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Auch die Reichen trifft es

Umwelt. – Der UN-Klimafolgenrat IPCC stellt den zweiten Teil seines diesjährigen Klimaberichts vor. Seit dem Vorgängerreport 2001 haben sich die Erkenntnisse gefestigt. Die Prognosen für die Staaten rings um die Welt reichen von apokalyptisch bis vorteilhaft.

Von Volker Mrasek | 05.04.2007
    Auch wenn die Delegationen von Russland, China und den USA noch in letzter Minute Änderungswünsche anmelden: An den Zahlen, die ihnen in Brüssel vorliegen, gibt es nichts herumzukritteln. Fast 30.000 Datensätze aus den letzten drei Jahrzehnten bewertete der Welt-Klimarat für Teil II seines neuen Sachstandsberichtes. Die Messreihen zeigen: Der Klimawandel verschont keinen Kontinent. Und er hat die Erde schon heute im Griff. Zitat aus dem Schlussentwurf des Papiers:

    "Der menschliche Beitrag zur Erwärmung in den letzten drei Jahrzehnten hatte erkennbar Einfluss auf viele physikalische und biologische Systeme. Mehr als 85 Prozent der Datensätze zeigen Veränderungen in einer Richtung, wie sie als Reaktion auf eine Erwärmung zu erwarten sind."

    Wenn es stimmt, was die Autoren schreiben, dann müssen vier Weltregionen fürchten, zu den großen Verlierern der Klimaerwärmung zu zählen Das sind Afrika, die Arktis, Asiens Küsten mit ihren dicht bevölkerten Flussdeltas und schließlich kleine Inseln im Pazifik. Auf ihr Schicksal hat der Vorsitzende des Welt-Klimarates, der indische Ingenieur und Ökonom Rajendra Pachauri, schon früher hingewiesen:

    "”Wir müssen uns fragen: Ist der Klimawandel erst dann gefährlich, wenn sich Folgen für Europa und Nordamerika zeigen? Oder schon in dem Moment, wenn kleine Inselstaaten durch das Meer überspült zu werden drohen? Ich denke, man sollte auch ihre Lage berücksichtigen.""

    Nach dem vorliegenden Entwurf wird der Klimawandel allerdings auch die westlichen Industriestaaten nicht verschonen. Beispiel Nordamerika: Hier sollen sommerliche Hitzewellen in Millionenstädten wie Chicago stark zunehmen. Die großen Gebirge im Westen des Kontinents wie die Rocky Mountains dürften bald so wenig Schnee haben, dass es zu Problemen mit der regionalen Wasserversorgung kommt. Waldbrände könnten sich viel stärker ausbreiten als heute. Und noch eine Gefahr sieht der Welt-Klimarat, insbesondere für Länder wie die USA und Mexiko. Zitat:

    "Die Bevölkerungszunahme und Entwicklung in den Küstenregionen wird sehr wahrscheinlich das Risiko und die ökonomischen Schäden durch den Meeresspiegelanstieg, extremes Wetter und Sturmfluten erhöhen. Gegenwärtig ist man auf die erhöhte Gefährdung kaum vorbereitet."

    Aus Sicht der UN-Experten ist davon auszugehen, dass starke Wirbelstürme in den Tropen zunehmen, wenn sich das Oberflächenwasser der Ozeane weiter aufheizt. Das Wort "Hurrikan" taucht zwar in ihrem Schlussentwurf nicht auf. Doch genau diese Sorte Wirbelsturm ist gemeint. Man erinnert sich an Katrina und die Katastrophe in New Orleans vor zwei Jahren. Es gibt inzwischen einige Studien, die nahelegen, dass die US-Küste in Zukunft vermehrt von derartigen Superstürmen heimgesucht werden könnte. Zu den Autoren zählt auch der Geowissenschaftler James Elsner von der Universität von Florida:

    "”In unseren Modellierungen zeigt sich, dass Hurrikane in besonders warmen Sommern stärker und häufiger sind als in eher kalten. Wenn man bedenkt, dass sich das Klima mehr und mehr erwärmt, dann heißt das: Wirbelstürme von Katrinas Sorte sollten in ihrer Zahl und Intensität sogar noch zunehmen.""

    Die Prognosen für Europa sind durchwachsen. Hier soll es nach dem Berichtsentwurf sogar Gewinner der Erderwärmung geben. Zitat:

    "Nordeuropa wird der Klimawandel wahrscheinlich Vorteile bringen, und zwar durch verkürzte Kälteperioden, eine Zunahme der Ernte- und Forsterträge und durch ein erhöhtes Potential für die Nutzung von Wasserkraft."

    Dieser Klimabonus verblasst aber angesichts der Nachteile, die für Mittel- und Südeuropa erwartet werden. Dort dürfte es genau umgekehrt sein: Insbesondere im Mittelmeer-Raum könnten Ernteerträge und Wasserverfügbarkeit stark zurückgehen. Waldbrände und Hitzewellen dagegen sollen intensiver werden. Auch hier erinnert man sich, diesmal an den extrem heißen Sommer 2003 mit seinen vielen Hitzetoten in Frankreich, Italien und Deutschland. Der Welt-Klimarat sieht hier schon eine Verbindung zur globalen Erwärmung. Und er empfiehlt Europa deshalb, Vorkehrungen zu treffen - für ein besseres Krisen-Management bei Hitzewellen.