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Auf dem Catwalk von Kreuzberg bis Neukölln

Noch vor wenigen Jahren hätte Berlin als Modestadt kaum eine Chance gegen Paris, Mailand und New York gehabt. Inzwischen findet zwei Mal im Jahr die Fashion Week statt mit dem zentralen Zelt am Brandenburger Tor. An zahlreichen Nebenschauplätzen wird ebenfalls Mode präsentiert - für alle zugänglich.

Von Sabine Loeprick | 04.07.2012
    Der Dienstagabend ist so etwas wie das Warming Up für die Fashion Week, an Dutzenden Orten in der Stadt werden Showrooms und Ausstellungen eröffnet, Partys gefeiert und - Preise verliehen. So nämlich auf dem Gelände eines ehemaligen Postbahnhofs, das Zuhause der Messe "Premium", die mittlerweile zum 20. Mal Klassisches, Luxus und Avantgarde präsentiert. Vor dem eigentlichen Start aber steht traditionell die Verleihung des "Young Designers Awards" - Messegründerin Anita Tillmann:

    "Das war der 1. Preis, der in Berlin für junge Designer vergeben wurde und danach sind ganz viele andere gekommen. Diese ganze Woche also wird voller Preise und Verleihungen sein für junge Kreative. Das ist ganz wichtig für den Standort es kommt auf den Nachwuchs an und wie man ihn fördert und mit erzieht. Und das tun wir hier in Berlin."

    Dieses Mal geht die begehrte Auszeichnung an das Herrenmodelabel "Breaks" aus London, die Sonnenbrillendesigner von "Kuboraum" in Berlin und an die Russin Julia Seregina. Erst vor einem halben Jahr hat sich die ehemalige Marketingfrau nach einem Zweitstudium als Designerin selbstständig gemacht, strickt Hemden, Röcke und Kleider aus Stoffstreifen, Seide und Kunststoff:

    "Ich versuche nachhaltig zu arbeiten, was die Auswahl an Materialien angeht. Häufig verwende ich Baumwolle, aber auch Stoffreste, wie beispielsweise Seide, aus der ich ein Kleid gestrickt habe- 700 Meter Seidenstreifen habe ich dafür zugeschnitten."

    Dass nachhaltig produzierte Mode in der Branche immer wichtiger wird, das bestätigt auch Magdalena Schaffrin. Die Designerin organisierte 2009 im Rahmen der Fashion Week den ersten "Green Showroom". Das kam so gut an, dass es mittlerweile zwei große Messen für "grüne Mode" gibt- neben der "Highend-Ausgabe" im Hotel Adlon auch die "Ethical Fashion Show", auf der unter anderem Streetwear und Jeans präsentiert werden- Magdalena Schaffrin:

    "Ich denke, Nachhaltigkeit ist ein großes Thema geworden und wird verstärkt in verschiedene Bereiche integriert und da gehört die Mode mit dazu und das merken wir. Viele neue Labels gründen sich mit der Selbstverständlichkeit nachhaltig arbeiten zu wollen- das ist die eine Seite. Die andere Seite ist: Viele große Labels bringen neue Kollektionen heraus, machen kleine 'capsule Kollektionen', die nachhaltig sind, oder stellen sogar ihr Kollektionskonzept um in Richtung Nachhaltigkeit."

    Einem ganz speziellen Bereich der "grünen Mode" widmen sich Designerin Carina Bischof und ihr Label "Aluc" in ihrem "Upcycling Fashion Store", dem ersten dieser Art in Berlin. Im Rahmen der Fashion Week gibt es hier Mode aus Österreich zu sehen- Miniröcke, die früher Herrenhosen waren, Ledertaschen,
    die aus alten Jacken geschneidert wurden:

    "Man verwendet ein Material, das schon vorher eine Benutzung hatte, das eigentlich sonst auf dem Müll gelandet wäre und keine Bedeutung mehr gehabt hätte, das aber wieder im Kreislauf landet. Da wollen wir uns ein bisschen abgrenzen vom Recycling, das den Secondhandcharakter hat, sondern Upcycling ist ein neues hochwertiges Produkt, das eine Geschichte erzählt."

    Vom schicken Mitte nach Neukölln, eher bekannt für sozialen Brennstoff als für Mode. Irrtum, sagt Sabine Hülsebus vom Netzwerk "Nemona".Denn im Kiez gebe es eine ganze Reihe von jungen Designern:

    "Auf der einen Seite kommen die Leute natürlich dorthin, wo die Mieten günstig sind- aber es gibt ansonsten in Berlin kein Netzwerk wie unseres, denn wir verbinden Designer aber auch Schneider, Näher und andere Produzenten und ich weiß von einigen Leuten, dass sie wirklich deswegen in diesen Bezirk gekommen sind."

    Das Besondere: die Zusammenarbeit von jungen Kreativen mit türkischen und arabischen Frauen aus dem Bezirk, von denen viele spezielle Handarbeitstechniken beherrschen. Viele dabei entstandene Produkte haben mittlerweile wieder den Sprung auf die Fashion Week geschafft- "Rita in Palma" beispielsweise mit ihren kunstvollen Kragen. Aber auch die Newcomerin Ewa Swoboda, die in einem Kreuzberger Showroom besondere Bademode zeigt: gehäkelte Bikinis.