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Audio-Branding
Wie Musik hilft, Pommes zu verkaufen

Je besser die Musik, desto mehr Burger, Pommes und Eis futtern die Kunden: Eine schwedische Studie hat den Einfluss von Popmusik auf den Umsatz in Fast-Food-Restaurants untersucht. Macht uns intelligente Hintergrund-Musik zu unmündigen Kunden?

Von Christoph Möller | 23.05.2017
    Eine Portion Pommes Frites
    Mittels Audio Branding werden Burger, Pommes und Eis attraktiver. (EPA/FACUNDO ARRIZABALAGA)
    Je passender die Musik, desto mehr Burger, Pommes und Milchshakes kaufen die Kunden in Fast-Food-Restaurants, sagt eine Studie aus Schweden vom Marktforschungsinstitut HUI Research. In 16 Restaurants wurde zeitgleich Musik abgespielt, die vermeintlich zur Fast-Food-Marke passt. Im Vergleich zu Restaurants, in denen zufällig ausgewählte Musik lief, stieg der Umsatz erheblich.
    "Burger: um 8,6 %."
    "Heiße Getränke: 6,7 %."
    "Milchshakes und Smoothies: 15 %!"
    "Pommes: 8,2 %."
    "Nachtisch: 15,6 %!"
    "Gesamte Umsatzsteigerung: 9,1 %!"
    Erlebnis mit bis zu zehnfacher Intensität
    Aber warum sind Eis, Burger und Pommes plötzlich noch attraktiver? "Superadditivität", sagt Andreas Schoenrock, der zu akustischer Markenführung forscht. Super ... was?
    "Das ist ein Begriff aus der Multisensorik. Das heißt, je mehr Sinne kongruente Reize wahrnehmen, kann es zu einem Effekt kommen, der einen ein Erlebnis mit bis zu zehnfacher Intensität erleben lässt."
    Wir fühlen uns wohler, wenn wir alles als harmonisch wahrnehmen. "Und wenn dem so ist, dann macht das auch durchaus Sinn, dass die Menschen länger bleiben, mehr kaufen etc."
    Eis aus einem Fast-Food-Restaurant
    Eis aus einem Fast-Food-Restaurant (imago stock&people/Levine-Roberts)
    Um diese Harmonie herzustellen, sind Musikberater wie Schoenrock auf der Suche nach dem so genannten "brand fit": Welche Musik passt am besten zum Fast-Food-Restaurant? Wie klingt die Marke?
    "Sagen wir mal, ein Markenwert ist Jugendlichkeit. Dann gibt es relativ naheliegende musikalische Schlüsse: Dass man natürlich Musik nimmt von jungen Bands oder Musik, die in den Charts ist. Dass es nun keine Musik ist, die zu komplex ist, die zu komplexe Harmonieverläufe hat, dass es sehr harmonische Musik ist, und so weiter."
    Gekettet an den Rhythmus der Marke
    Welche Musik das dann am Ende genau ist: schwer zu sagen. Jung, harmonisch, Charts? Vielleicht: Katy Perry? "Chained To The Rhythm"?
    Gekettet an den Rhythmus der Marke: Einfache Melodie, positive Stimmung, ein bisschen tanzbar, aber nicht zu tanzbar. Das Ziel: Mehr Umsatz, Superadditivität. Popmusik als Wohlfühlelement. Ihrer emotionalen Seite beraubt, auf die reine Funktion beschränkt.
    "Ich persönlich bin da auch etwas gespalten. Also ich ganz persönlich, wenn ich jetzt nur von mir als Individuum ausgehe, ohne dass ich Geld verdienen müsste, würde sagen, das ist ein großer Fehler, Musik so verwenden. Also insgesamt: Musik zu verwenden, um Dinge zu verkaufen oder sowas."
    Und Schoenrock sagt: Wie Musik empfunden wird, ist total individuell: Wie geht es mir? Wie ist das Wetter? Alles wirkt auf unser Musikerleben. Sogar die schwedische Studie könnte nur zufällig diese Ergebnisse geliefert haben.
    "Kann immer nur eine vage Annährung sein"
    "Diese ganzen Dinge können immer nur eine vage Annäherung sein, an das, wie es ist. Es wird nie so sein, dass man linear sagen kann, so ist es. Das wird niemals so sein. So funktioniert Musik nicht."
    Zum Glück. Könnte man sagen. Die Studie hat aber noch einen Haken: Sie sagt zwar, kuratierte Musik erhöht den Umsatz. Welche Musik das ist, bleibt vage: Es seien unbekannte Stücke, und Stücke aus den 1.000 meistgehörten Songs bei Spotify in Schweden. Eine Liste mit Titeln gibt es nicht.
    "Das heißt, sie sagen: Okay, diese 1.000 Titel haben einen brand fit. Dafür gibt es aber keinen Beweis. Der Beweis bleibt offen."
    Dennoch: An jeder Ecke ein Geschäft, das bislang vielleicht für ihre Marke unpassende Musik gespielt hat; große Firmen, die ihre Produkte mit Pop aufhübschen wollen – Audio Branding, ein Musikmarkt, der wächst. Dank unzähliger Daten liefert er immer treffsicherer die passende Musik. Das kann man ablehnen. Oder man sagt: Popmusik erreicht eine neue Stufe der Verwertung: Sie wird immer mehr ein zusätzliches Möbelstück, das unauffällig, aber gut aussehend irgendwo rumsteht.