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Atomverhandlungen
Für den Iran gehts ums Überleben

Am 30. Juni lief die Frist für einen umfassenden Atomvertrag mit dem Iran eigentlich aus, nun wurde sie verlängert. Vertreter der fünf ständigen UNO-Sicherheitsratsmitglieder und Deutschlands bleiben vorerst in Wien. Teheran besteht darauf, dass die Umsetzung mit dem Abbau internationaler Sanktionen einhergehen muss. Doch welche Beschränkungen in seinem Atomprogramm muss der Iran im Gegenzug akzeptieren?

Von Reinhard Baumgarten | 27.06.2015
    Der iranische Präsident Hassan Rouhani bei einem Treffen mit einem südafrikanischen Minister im Juni 2014.
    Irans Präsident Hassan Rohani findet die verhängten Sanktionen illegal, inhuman und unmoralisch. Es seien blinde, ziellose Sanktionen. (AFP - ATTA KENARE)
    Das wichtigste Ziel Teherans formuliert Irans Oberster Führer Ayatollah Ali Khamenei.
    "Aufhebung und Annullierung der Sanktionen."
    Denn, so Präsident Hassan Rohani: "Die verhängten Sanktionen sind illegal, inhuman und unmoralisch. Es sind blinde, ziellose Sanktionen."
    Vor allem tun sie dem Iran richtig weh. Der Wirtschaft des Landes geht es nicht gut. Das liegt nur zum Teil an den Sanktionen. Aber ohne deren Aufhebung wird die Wirtschaft nicht wirklich ins Laufen kommen. Deshalb verkündet Teheran:
    "Wir werden kein Abkommen unterzeichnen, wenn nicht am Tag der Unterzeichnung die Sanktionen aufgehoben werden."
    Das wird praktisch nicht geschehen, Präsident Rohani weiß das. Der 66-jährige ist promovierter Jurist. In Schottland hat er seinen Doktor gemacht. Er versteht sich aufs Formulieren und würde ein Abkommen zu Hause als Sieg verkaufen können. Teheran spricht von roten Linien, die nicht überschritten werden dürften.
    "Wir haben gesagt, dass wir keine Inspektionen iranischer Militäreinrichtungen durch irgendwelche Ausländer erlauben werden."
    Keine unüblichen Inspektionen
    Wiederholt hat Revolutionsführer Khamenei das betont. Mitte der Woche baute er ein Adjektiv ein: "Er sei nicht einverstanden mit "unüblichen" Inspektionen."
    Das Wort gheir-e muta'āref ist hier wichtig: unüblich. Im Rahmen des Zusatzprotokolls des Nichtverbreitungspakts für Atomwaffen sind solcherlei Inspektionen durchführbar und üblich. Bei den Verhandlungen in Wien wird es deshalb auch um die Deutung von üblich und unüblich gehen, denn der Iran hat das Zusatzprotokoll bereits vor 12 Jahren unterschrieben. Ayatollah Khamenei formuliert eine weitere rote Linie:
    "Sie wollen unsre Atomwissenschaftler befragen. Das bedeutet doch Verhören. Wir werden eine solche Unverschämtheit gegenüber unseren Wissenschaftlern nicht zulassen."
    Den 5+1-Mächten geht's um Transparenz: Welche Forschungen und Entwicklungen mit militärischer Bedeutung hat der Iran wie weit betrieben? Wie viele Karten Teheran in Wien auf den Tisch legen muss, ist Gegenstand der Verhandlungen. Niemand rechnet damit, dass es bis zum 30. Juni zu einem Abschluss kommt. Wie Ende März in Lausanne muss mit einer mehrtätigen Verlängerung gerechnet werden.
    Aussöhnung mit der Welt versprochen
    Kommt es zu einem positiven Abschluss, ist die Kuh noch lange nicht vom Eis. In den USA wetzen Gegner des Deals intensiv die Messer. Im Iran hat Ayatollah Khamenei die Hardliner vorerst zum Schweigen gebracht. Das iranische Verhandlungsteam handle mutig und vaterländisch, unterstrich der bald 76-Jährige. Er sei nicht gegen notwendige und hilfreiche Kritik.
    "Aber, Sie wissen alle, dass kritisieren leichter ist als Handeln."
    Unterschwellig hat es in den vergangenen zwei Jahren massive Kritik gegen den Kurs der Regierung von Hassan Rohani gegeben. Er hat bei seinem Amtsantritt die Aussöhnung mit der Welt versprochen. Ausdrücklich schließt das eine Annäherung an die USA ein.
    "Die Iraner glauben nicht, dass die USA ein vertrauenswürdiger Partner sind", stellt der konservative Politologe Mohammed Marandi fest. Er traut Washington nicht über den Weg.
    "Wenn wir etwas unterschreiben und dabei akzeptieren, dass die Sanktionen erst später aufgehoben werden, dann - so glauben viele - werden die USA alles dransetzen, um das Sanktionsregime intakt zu halten."
    Der liberal denkende Politikwissenschaftler Sadegh Zibakalam sieht das anders. Er setzt auf Annäherung mit dem Westen. "Die Radikalen des Landes sind klug genug, um zu wissen, dass nach einem Atomabkommen die Führung gefragt wird, warum wir nicht auch andere Unstimmigkeiten mit dem Westen beilegen. Wenn die Einigung mit den USA weitergeht, dann nimmt man den hiesigen Radikalen den Wind aus den Segeln."
    Gespaltene Meinungen innerhalb der Bevölkerung
    Umfragen zufolge will eine Mehrheit im Iran Annäherung an den Westen und Versöhnung mit der Welt. Zum Beispiel der Basarhändler Mohammed. Der Iran sollte zu allen Ländern gute Beziehungen suchen.
    "Hauptsache, die Wirtschaft funktioniert. Ohne eine intakte Wirtschaft, hat alles keinen Sinn und das Leben kann nicht gut laufen."
    Der 23jährige Mehdi ist deutlich reservierter. "Ich möchte Frieden und Freundschaft mit allen Ländern, außer mit dem Westen. Die Einigung sollte sich nur auf die Wirtschaft beziehen, sonst nichts. Eine Einigung soll die Wirtschaftssituation des Landes verbessern."
    Hassan Rohanis innenpolitische Position werde deutlich gestärkt, sollte es zu einem für den Iran günstigen Abkommen kommen, analysiert Sadegh Zibakalam von der Uni Teheran. Aber dann müsse der Präsident rasch liefern.
    "Sollte sich die Wirtschaftslage nach einer Atom-Vereinbarung nicht ändern, dann muss man mit gefährlichen sozialen Folgen rechnen. Die Regierung weiß das sehr genau."
    Steigende Arbeitslosigkeit, sinkende Produktivität und Kaufkraft, ausufernde Korruption und Vetternwirtschaft, Rechtsunsicherheit und Investitionsstau - das sind Faktoren die ein gefährliches, hochexplosives Klima schaffen können. Deshalb will die iranische Führung einen Verhandlungserfolg.