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Attacken auf Aberglauben und religiöse Heuchelei

Samuel Butler erlebte die Mentalität der englischen Puritaner des 17. Jahrhunderts. Gegen ihre übertriebene Tugendhaftigkeit und ihre Selbstgerechtigkeit schrieb er sein satirisches Gedicht "Hudibras". Es stieß auf große Resonanz bis ins 19. Jahrhundert hinein.

Von Eva Pfister | 08.02.2012
    Samuel Butler:
    Eine Satire ist eine Art fahrender Ritter, der auszieht, um die in Not geratene Dame Tugend zu befreien und sowohl die Ehre aus Zauberburgen als auch die unterdrückte Wahrheit und Vernunft aus der Haft von Riesen und Magiern zu befreien.

    So definierte Samuel Butler die Satire, die im England des 17. und 18. Jahrhunderts ein Goldenes Zeitalter erlebte. Er selbst trug dazu bei, mit der Ritterburleske "Hudibras", in der er die Puritaner aufs Korn nahm. Ihren politischen Aufstieg hatte der Autor hautnah miterlebt.

    Samuel Butler wurde am 8. Februar 1612 als Sohn eines Landwirts geboren. Nach dem Besuch der Kathedralschule der Stadt Worcester arbeitete er als Sekretär bei mehreren Friedensrichtern, von denen vor allem Samuel Luke, ein Offizier Cromwells, den Satiriker inspirierte. Denn mit diesem fanatischen Puritaner musste Butler über die Dörfer ziehen, um Gesetzesverstöße zu ahnden, aber auch, um dem Volk seine Vergnügungen zu verbieten.

    Und so zieht der fahrende Ritter Hudibras - wie "Don Quijote" von Cervantes - mit klapprigem Pferd und rostigem Degen gegen die Bärenhatz zu Felde.

    Samuel Butler aus "Hudibras":

    Welche Wut, liebe Mitbürger, welche Furie treibt euch zu so schrecklichen Unternehmungen! ... Was für Städte, was für Besatzungen, wollet ihr mit Aufopferung dieses Blutes überwältigen, das ihr jetzt bereit seid, umsonst und in bello non habituro triumphum zu vergießen?

    Unangemessenes Pathos, gestelzte und salbungsvolle Reden sind die stilistischen Mittel, die Samuel Butler zur Charakterisierung seines Helden einsetzt. Mit Genuss aber lässt er die Gegner in drastischen Beschimpfungen zu Wort kommen:
    Samuel Butler aus "Hudibras":

    Verdammter Wurm, als jemals einer unter sinniges Schweinefleisch gehackt wurde! Du Schwanz der Landjunker, am Steiß der Justiz wie an einer Kuh gewachsen! ... Fand denn deine Impertinenz nirgends Gelegenheit, wo du vor Prügeln gesichert deiner geschäftigen Prahlerei den Zügel könntest schießen lassen?

    Butlers Zeitgenossen empfanden "Hudibras" weniger als literarisches Werk denn als Pamphlet, und als solches wurde es auch im Europa der Aufklärung berühmt. Die Attacken auf Aberglauben und religiöse Heuchelei fielen auf fruchtbaren Boden, Voltaire bekundete, dass er nie so viel Witz in einem Buch gefunden hätte. Enttäuscht war hingegen der Tagebuchschreiber Samuel Pepys, der das druckfrische Werk am 26. Dezember 1662 erstanden hatte.

    Samuel Pepys:
    Aber als ich dazu kam, es zu lesen, erwies es sich als eine so dümmliche Schmähung des presbyterianischen Edelmanns, der in den Krieg zieht, dass ich mich dafür schämte.

    Butler nahm in seiner Satire so deutlich für die Seite der Monarchie Partei, dass er in den Verdacht geriet, sich bei den in ihrer Macht restaurierten Stuarts einschmeicheln zu wollen. Karl der Zweite soll "Hudibras" auch geliebt und oft daraus zitiert haben. Aber für eine Anstellung bei Hofe reichte es nicht, bloß für eine einmalige Zuwendung von 300 Pfund.

    Reich wurde Butler auch nicht mit seinen epigrammatischen Reimpaaren, die noch heute im britischen Zitatenschatz lebendig sind:

    Samuel Butler:
    Die Frau, die man mit Poesie gewann, / Ist nur ein Tisch, worauf man schreiben kann.

    Am 25. September 1680 starb der verarmte Dichter in London. In seinem Nachlass fanden sich weitere Satiren, wie "The Elefant in the Moon", in dem Butler einen Hofastrologen aufs Korn nahm, der behauptet hatte, durch sein Teleskop einen Elefanten auf dem Mond entdeckt zu haben. Er musste dann aber zugeben, dass er nur die Umrisse einer Maus sah, die in sein Instrument gekrochen war.

    40 Jahre nach Samuel Butlers Tod stiftete der Londoner Bürgermeister John Barber eine Gedenktafel in Westminster Abbey. Das reizte Samuel Wesley zu einem Spottvers, der als satirischer Nachruf auf Butler berühmt wurde:
    Samuel Wesley:

    Als Butler, der arme Tropf, verdammt war zu leben /
    Wollte kein großzügiger Gönner ihm ein Essen geben /
    Seht ihn, verhungert und zu Staub zernichtet /
    Wie ihm ein großes Denkmal nun errichtet. /
    Deutlicher könnte des Dichters Los nicht sein /
    Er bat um Brot - und erhielt einen Stein.