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Attraktive Symbiose
Wie Pflanzen und Viren voneinander profitieren

Viren können nicht nur für Menschen gefährlich sein - auch bei Pflanzen richten sie großen Schaden an. Britische Forscher haben jetzt herausgefunden, dass bestimmte Viren für Pflanzen allerdings nützlich sein können. Durch den Befall werden sie für bestäubende Insekten attraktiver. Davon könnte in Zukunft auch die Landwirtschaft profitieren.

Von Lucian Haas | 07.09.2016
    HANDOUT - Produced by the National Institute of Allergy and Infectious Diseases (NIAID), this highly-magnified, digitally-colorized scanning electron micrograph (SEM) reveals ultrastructural details at the site of interaction of numerous yellow-colored Middle East respiratory syndrome Coronavirus (MERS-CoV) viral particles that were on the surface of a Vero E6 cell, which had been colorized blue. MERS-CoV was identified in 2012 as the cause of respiratory illness in people. Investigations are being done to figure out the source of MERS-CoV and how it spreads. So far, there are no reports of anyone in the U.S. getting infected with MERS-CoV. Most people who got infected with MERS-CoV developed severe acute respiratory illness with symptoms of fever, cough, and shortness of breath. About half of them died. Some people were reported as having a mild respiratory illness. MERS-CoV has been shown to spread between people who are in close contact. Transmission from infected patients to healthcare personnel has also been observed. Clusters of cases in Saudi Arabia, Jordan, the UK, France, Tunisia, and Italy are being investigated. Photo: National Institute of Allergy and Infectious Diseases (NIAID) 2014/dpa (ACHTUNG: Nur zur redaktionellen Verwendung im Zusammenhang mit der aktuellen Berichterstattung und nur bei Nennung: "Foto: National Institute of Allergy and Infectious Diseases (NIAID) 2014/dpa"; zu: "Mann aus Region Osnabrück mit tödlichem Mers-Virus infiziert" vom
    Möglicherweise müssen Viren nicht mehr allein als Schädlinge betrachtet werden. (picture alliance / dpa / NiAID)
    Das Gurken-Mosaik-Virus ist im Gartenbau gefürchtet. Befallene Tomatenpflanzen beispielsweise zeigen verkrümmte Blätter und verformte Früchte. In der freien Natur scheint ein Virenbefall allerdings nicht immer nachteilig zu sein. Der Pflanzenpathologe John Carr von der University of Cambridge hat in Versuchen beobachtet, dass mit Viren infizierte Tomatenpflanzen deutlich häufiger von Hummeln besucht werden. Die Hummeln helfen bei der Bestäubung.
    "Die Hummeln können offenbar Unterschiede zwischen infizierten und nicht infizierten Pflanzen erkennen. Wir waren überrascht, wie gezielt die Hummeln dem Geruch der Tomatenpflanzen folgen, die vom Gurken-Mosaik-Virus befallen sind."
    Virus sichert Überleben von Pflanzen
    Normalerweise würde man annehmen, dass gesunde Tomatenpflanzen attraktiver sein sollten für die Insekten. Doch offenbar hat das Gurken-Mosaik-Virus einen Weg gefunden, die Hummeln auf die von ihm befallenen Pflanzen zu locken. Das Virus sichert so sein Überleben.
    "Dass das Virus die Hummeln auf bestimmte Pflanzen lockt, führt dazu, dass sich deren Gene als Folge der selektiven Bestäubung stärker verbreiten können. Pflanzen, die eine Resistenz gegen das Virus entwickeln, sind vielleicht gesünder, werden aber von den Bestäuberinsekten weniger beachtet. Diese resistenten Pflanzen haben deshalb weniger Nachkommen. Davon profitieren wiederum die nicht virusresistenten Pflanzen, und damit auch das Virus."
    Für John Carr liefern solche Erkenntnisse den Anlass, die Rolle von Viren im Pflanzenreich zu überdenken.
    "Vielleicht müssen wir aufhören, Viren nur als Krankheitserreger und Parasiten zu sehen. Unsere Studie zeigt, dass manche Pflanzenviren möglicherweise auch als nützliche Symbionten dienen. Wenn eine Pflanze dem Virus erlaubt, sich in ihr zu vermehren, bekommt sie als Gegenleistung die Möglichkeit, selbst mehr Nachkommen zu produzieren."
    Gurken-Mosaik-Virus setzt Immunantwort von Pflanzen herab
    Wie genau das Gurken-Mosaik-Virus den Geruch der Tomatenpflanzen beeinflusst, kann John Carr noch nicht erklären. Das Virus besitzt nur fünf Gene. Eins davon codiert ein Protein, das offenbar die Immunantwort der Pflanzen herabsetzt. In der Folge ändert sich die Zusammensetzung des Bouquets, welches die Blüten verströmen. Messungen zeigten, dass die Pflanzen unter anderem weniger von einem Duftstoff namens Caryophyllen bilden.
    "Studien anderer Forscher haben gezeigt, dass Caryophyllen den Hummeln als Signal dient, dass eine Blüte schon zuvor besucht wurde. Wenn jetzt dieses Duftsignal geschwächt wird, verbreitet die Blüte einer virusinfizierten Pflanze die Botschaft: 'Hey, ich bin noch frisch, komm zu mir!' Vielleicht sehen die Bienen und Hummeln gerade deshalb diese Blüten als besonders attraktiv und vorteilhaft an."
    Diese Erkenntnis könnte wiederum interessant sein für die Landwirtschaft. Die Viren sind gefürchtet, aber vielleicht kann man von ihnen lernen. Bisher haben Pflanzenzüchter nicht darauf geachtet, das Duftbouquet von Tomatenblüten zu verändern. Doch genau das könnte ein Weg sein, um die Bestäubung durch Insekten und nachfolgend eine reiche Ernte zu sichern.