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Auf dem Weg zur Dauerlösung

Kardiologie. - Herzchirurgen haben wie alle Transplanteure vor allem den Mangel an Spenderorganen zu bewältigen. Doch sie verfügen auch über einen künstlichen Ersatz, der zunehmend statt zur Überbrückung zur Daueranwendung eingesetzt wird. Auf dem Internationalen Kunstherzsymposium in Berlin wurde über Stärken und Schwächen der künstlichen Organe diskutiert. Veranstalter Professor Roland Hetzer vom Deutschen Herzzentrum Berlin erläutert die Situation im Gespräch mit Eva Raisig.

Roland Hetzer im Gespräch mit Eva Raisig | 08.11.2013
    Raisig: Herr Hetzer, in welchen Fällen wird überhaupt das Kunstherz eingesetzt?

    Hetzer: Also dieses Kunstherz, oder besser gesagt Herzunterstützungspumpen, sind ja künstliche Systeme, die die Leistung des Herzens übernehmen. Das heißt, solche Systeme verwenden wir, wenn das Herz versagt und wenn auch keiner andere Behandlungsmöglichkeit, also keine medikamentöse oder keine sonst operative Möglichkeit, besteht. Das betrifft zum Beispiel Patienten mit schweren Herzinfarkten oder nach mehreren Herzinfarkten, wenn das Herz insgesamt zunehmend geschädigt ist, oder auch bei bestimmten Herzmuskelerkrankungen, bei denen die Patienten dann vielleicht schneller in ein sehr gefährliches Herz-Kreislauf-Versagen gehen, bevor man eine Transplantation machen kann.

    Raisig: Und wo liegen die Risiken bei einem solchen künstlichen Organ?

    Hetzer: Die typischen Risiken sind, dass nach wie vor Gerinnsel sich in diesen Pumpen und Schläuchen entwickeln können, Blutgerinnsel, die dann embolisieren können und sei es Schlaganfälle oder andere Organschäden hervorrufen. Die meisten dieser Pumpsysteme sind nach wie vor mit einem Kabel durch die Haut verbunden mit einer Energiequelle, die der Patient außen trägt. Und diese Kabel sind natürlich grundsätzlich auch Wege für eine Infektion. Ein Weiteres ist zum Beispiel, dass auch einzelne technische Teile dieser Systeme, wenn die Patienten diese über mehrere Jahre haben, offensichtlich noch nicht für so lange Zeit gemacht sind, wie zum Beispiel eben diese Kabel. Diese Kabel können brechen und die Firmen sind allesamt daran, sich auf längere Fristen einzustellen und da auch entsprechend diese Komponenten, diese Pumpen darauf auszurichten.

    Raisig: Auf diesem internationalen Kunstherz-Kongress, der in Berlin stattfindet, werden ja solche neuesten technischen Entwicklungen gerade vorgestellt. In welcher Hinsicht haben sich den Kunstherz verbessert, oder welche Neuerungen sind denn in den nächsten Jahren zu erwarten?

    Hetzer: Wir machen ja jetzt dieses Wochenende das achte Symposium in einer Reihe, die in den letzten Jahren immer zweijährig war, immer mit den gleichen Themen: nämlich dass wir uns befasst haben mit der Frage, ob sich mit den künstlichen Pumpen eine Erholung des Herzens erreichen lässt, so dass man diese Pumpen wieder explantieren kann. Das gibt es. Oder die Systme für Kinder, das ist ja für lange Zeit ein wenig bearbeitetes Thema gewesen, und auch die sehr wichtige Frage, dass wir solche Pumpen auf Dauer implantieren, also nicht mehr wie früher, als Überbrückung zur Transplantation, sondern auf Dauer anstelle einer Transplantation. Und das spielt natürlich vor allen Dingen eine große Rolle für ältere Patienten, für die ohnehin eine Transplantation nicht vorgesehen ist. Aber um auf Ihre Frage zurückzukommen, die Pumpen waren ja ursprünglich zumeist pulsatile, das heißt solche, die das Blut Schlag für Schlag wie das natürliche Herz transportiert haben. Ich hatte dann 1998 die Gelegenheit, zum ersten Mal auf der Welt einem Menschen eine Turbine, also eine Axialfluss-Pumpe einzubauen, die einen kontinuierlichen Blutfluss produziert. Und dies ist eigentlich das Prinzip, mit dem heute eigentlich so gut wie alle diese Pumpsysteme arbeiten. Mit diesem Turbinenprinzip konnte man erreichen, dass die Pumpen kleiner werden, dass sie weniger Energie brauchen, dass sie vor allem geräuschlos sind und insgesamt Pumpen, die auch geeignet sind, über Jahre hinweg im Patienten zu bleiben und dem Patienten ja auch eine verhältnismäßig hohe Mobilität und Leistungsfähigkeit zurückgeben. Und die nächste Generation, die jetzt vielleicht in ein oder zwei Jahren kommen wird, sind dann Pumpsysteme, da ist die Pumpe nur noch so daumengroß, nicht wahr. Das heißt, wirklich sehr klein und schnell zu implantieren, auch zu wechseln, wenn es nötig ist. Und ich gehe mal davon aus, dass dies ein Thema ist, was in den kommenden Jahren eine erhebliche Breite in der kardiologischen und herzchirurgischen Medizin einnehmen wird.

    Raisig: Für wie wahrscheinlich halten Sie es denn, dass Kunstherzen in Zukunft das Problem um fehlende Spenderorgane beheben können, indem sie eben Transplantation ersetzen?

    Hetzer: Dass tun sie ja eigentlich heute schon. Sehen Sie, ich gebe Ihnen ein Beispiel: Wir haben hier in Berlin im letzten Jahr 26 Herztransplantationen durchgeführt, wo wir in den 90er-Jahren auch Jahre hatten, wo wir 120 im Jahr transplantiert haben. Seit Jahren ist die Zahl der Spenderorgan immer weiter zurückgegangen und jetzt noch einmal ein Stück. Umgekehrt haben wir zur selben Zeit 200 Patienten mit solchen künstlichen Pumpen. Das heißt, die Frage, ob Patienten, die so eine künstlich Pumpe bekommen, jemals transplantiert werden, die lässt sich damit schon beantworten: Es geht gar nicht., von der Zahl her. Dass heißt, diese beiden Gruppen driften auseinander und für einen Großteil der Patienten, die also eine künstliche Pumpe bekommen ist dies selbstverständlich ein Dauerzustand.

    Raisig: Aber wenn man doch sozusagen die Möglichkeit hätte zu entscheiden, dann würde man sich im Zweifelsfall doch für ein Spenderorgan entscheiden und nicht für ein künstliches Herz, oder?

    Hetzer: Es ist ohne Frage, dass sie mit der Transplantation eine Methode haben, die bewährt ist und die natürlich auch spektakuläre, sehr gute Langzeitergebnisse hat. Ich habe selbst Patienten, die ich vor 28 oder 29 Jahren noch transplantiert habe, die noch am Leben sind. Das kann man mit so einer künstlichen Herzpumpe nicht erreichen, bisher. Aber ich glaube, die Entwicklung geht dahin, dass es so gehen wird, und vor allen Dingen für ältere Patienten, die man ohnehin nicht für die Transplantation vorgesehen hätte. Aber das ist eine eher theoretische Frage, denn so viele Spenderorgane, wie wir bräuchten, wird man auch unter günstigsten Bedingungen nie haben.

    Reisig: Und damit könnten Kunstherzen tatsächlich eine wichtige Rolle beim Problem der fehlenden Spenderherzen.