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Auf der Suche nach dem Landwirt-Gen

Entomologie. - Ameisenstaaten werden auch als Super-Organismus bezeichnet. Bei Blattschneiderameisen können sie Millionen von Angehörigen besitzen. Wie aber konnten sich genetisch betrachtet überhaupt solche großen Staaten entwickeln? Daran forschen dänische Genetiker, die die Genome von verschiedenen Ameisenspezies verglichen haben.

Von Michael Stang | 28.09.2012
    In den Wäldern Costa Ricas sieht man sie auf den ersten Blick: Blattschneiderameisen. Zu Zehntausenden beißen Vertreter der Art Acromyrmex echinatior Stücke aus Blättern eines Baumes und lassen sie gen Waldboden trudeln. Dort warten andere Arbeiterinnen, die die Stücke weiter zerkleinern. Weitere Artgenossen transportieren sie dann gen Ameisenbau ab. Ameisenstraßen – auf der einen Seite bepackte Insekten, auf der gegenüberliegenden Spur unbepackte - schlängeln sich den Weg durchs Dickicht. Im Bau werden die Blätter zerkaut und in Kompostkammern verteilt, wo ein Pilz auf ihnen wächst – die Nahrungsquelle für Millionen von Blattschneiderameisen.

    "Das sind fantastische Kreaturen, weil sie diese außergewöhnlich komplizierte Gesellschaft haben. So etwas kennen wir sonst nur von menschlichen Gesellschaften. Der Unterschied ist aber, dass Menschen eine Kultur haben, sich austauschen und lernen. Bei Ameisen ist das alles genetisch vorprogrammiert, um diese komplizierten Gesellschaften aufzubauen","

    sagt Sanne Nygaard von der Universität von Kopenhagen. Die Bioinformatikerin wollte herausfinden, warum manche Ameisenkolonien nur wenige 100 Tiere aufweisen, Acromyrmex es jedoch pro Staat auf eine siebenstellige Anzahl von Tieren bringt.

    ""Dazu haben wir das Erbgut verschiedener Ameisen verglichen und zwar von Arten, die in unterschiedlich komplexen Gesellschaften leben, das bedeutet angefangen bei Spezies, die ganz einfache Strukturen aufweisen, über einfache Pilzgärtner bis hin zu diesem Superorganismus der Blattschneiderameisen. Damit wollten wir die genetische Ursache für die unterschiedlich komplexen Strukturen der Gesellschaften finden."

    Es handelte sich um das Erbgut dreier weiterer Pilzgartenbetreiber und das zweier primitiver Arten, die nur in kleinen Kolonien ohne Pilzgarten leben. Bei dem Vergleich der Genome kam sie zu einem überraschenden Ergebnis, sagt Sanne Nygaard.

    "Eine lebenswichtige Aminosäure können niedere Ameisen selbst produzieren. Höhere Arten haben diese Fähigkeiten genetisch verloren. Sie brauchen diese Aminosäure aber. Deshalb kultivieren sie den Pilz, der die Aminosäure für die herstellt. Demnach könnte sich aus dieser einfachen Abhängigkeit jene komplexen Gebilde entwickelt haben, weil kein Partner in der Symbiose – Ameise und Pilz – ohne den anderen überleben kann."

    Der Verlust der Fähigkeit, eine Aminosäure zu produzieren, könnte der Motor für den Aufbau der Riesengesellschaft gewesen sein. Sanne Nygaard räumt aber ein, dass sich diese Komplexität vermutlich nicht nur mit dem Abhandenkommen dieser Fähigkeit klären lässt, aber immerhin sei es ein erster Hinweis auf den Ursprung dieser komplexen Gesellschaften.

    "Es sind also zwei Partner, die völlig abhängig voneinander sind, wir bezeichnen dieses kombinierte System auch als Meta-Organismus. Um das aber vollständig zu verstehen, müssen wir das Erbgut beider Partner kennen."

    Um diese Symbiose zwischen Pilz und Ameisen vollends zu begreifen, müssen die Forscher erst noch das Genom des Pilzes entschlüsseln.