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Auf der Suche nach Antworten

"Welche Farbe hat unsere Erde?", wollen Mikael Krogerus und Roman Tschäppeler in ihrem "Kinderfragebuch" wissen, wobei das Kind immer selbst entscheidet, ob es antworten möchte. "Frag mich!" von Antje Damm richtet sich an ein jüngeres Publikum, während Jostein Gaarders "Fragen fragen" sich eher zum stillen Philosophieren eignet.

Von Maria Riederer | 30.03.2013
    Es gibt Bücher, die kann man Kindern in die Hand geben und sie getrost damit alleine lassen. Bücher mit Geschichten, Sachthemen oder Bildern. Aber es gibt auch Bücher, die darauf angelegt sind, ein Gespräch anzustoßen und Geschichten entstehen zu lassen. Der Autor Mikael Krogerus hat, zusammen mit seinem Kollegen Roman Tschäppeler, ein Buch voller Fragen herausgebracht, die sich an Kinder richten – das "Kinderfragebuch".
    - Was ist das schlimmste Schimpfwort, das du kennst? – Woher kennst du es?
    - Welche Farbe hat unsere Erde?
    - Bohrst du manchmal in der Nase? – Was machst du mit dem Popel?
    - Was, glaubst du, passiert, wenn du stirbst?


    "Uns ist schon vor vier Jahren aufgefallen, dass wir immer wieder die gleichen Fragen stellen – zum Beispiel auf Partys, wenn wir Leute kennenlernen, werden auch immer die gleichen Fragen gestellt: Was machst du so beruflich, oder wo kommst du her, und dann dachte ich mit meinem Freund und Ko-Autor, Roman Tschäppler, wie wäre es denn, wenn wir mal gute Fragen zusammenstellen, damit man nicht immer wieder diese langweiligen Fragen stellen muss? Und daraufhin entstand eine Sammlung, die wir halt das Fragebuch nannten, und das war eher für Erwachsene."

    Das Fragebuch für Erwachsene, das 2009 bei Kein & Aber erschien, war ein großer Erfolg und wurde gerne als Spiel unter Freunden benutzt – auch von den Autoren und ihren Familien.

    "Es war so, dass wir das Erwachsenenfragebuch oft gespielt haben mit unseren Freunden und dann mein Sohn, der damals 9 war, gefragt hat: Was macht ihr da? Ich will auch gefragt werden! Und dann haben wir ein paar Fragen aus dem Buch gestellt, aber da fiel mir vor allem auf, wie blöd die Fragen sind, die wir - oder ich zumindest - meinen Kindern stelle. Weil ich immer frage: 'Wie war's in der Schule?' dann sagt er: 'Gut.' Oder ich frag: 'Was habt ihr Besonderes gemacht?' Dann sagt er: 'Nichts.'""

    - Welche zwei Gemüsesorten würdest du verbieten?
    - Weißt du, wie du entstanden bist?
    - Du hast sicher schon mal jemanden getröstet – wie spendest du Trost?


    Im "Kinderfragebuch" stellen die Autoren 333 Fragen auf 161 Seiten. Die Kapitel heißen: Familie, Schule, Drinnen, Draußen, der Körper, das Geld, Himmel und Hölle – und so weiter. Die technisch anmutenden, modernen Illustrationen von Lopez Gianfreda führen locker durch die Kapitel, unter jeder Frage gibt es Platz, die Antworten aufzuschreiben.

    "Das spannende an Fragen ist, wenn man sie beantwortet, entsteht erst das Buch - dann entsteht praktisch im Antworten eine eigene Geschichte, und die Geschichte ist die Geschichte des Kindes. Es ist auf jeden Fall ein Buch das - ich hasse das Wort, aber das interaktiv ist, dass man sich abends hinsetzt, die Eltern, und im Prinzip den Tag Revue passieren lässt, indem man ein paar Fragen stellt, also mir fiel auf, dass Kinder eigentlich sehr gerne diese Fragen beantworten, weil die Aufmerksamkeit, die wir meistens den Kindern geben, ist doch eher meistens eine reglementierende oder eine sehr liebevolle, aber relativ selten eine echt neugierige und ernsthaft interessierte."

    Die Autorin Antje Damm hat mit "Frag mich!" schon vor zehn Jahren ihren bisher erfolgreichsten Titel im Moritz-Verlag veröffentlicht. Jetzt wurde das Buch überarbeitet und neu aufgelegt. Auch Antje Damm stell in ihrem Buch Fragen – 118 an der Zahl. Jeder Frage steht ein Bild gegenüber: Ein Foto, eine Collage oder eigene Illustrationen der Autorin. Mal bieten die Bilder eine mögliche Antwort, mal öffnen sie Raum für die Fantasie.

    - Mit wem kannst du über alles reden?

    Ein Foto zeigt zwei Tauben auf einem Sims.

    - Was kannst du besser als deine Eltern?

    Eine Illustration mit zwei Kindern am Computer

    - Was haben dir deine Großeltern aus ihrer Kindheit erzählt?

