Dienstag, 19. März 2024

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Auf dem Weg zur zivilen Regierung
"Schattenprozess" gegen Al-Bashir

Nach Monaten der blutigen Unruhen und Militärherrschaft rückt eine Zivilregierung im Sudan in greifbare Nähe. Die Aufarbeitung vergangener Verbrechen werde dabei zunächst eine untergeordnete Rolle spielen, sagte Annette Weber von der Stiftung Wissenschaft und Politik im Dlf.

Annette Weber im Gespräch mit Andreas Noll | 17.08.2019
General Mohamed Hamdan Daglo (r.) vom regierenden Übergangs-Militärrat und Ahmed Rabie von der prodemokratischen Protestbewegung unterzeichnen am 4. August 2019 ein Verfassungspapier, um den Weg zu einer Zivilregierung im Sudan freizumachen
General Hemedti vom Militärrat und Ahmed Rabie von der prodemokratischen Protestbewegung beim Unterzeichnen ihrer Einigung vom 4. August (Ashraf Shazly / AFP)
Ein Vierteljahrhundert hatte im Sudan Omar Al-Bashir autokratisch geherrscht - bis das Militär ihn im April absetzte. Es folgten blutige Monate der Unruhe und Militärherrschaft. Nun haben sich Militärrat und die prodemokratische Protestbewegung auf eine zivile Regierung verständigt. Teil der Einigung ist auch, den alten Machthaber Al-Bashir wegen Korruptionsvorwürfen vor Gericht zu stellen.
Mit einer lückenlosen Aufarbeitung der Vergangenheit sei allerdings nicht zu rechnen, sagt Annette Weber von der Stiftung Wissenschaft und Politik. "Das ist natürlich ein Schattenprozess, der letztendlich nur geführt wird, um überhaupt was zu tun", sagt die langjährige Sudan-Kennerin. Viele Mitglieder der Übergangsregierung aus Militär- und Sicherheitsapparat seien selbst in Menschenrechtsverletzungen verwickelt gewesen und hätten kein Interesse an einer Aufklärung.
Ohne Hemedti "wird nichts passieren können"
Viel diskutiert wird etwa über den umstrittenen General Mohammed Hamdan Dagalo, genannt Hemedti. Der Befehlshaber einer paramilitärischen Miliz ist laut Weber unter anderem mitverantwortlich für ein Massaker am 3. Juni in Khartum, bei dem über hundert Demonstranten getötet und Dutzende Frauen vergewaltigt worden sein sollen. Er sei aber mit seinen Truppen momentan der "stärkste Mann im Sudan" - "ohne ihn wird im Augenblick im Sudan nichts passieren können". Ihn einzubinden, hält Weber daher im Sinne einer starken Übergangsregierung "für die bessere Idee".
Der Aufbau einer unabhängigen Justiz werde Zeit brauchen, sagt Weber. Ein Konsens in der Übergangsregierung darüber, wessen Straftaten aufgearbeitet werden müssen, ist für sie schwer vorstellbar. "Ich sehe nicht, dass in den nächsten Wochen oder Monaten einzelne Personen aus der derzeitigen Übergangsregierung vor Gericht gestellt werden."
"Ich sehe Al-Bashirs Zeit in Den Haag kommen"
Eine Auslieferung des abgesetzten Al-Bashir an den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag hält Weber in absehbarer Zeit nicht für wahrscheinlich. "Ich glaube nicht, dass Al-Bashir auf Dauer im Sudan bleiben kann. Ich sehe seine Zeit in Den Haag kommen. Aber ich glaube nicht, dass das in den nächsten drei Jahren passiert."