Donnerstag, 25. April 2024

Archiv


Auch Powerseller müssen sich künftig an die Buchpreisbindung halten

Vielleicht haben Sie ja auch schon mal was beim Internet-Auktionator Ebay gekauft oder zum Verkauf angeboten. Man muss sich dort registrieren lassen, zahlt eine Grundgebühr und kann dann anbieten oder für einen angebotenen Artikel mitbieten. Auch neue Bücher stehen da zum Verkauf. Zum Beispiel kann man das "Sakrileg" von Dan Brown - Ladenpreis 19,90 Euro - dort ersteigern - "originalverpackt" oder "ungelesen" steht dabei. Und die Preise liegen, wenn auch mehrere Stunden vor Ablauf der Frist, bei höchstens der Hälfte des Ladenpreises. Bücher als Schnäppchen per Internet - das soll es in Zukunft nun nicht mehr geben. Das Oberlandesgericht Frankfurt hat heute nämlich entschieden, dass für neue Bücher im Internet-Auktionshandel die Buchpreisbindung gilt. Ein Buchhändler in Darmstadt hatte gegen einen Berliner Journalisten geklagt, der Rezensionsexemplare bei Ebay versteigert hatte.

Joachim Güntner im Gespräch | 15.06.2004
    Doris Schäfer-Noske: Ich habe über das Urteil mit dem Verlagsexperten Joachim Güntner gesprochen und ihn gefragt, welchen Umfang denn dieser Internet-Auktionshandel mit Büchern angenommen hat.

    Joachim Güntner: Ich weiß nicht, wie viele Leute es mit der Größenordnung dieses Berliner Journalisten gibt, die ihre Buchbestände bei Ebay verkaufen. Das kann ich Ihnen nicht beantworten, aber ich kann es beantworten für den beklagten Journalisten in Berlin. Da ist es so gewesen, dass stichprobenartig vorgenommene Untersuchungen erbrachten, dass er nachweislich nur für einen Monat über 40 Bücher - preisgebunden, nagelneu - zu Schleuderpreisen angeboten hat. Er hat allerdings nicht nur Bücher da verkauft. Er hat auch CDs, Videos und andere Dinge verkauft. Es gibt ja die Möglichkeit, wenn Sie Verkäufer bei Ebay sind, dass Sie bewertet werden, ob Sie eine gute Leistung gebracht haben. Diese Mensch hat in acht Monaten 1.000 registrierte Bewertungen bekommen. Sie sind als Kunde nicht verpflichtet, eine Bewertung zu geben. Das heißt, 1.000 Verkäufe in acht Monaten hat er allein vorgenommen, nicht nur mit Büchern, aber überhaupt mit Artikeln. Das ist also auf jeden Fall jemand, der dort, man muss sagen, professionell Ware verkauft.

    Schäfer-Noske: Es gibt auch andere Händler, die als Powerseller von Ebay qualifiziert werden. Das heißt also, sie verkaufen große Mengen, und wenn man da mal nach dem "Sakrileg" von Brown, zum Beispiel originalverpackt oder ungelesen, sucht, dann findet man bei einem Verkäufer gleich vier Exemplare, die heute noch fällig werden. Wer sind denn diese Verkäufer und woher haben sie diese Bücher?

    Güntner: Als Powerseller gilt man, glaube ich, bereits, wenn man täglich und mit einer gewissen Regelmäßigkeit - was auch ein wichtiges Kriterium für das Oberlandesgericht in Frankfurt war - Artikel dort einstellt. Ich glaube, die spannende Frage ist, woher kommen eigentlich die Bücher? Der Darmstädter Kläger hat jetzt natürlich den Verdacht, dass das nicht alles Rezensionsexemplare sind, die dort vertrieben werden. Ich habe auch mit anderen gesprochen, die sagen, wer weiß, vielleicht gibt es im Buchhandel selbst schwarze Schafe. Die Verlage haben eigentlich gar kein Interesse, auf diese Art und Weise ihre Bücher billig zu machen, weil es das Preisbewusstsein doch sehr strapaziert und die Leute noch weniger bereit sind, für Hardcovertitel ordentliches Geld auszugeben. Dass es der Buchhandel selber ist, ist noch unwahrscheinlicher. Denken Sie beispielsweise daran, was ein Buchhändler für eine Marge hat. Also er bekommt auf den Ladenpreis 40, manchmal sogar über 50 Prozent Rabatt, aber das ist schon extrem viel. Das Irritierende bei dieser ganzen Geschichte ist, dass die Titel, die der beklagte Journalist jetzt angeboten hat, unter dem Einkaufspreis des Buchhandels liegen. Das heißt, ein Buchhändler, der solche Titel, die er mit Buchhandelsrabatt von den Verlagen bekommen hat, dort weiter verkauft, legt drauf. Das ist das Irritierende dabei. Ich habe mit jemanden gesprochen, der sagte, er könne sich das eigentlich nur so erklären, in den Druckereien gäbe es immer einen Überschuss. Dass da sozusagen jemand gleich eine Palette mitnimmt, dazu bräuchte es kriminelle Energie. Das wäre die einzige Möglichkeit sozusagen. Und dann wird Ihre zweite Frage interessant, wer sitzt da alles dran? Inwieweit ist dieser Mensch, der jetzt beklagt worden ist und verloren hat, exemplarisch? Das kann ich noch nicht beurteilen.

    Schäfer-Noske: Inwieweit kann man denn das jetzt überhaupt überprüfen? Es ist jetzt verboten, aber da müsste ja auch jemand da sein, der das ständig kontrolliert.

    Güntner: Das ist der Punkt, der anonyme Handel. Es ist jetzt so, dass die Industrie- und Handelskammer aufgewacht ist und auch Anwälte darauf ansetzt, das zu verfolgen. Die Branchen erwarten für die Zukunft ein juristisches Verbot, als sogenannter Powerseller im Internet noch anonym handeln zu können. Das heißt also, wenn Sie mit Größenordnungen handeln, wo es heißt, das ist professioneller, das wird gewerbsmäßig betrieben, müssen Sie Ihre Identität aufdecken. Noch ist es quasi unmöglich. Wenn Sie als Journalist nachfragen, werden Sie natürlich dort keine Identitäten aufgedeckt bekommen.

    Schäfer-Noske: Wie beurteilen Sie denn dieses Urteil, das da heute in Frankfurt gefällt wurde?

    Güntner: Wäre ich ein Wirtschaftsjournalist, so würde ich sagen, die Buchpreisbindung ist ein Kartell. Das ist ein ganz schlimmes Urteil. Ich bin aber kein Wirtschaftsjournalist. Ich bin Kulturjournalist. Die Buchpreisbindung ist dazu da, das Kulturgut Buch zu schützen. Es schützt vor allen Dingen den kleinen Buchhandel. Wir haben in Deutschland ein dichtes Buchhandelsnetz. Gäbe es die Buchpreisbindung nicht, wäre dieses Netz nicht mehr zu halten. Es wäre auch die Gleichheit vor der Ladenkasse nicht mehr gewährleistet. Es ist ja völlig gleichgültig, ob Sie in einem Bergdorf einen bestimmten Titel erwerben oder in einer Metropole. Sie haben überall als Kunde den gleichen Zugang zum Kulturgut Buch. Als Kulturjournalist begrüße ich das natürlich, dass das weiterhin so ist und dass die Buchpreisbindung mit dem heutigen Tag einen Sieg errungen hat.