    Die Großmutter öffnet einen Koffer, aber man sieht den Inhalt nicht.

    - Woran glaubst du?

    Ein Kind betrachtet einen Bronze-Hasen mit aufgestellten Löffeln.

    "Die Bilder, die diesen Fragen an die Seite gestellt sind, die sollen jetzt nicht eine bestimmte Richtung schon zeigen, und dann sagt das Kind, was es auf der Seite sieht, sondern es ist eigentlich so eine kleine Zündung, die man damit gibt, und dann kann man sich davon aber auch total lösen."

    Während Krogerus und Tschäppeler ihre Zielgruppe eher bei Grundschul- und älteren Kindern vermuten, richtet sich "Frag mich!" von Antje Damm an ein jüngeres Publikum. Hier ist auch kein Raum für schriftliche Antworten der Kinder vorgesehen.

    "Es geht jetzt nicht darum, diese ganzen Fragen abzuarbeiten, sondern es reicht, das irgendwo aufzuschlagen und sich eine Seite anzugucken. Zum Beispiel jetzt sowas, wovor fürchtest du dich – ist, denk ich, auch 'ne Frage, wo man dann natürlich auch weiter fragen kann, wovor fürchten sich andere Menschen, warum entwickelt man Ängste, wozu sind Ängste gut, was machen die mit einem, da entsteht dann unter Umständen ein ganzer Fragenkosmos und das ist ja dann auch das Spannende, wenn es nicht bei dieser einen Frage bleibt, sondern wenn man darüber hinaus geht."

    Aus Reaktionen ihrer Leser hat Antje Damm erfahren, dass ihr Buch noch eine ganz andere Zielgruppe gefunden hat.

    "Ich hab schon einige Zuschriften bekommen, wo mir gesagt wurde: Mensch, ich arbeite im Altenheim, und ich hab das Buch immer hier an der Seite liegen und mach da ganz viel mit mit den Leuten. Und die können sich ja teilweise an Sachen, die früher in ihrer Kindheit passiert sind, auch wirklich ganz toll erinnern, also so Sachen, die weiter zurück sind, kommen dann wieder alle hoch - und das hat mich gefreut."

    Die große Stärke beider Bücher ist die Erdverbundenheit und Nähe zum Lebensalltag der Kinder. Praktische Fragen wechseln sich mit philosophischen und Lebensfragen ab, so dass reichlich Gesprächsstoff entstehen kann. Im Kinderfragebuch von Krogerus und Tschäppeler schließt sich sogar ein Kapitel für den konkreten Dialog zwischen Eltern und Kindern an – wobei schon im Vorwort darauf hingewiesen wird: Das Kind entscheidet, ob es antworten will oder nicht.

    - Erinnerst du dich an eine Situation, in der ich dich unfair behandelt habe?
    - Was soll ich nie mehr anziehen, weil du mich darin peinlich findest?
    - Wenn du mal traurig bist – was könnte ich dir kochen, um dich aufzuheitern?


    "Viele dieser so genannten Kinderbücher, wo gefragt wird: 'Warum ist der Himmel blau?' - halt ich für ein bisschen konstruiert aus dem Blickwinkel der Eltern. Also, mein Kind hat mich nie gefragt, warum der Himmel blau ist."

    Der Autor Jostein Gaarder, der sein gesamtes Werk auf philosophische Fragen und mögliche Antworten für Kinder aufgebaut hat, ist da sicherlich anderer Meinung. Zu seinem 60. Geburtstag hat er im Hanser-Verlag das Buch mit dem Titel "Fragen fragen" herausgebracht, das sich weniger zum lebhaften Dialog als zum stillen Philosophieren eignet. Auch die Zeichnungen von Akin Düzakin entführen in eine Traum- und Seelenwelt jenseits des Kinderzimmers.

    - Kann man einfach auf der Welt sein, ohne an irgendetwas zu denken?
    - Muss ich viele Dinge besitzen, um glücklich zu sein?


    Jostein Gaarder stellt die Fragen nicht in der Du-Form an die Kinder, sondern er legt sie ihnen selbst in den Mund.

    - Warum lebe ich? – Warum gibt es eine Welt? – Warum gibt es überhaupt irgendetwas?
    - Was habe ich mit meinem Leben vor?


    Wer sich viel Zeit nimmt und aufgeweckte, interessierte Kinder zur Verfügung hat, wird mit diesem Buch sicherlich interessante, tief gehende Gespräche führen können – aber er wird sie auch anleiten müssen. Wer sich dagegen wünscht, dass Kinder ein solches Fragebuch aus purer Lust von selbst in die Hand nehmen, darin stöbern und Antworten suchen, der wird mit den Titeln von Antje Damm und dem Autorenteam Mikael Krogerus und Roman Tschäppeler mehr Erfolg haben.


    Mikael Krogerus, Roman Tschäppeler: "Das Kinderfragebuch".
    Kein & Aber Verlag

    Antje Damm: "Frag mich".
    Moritz Verlag

    Jostein Gaarder: "Fragen fragen"
    Hanser Verlag