehlte", erklärte Jochen Stay, Sprecher der Anti-Atom-Organisation "Ausgestrahlt".
[*] An dieser Stelle haben wir eine Aussage präzisiert.
Quellen: Dagmar Röhrlich im Gespräch mit Kathrin Kühn, Marcel Heberlein, dpa, AFP, tei