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Attentat von Berlin
Die Debatte um Sicherheit dauert an

Neun Tage nach dem Lkw-Anschlag auf den Weihnachtsmarkt am Berliner Breitscheidplatz zeichnet sich in der Bundesregierung der gemeinsame Wille ab, die Regeln zur Abschiebung von sogenannten Gefährdern auszuweiten. Im Fall des getöteten Attentäters Anis Amri kommt es zu einer Festnahme.

Von Stephan Detjen | 28.12.2016
    Zwei Videokameras hängen in Duisburg an einem Laternenpfahl.
    "Wir brauchen eine intelligente Videoüberwachung." (dpa / picture alliance / Roland Weihrauch)
    Auf dem Handy Anis Amris hatten die Ermittler die Telefonnummer eines in Berlin lebenden Landsmannes des wahrscheinlichen Attentäters gefunden. Weitere Ermittlungen führten heute zur Festnahme des 40 jährigen Tunesiers. Wohn- und Geschäftsräume des Mannes wurden durchsucht. Die bisherigen Erkenntnisse deuteten darauf hin, dass er in den Anschlag verwickelt gewesen sein könnte, teilte die Generalbundesanwaltschaft in Karlsruhe am Nachmittag mit. Es bleibe weiteren Ermittlungen vorbehalten, ob sich der Verdacht weiter erhärten ließe.
    Verschiedene Medien berichten unterdessen über weitere Stationen der Flucht Amris in der vergangenen Woche. Unter Berufung auf Quellen im Bundeskriminalamt meldet der "Spiegel", Amri habe sich zunächst in die Niederlande und dann nach Frankreich abgesetzt. Aus Lyon sei er nach Italien gefahren. Die italienische Polizei veröffentlichte Bilder von Überwachungskameras, auf denen Amri dann am Vorabend seines Todes in Turin zu sehen sein soll. Einige Stunden später soll der dann auf Bildern in Mailand zu sehen sein. In einem nördlichen Vorort der Stadt wurde Amri am Freitagmorgen erschossen, nachdem er das Feuer auf zwei Polizisten eröffnet hatte.
    Debatte um Videoüberwachung
    In Deutschland wird derweil weiter darüber diskutiert, wo und unter welchen Umständen eine Verstärkung der Videoüberwachung im öffentlichen Raum sinnvoll ist. Nur Kameras zu installieren, allein hilft wenig, darüber besteht Einigkeit. Polizeivertreter erinnern daran, dass es Personal bedarf, um Monitore zu beobachten und Bilder auszuwerten. Gerd Landsberg, Geschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, setzt allerdings auch auf moderne Technik - auch vor dem Hintergrund von jüngsten Gewalttaten in Berliner S- und U-Bahnhöfen: "Wir brauchen eine intelligente Videoüberwachung, die zum Beispiel feststellt bei einem Platz: Da sind auf einmal junge Männer am Tag, die tanzen eine junge Frau an. Dann gibt es den videoautomatischen Alarm, und die Polizei kann noch eingreifen. Oder ein Gefährder, der als Gefährder in der Registratur bereits erfasst ist, der läuft da rum - und auch dann gibt es ein entsprechendes Signal. Also: Es geht um intelligente, zielgenaue Überwachung, und nicht jeder wird überwacht, wo er einkauft oder mit wem er sich trifft."
    Andere Stimmen in der aktuellen Sicherheitsdebatte beziehen sich auf die vergeblichen Versuche, den tunesischen Attentäter von Berlin in seine Heimat abzuschieben, nachdem er bereits im Frühjahr als sogenannter Gefährder ins Visier der Sicherheitsbehörden geraten war. "Das ist allerdings Zustand, der ist nicht akzeptabel. Hier erscheint mir, dringender Regelungsbedarf zu sein. Weil in der Tat niemand versteht, dass so eine gefährliche Person, die ausreisepflichtig ist, die als Gefährder bekannt ist, nach derzeitiger Rechtslage wohl nicht in Abschiebehaft genommen werden kann", fordert der baden-württembergische CDU-Bundestagsabgeordnete Clemens Binninger im Südwestrundfunk. In der Großen Koalition zeichnet sich ein gemeinsamer Wille ab, die Regeln über die Haft zur Sicherung der Abschiebung auszuweiten - auch Ralf Stegner, stellvertretender SPD Vorsitzender erklärt: "Wir sind der Meinung, dass jemand, der gefährlich für die Öffentlichkeit ist und dessen Asylverfahren abgeschlossen ist, auf jeden Fall in Haft kommen sollte."
    Happy Chanukka
    Einen ganz andere Akzent setzte gestern Abend, eine Woche nach dem Attentat vom Breitscheidplatz, die jüdische Chabad Gemeinde. Vor dem Brandenburger Tor errichtet sie alljährliche zum Chanukka-Fest eine meterhohe Chanukkia, den traditionellen Leuchter mit neun Kerzen.
    "Das ist genau die Botschaft von Chanukka: Das Licht wird immer siegen, Licht über Dunkelheit!", rief Rabiner Yeuhada Teichtal in einer Rede, in der an die Opfer vom Breitscheidplatz erinnerte. Unter ihnen war die 60-jährige Israelin Dalia Elyakim. Ihr Mann Rafi liegt noch schwer verletzt in einem Berliner Krankenhaus. Der Sohn des Ehepaares, Or Elyakim, war unmittelbar nach dem Anschlag aus Tel Aviv nach Berlin gereist. Gestern fuhr er gemeinsam mit Rabiner Teichtal auf einer Hebebühne über den Platz vor dem Brandenburger Tor und entzündete dort die Kerzen des großen Berliner Chanukka-Leuchters.