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Auf der Suche nach UARS

Raumfahrt.- Am Wochenende ist der NASA-Forschungssatellit UARS über dem Nordpazifik abgestürzt. Seine Überreste wurden bislang nicht gefunden. Professor Heiner Klinkrad, Leiter der Abteilung Weltraumrückstände bei der Europäischen Raumfahrtagentur ESA, sagt, es sei ungewöhnlich, dass UARS bisher noch immer unentdeckt ist.

Heiner Klinkrad im Gespräch mit Uli Blumenthal | 26.09.2011
    Uli Blumenthal: Der busgroße Forschungssatellit UARS ist am Wochenende über dem nördlichen Pazifik abgestürzt - bislang spurlos verschwunden. Der mehr als sechs Tonnen schwere künstliche Himmelskörper sei am Samstagmorgen deutscher Zeit jenseits der US-Westküste in die Erdatmosphäre eingedrungen, teilte die amerikanische Weltraumbehörde NASA mit. Doch Trümmerteile sind bislang nicht aufgetaucht. Wir sind jetzt telefonisch mit Professor Heiner Klinkrad verbunden, Leiter der Abteilung Weltraumrückstände bei der ESA, der Europäischen Raumfahrtagentur. Herr Klinkrad, warum ist es bisher nicht gelungen, Teile des abgestürzten Satelliten aufzuspüren?

    Heiner Klinkrad: Das liegt zum einen daran, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit der Wiedereintrittspunkt über dem nördlichen Pazifik lag. Zum anderen liegt es auch daran, dass man nicht mit hoher Sicherheit sagen kann, wo so ein Wiedereintritt stattfindet auf der Basis von Messdaten, die einen oder zwei Orbits alt sind. Und so war die Lage in dieser Situation.

    Blumenthal: Aber je näher man sozusagen dem Eintrittszeitpunkt kommt, desto genau kann man doch Aussagen über die Bahn treffen. Man könnte vermuten, dass es entweder Satelliten oder erdgestützte Beobachtungsmöglichkeiten, beispielsweise Radarüberwachung gibt. Hat das alles nicht funktioniert oder gibt es auch so weiße Flecken, wo dann ein solcher Satellit eintritt, verglüht Teile runterkommen und man nicht weiß, wo der Rest gelandet ist.

    Klinkrad: Es ist richtig, was sie sagen: Die Sicherheit, die Verlässlichkeit der Vorhersage wird ständig besser je näher man dem Wiedereintrittsereignis näher rückt. Man muss aber dazu sagen: Die letzten Messdaten, die wir von diesem Satelliten hatten, waren etwa zwei Orbits alt, das heißt, die lagen etwa drei Stunden vor dem besagten Wiedereintritt. Und auf diese drei Stunden muss dann etwa eine Unsicherheit von 20 Prozent darauflegen, um die ganzen Unwägbarkeiten in den Atmosphärenprognosen und in den Unsicherheiten der Bahnbestimmung mit einzuarbeiten.

    Blumenthal: Aber man geht ja davon aus, dass massenweise Satelliten um die Erde kreisen, dass es Radarstationen auf dem Erdboden gibt. Und keines kann auf diesen Satelliten gerichtet werden, keines kann diesen Korridor, den man berechnet hat, dann erfassen, abscannen, wie man so schön sagt?

    Klinkrad: Das ist nicht ganz richtig. Also es haben sich sehr viele Radars mit diesem Satelliten beschäftigt. Dieser Satellit wurde verfolgt im Zuge einer internationalen Wiedereintrittskampagne im Rahmen von was sich die Inter-Agency Debris Coordination Committee nennt. Es waren insgesamt zehn Raumfahrtagenturen beteiligt, von denen viele auch Bahnvermessungen vorgenommen haben. Dazu gehörten auch die Russen, dazu gehörten in erster Linie auch die Amerikaner. Und dazu gehörte auch das deutsche Radar in Wachtberg-Werthoven namens ... . Es lagen also genügend Daten vor und es ist sicherlich das beste Netzwerk um solche Wiedereintritte weltweit vorherzusagen. Aber nichtsdestotrotz sind die Unwägbarkeiten nach wie vor sehr hoch.

    Blumenthal: Nun gibt es im Internet YouTube-Videos, es gibt viele Posts, es gibt Bloggs, in denen darüber diskutiert wird: Was will die NASA? Was wird die NASA unternehmen, um jetzt die Überreste doch noch aufzuspüren?

    Klinkrad: Also ich denke, die NASA möchte auch ganz sicher sein, dass sie alle Informationen zusammen haben, bevor sie an die Presse, an die Öffentlichkeit treten mit dem Wiedereintrittspunkt und dem Wiedereintrittszeitpunkt. Ich denke, das liegt auch ein bisschen daran, dass die Wiedereintritts-Trajektorie über dem nördlichen Pazifik verlaufen ist und dass der nordamerikanische Kontinent zum Teil noch in dem gefährdeten Bereich der Wiedereintritts-Trajektorie lag.

    Blumenthal: Das heißt, man hatte Angst, man gibt einen Korridor an, der über Städten der USA liegt und die Bevölkerung dann - man hat genug Filme in den USA gesehen - sich ins Auto setzt und aufmacht, um diesen Korridor zu verlassen.

    Klinkrad: Das wäre ein Szenario, ja.

    Blumenthal: Man hat jetzt diesen Satelliten nicht gefunden. In zwei Monaten ungefähr wird ein deutscher Satellit, Rosat, auf die Erde stürzen. Wie will man da vermeiden, dass man dann wieder staunend und eigentlich hilflos davor steht und nicht weiß: Wo ist er runtergekommen?

    Klinkrad: Ich muss dazu sagen, dass wir den Wiedereintrittszeitpunkt und die geografische Position des Wiedereintritts zu diesem Zeitpunkt jetzt noch nicht haben, nach zwei Tagen, ist nicht der Regelfall. Im Allgemeinen haben wir so einen Wiedereintrittszeitpunkt sagen wir innerhalb eines Tages, meistens sogar in noch kürzerer Zeit. Und das auch, wenn das Ereignis auf der anderen Seite der Welt stattfindet: im indischen Ozean oder im westlichen Pazifik. Also wie gesagt: Dieser Fall ist durchaus nicht normal und das mag an den Unwägbarkeiten, an den Ursachen liegen, die ich zuvor geschildert habe.