Freitag, 19. April 2024

Archiv

Auf den Straßen von Paris
Tag der Entscheidung in Frankreich

In Frankreich stehen an diesem Sonntag zwei vermeintliche Außenseiter zur Wahl als Staatsoberhaupt: Eine Rechtspopulistin tritt an gegen einen früheren Banker. Die große Unbekannte ist auch diesmal die Wahlbeteiligung. Viele Franzosen würden wohl am liebsten zu Hause bleiben. Ein Stimmungsbild.

Von Ursula Welter | 07.05.2017
    Zweite Runde der Präsidentschaftswahl in Frankreich. Hier ein Wahllokal in Lille.
    Zweite Runde der Präsidentschaftswahl in Frankreich. Hier ein Wahllokal in Lille. (picture alliance / 1/MAXPPP/dpa)
    Marine Le Pen tritt zum zweiten Mal an. 2012 war sie unterlegen. Jetzt ist sie in der entscheidenden Runde. Im ersten Wahlgang, im April, hatte die Chefin des Front National mehr als sieben Millionen Franzosen überzeugen können, ein Rekordergebnis für die extreme Rechte.
    "Der Moment ist gekommen. Vorwärts. Richtung Sieg. Es lebe das französische Volk, es lebe die Republik, es lebe Frankreich."
    Für Emmanuel Macron ist es der erste Anlauf. Der Newcomer liegt in den Meinungsumfragen vorne, mit 39 Jahren wäre er der jüngste Staatspräsident Frankreichs und der erste, der es mit einer Bewegung ins Amt geschafft hätte, die gerade erst ein Jahr geworden ist – "En marche!"
    "Ja, meine Freunde, wir müssen gewinnen, denn es geht um die Zukunft unseres Landes", rief der gemäßigte Kandidat seinen Anhängern auf den letzten Metern des Wahlkampfs in Südfrankreich zu.
    Eine Gruppe von Macron-Anhängern wirbt um letzte Stimmen
    An der Metrostation Muette, im wohlhabenden 16. Stadtteil von Paris, wirbt eine Gruppe von Macron-Anhängern um letzte Stimmen. Es ist Freitagabend, in wenigen Stunden wird es verboten sein, auf Wählerfang zu gehen - das französische Gesetz sieht das so vor.
    Noch ahnen die Wahlkämpfer Macrons nicht, dass das Material, das vor einigen Wochen von den Computern der Wahlkampfzentrale gestohlen wurde, kurz vor Mitternacht verbreitet werden wird – vermengt mit Halbwahrheiten und falschen Behauptungen.
    Noch scheint die Sonne, eifrig werden Handzettel verteilt, vorne der ernst, aber freundlich dreinschauende Emmanuel Macron, hinten Programm und Absichten.
    "Die Franzosen haben gesehen, dass die Dinge mit den traditionellen Parteien nicht vorangehen", sagt Boris, der für Emmanuel Macron Werbung macht.
    "In Deutschland habt ihr mit Frau Merkel und Schröder die nötigen Reformen gemacht, ihr hattet den Mut, ich glaube mit Macron können wir diese Reformen anstoßen."
    Boris ist optimistisch für den heutigen Wahltag. Aber natürlich ist nichts entschieden, "c’est pas encore fait …"
    Die große Unbekannte ist auch diesmal die Wahlbeteiligung
    Ein junger Mann kommt aus dem Metro-Schacht, "Nein", Wahlwerbung für Macron will er nicht, er wählt Marine Le Pen, bittet höflich um Verständnis und zieht weiter.
    Das TV-Duell am Mittwoch zuvor habe Marine Le Pen nicht geschadet, sagen ihre Anhänger, und die Kandidatin selbst, die aggressiv und streckenweise uniformiert aufgetreten war, argumentierte bis zum letzten Tag des Wahlkampfs:
    "Ich habe genau das getan, was das französische Volk von mir erwartete."
    Rund 47 Millionen Franzosen sind zur Wahl aufgerufen. Die letzten der Wahllokale schließen am Abend um 20 Uhr. Gewonnen hat, wer die Mehrheit der Stimmen auf sich vereinen kann. Die große Unbekannte ist auch diesmal die Wahlbeteiligung.
    Viele Anhänger der äußersten Linken hatten, die auf rund 20 Prozent der Stimmen gekommen war im ersten Durchgang, hatten, nachdem ihr Kandidat Mélénchon unterlegen war, angegeben, sie würden entweder gar nicht wählen oder sich der Stimme enthalten.
    Die Tatsache, dass in Frankreich mit dem ersten Wahlgang die traditionellen Regierungsparteien abgewählt worden waren, diese Tatsache machte sich auch in den Wahlbüros heute bemerkbar – die Kommunen hatten Schwierigkeiten Beisitzer und ehrenamtliche Kräfte zu finden – bislang hatten hier vor allem Konservative und Sozialisten angepackt.
    Der scheidende Staatspräsident, Francois Hollande, hat für den Abend sein Kabinett in den Élysée-Palast eingeladen, im Salon Murat wurde eigens in Bildschirm installiert. Bis spätestens 14. Mai muss der Sozialist die Schlüssel des Élysée-Palastes an seinen Nachfolger oder seine Nachfolgerin übergeben haben.