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Auf den Spuren Tikals
Forscher rekonstruieren eine Maya-Stadt

Im heutigen Guatemala befand sich im 7. und 8. Jahrhundert die Maya-Stadt Tikal mit Hunderten Palästen und Tempeln. Innerhalb weniger Jahre brach das Königreich völlig zusammen. Warum, ist bisher unklar. US-Biologen haben nun überraschende Antworten gefunden.

Von Lucian Haas | 18.12.2014
    Das Leben in der Maya-Metropole Tikal zu rekonstruieren, ist kein leichtes Unterfangen. Eine der strittigen Fragen ist zum Beispiel, wie viele Einwohner Tikal in seiner Blütezeit im 8. Jahrhundert zählte. David Lentz, Biologe an der Universität von Cincinnati.
    "Seit Jahren haben Archäologen Tikal und andere große Maya-Städte studiert. Einige präsentierten dabei wirklich erstaunliche Schätzungen zur Größe der Bevölkerung Tikals. Eine Studie beispielsweise ging von 100.000 Menschen aus, eine andere sogar von 250.000. Unsere Untersuchung zeigt aber, dass die Natur dort niemals so viele Menschen hätte ernähren können."
    Nach den Erkenntnissen von David Lentz hatte Tikal eine Bevölkerung von höchstens 45.000. Auf diese Zahl kam er mit einem internationalen Forscherteam auf Basis umfangreicher biologischer Studien. Die Wissenschaftler untersuchten unter anderem den Regenwald, der heute die Ruinen von Tikal umgibt. Es ging ihnen darum, zu ermitteln, wie viel nachhaltig nutzbare Biomasse er produziert.
    "Wir zählten die Bäume und vermaßen deren Höhe und Durchmesser. Und wir bestimmten die Arten. Diese Daten haben wir dann mit archäologischen Funden verglichen: Die Maya haben viel Holzkohle hinterlassen. Und die Holzkohle liefert Hinweise auf den Baumbestand der Vergangenheit."
    Von den Baumarten her war der Wald zur Maya-Zeit ganz ähnlich wie der heutige natürliche Regenwald. Die Maya müssen demnach eine nachhaltige Forstwirtschaft betrieben haben, sagt David Lentz. Allerdings deutet die Analyse von Pollen aus den Sedimenten eines Sees darauf hin, dass die Waldfläche damals viel kleiner war. Nach den Berechnungen der Forscher hatten die Maya rund 70 Prozent der Fläche des Königreichs Tikal für die Landwirtschaft und Siedlungsflächen gerodet. Somit standen nur 30 Prozent der heutigen Waldfläche zur Verfügung, um das benötigte Brennholz zu liefern.
    Maya gruben sich selbst das Wasser ab
    "Die Energieversorgung war einer der limitierenden Faktoren. Die Maya brauchten Holz, um ihre tägliche Nahrung zu kochen. Und sie brauchten Feuerholz, um den Putz ihrer Bauten herzustellen. Große Teile der Stadt waren mit Putz überzogen. Für diesen Putz braucht man gebrannten Kalk. Ihre einzige Energiequelle war aber Holz. Das bedeutet, dass die Bevölkerung, die in der Region mit der zur Verfügung stehenden Technologie dauerhaft leben konnte, begrenzt war."
    Nach Einschätzung der Forscher machten die Maya ihre Sache im Grunde nicht schlecht. Sie pflegten den Wald und betrieben auf den Feldern eine vielfältige Landwirtschaft. Mit Hilfe großer Wasserreservoire und künstlicher Bewässerung konnten sie sogar in der trockenen Jahreszeit eine zweite Ernte einfahren. Nur eine Sache hatten sie offenbar nicht bedacht: Wie stark sie durch ihr Tun den Wasserhaushalt ihres Lebensraumes veränderten. Das sollte den Maya zum Verhängnis werden, als im neunten Jahrhundert über mehrere Jahre hinweg eine große Trockenheit die Region erfasste.
    "Indem die Maya so viel Land rodeten, beeinflussten sie den Wasserkreislauf. Möglicherweise haben sie damit sogar die Dürre verstärkt. Heute weiß man, dass wenn der Regenwald gerodet wird, der regionale Niederschlag abnimmt. Wenn wir heute zurückschauen, sehen wir die Maya als eine sehr fortschrittliche, komplexe Gesellschaft. Aber was sie mit der Umwelt taten, war letztlich zu ihrem Nachteil."
    Das Königreich Tikal brach damals innerhalb kurzer Zeit zusammen, die Bevölkerung starb oder floh. David Lentz sieht darin auch ein warnendes Beispiel für die heutige Zeit.
    "Wir haben Dürren, wir haben Ernteausfälle und Hungersnöte. Es passieren die gleichen Dinge. Wir haben nur ein bisschen bessere Technik, um damit umzugehen. Aber letztendlich könnten wir durch Eingriffe in die Umwelt den gleichen Preis wie die Maya zahlen.