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Aufarbeitung eines Desasters

Nach Auffassung der Untersuchungsrichterin hat der Kapitän Francesco Schettino starken Anteil am Kentern des Passagierschiffs Costa Concordia. In seinem Wohnort südlich von Neapel ist die Solidarität mit ihm aber groß. Auf der Insel Giglio beginnt unterdessen die Bergung des Wracks.

Von Karl Hoffmann | 15.10.2012
    Wenn Kapitän Francesco Schettino nun zum ersten Mal bei Gericht erscheint, dann tut er das mit reinem Herzen:

    "Es handelte sich um einen banalen Unfall, fatale Folge des Zusammenspiels mehrerer Personen"

    Monatelang hat sich der Unglückskapitän in seinem Haus in Meta südlich von Neapel auf seine Verteidigung vorbereitet. Dort ist er unter seinesgleichen, wie der Signor Michele im Clubhaus der pensionierten Kapitäne erklärt:

    "Nach meinen Schätzungen leben hier in Meta zwischen 300 und 500 Kapitäne. Die Seeleute sind diejenigen, die das meiste Geld in unsere Stadt bringen."

    Kein Wunder , dass viele Bürger mit Schettino solidarisch sind:

    "Das war ein Unfall, sowas kann passieren. Und damit ist der Fall erledigt."

    "Das war menschliches Versagen, hätte genauso gut in Deutschland oder in Frankreich passieren können. Überall auf der Welt. Aber nun überlassen wir die Sache den Justizbehörden, die haben darüber zu entscheiden."

    Nun hat der Mammutprozess begonnen. Wann das Urteil fallen wird, das steht in den Sternen.

    Auch auf der Insel Giglio hört man nur vage Schätzungen. Hier beginnt nun die Bergung des Wracks; das wird Monate, vielleicht ein ganzes Jahr dauern.

    Täglich fährt Nick Sloane, der Chef des größten Bergungsunternehmens aller Zeiten, zum Wrack, um die Arbeit von 200 Technikern und 100 Tauchern unter seinem Kommando zu inspizieren. Bisher hat er nur das Nötigste aufgeräumt. Noch immer hängen Liegestühle und Kinderrutschen in Netzen auf dem einstigen Sonnendeck

    "Die Ermittlungsbehörden haben uns aufgetragen, alles so zu lassen wie es ist. Wir haben nur entfernt, was für die Arbeiter am Wrack gefährlich hätte werden können. Das haben wir alles an Land gebrach , wo es von der Staatsanwaltschaft unter Verschluss genommen wurde."

    In diesen Tagen haben Sloanes Männer angefangen, etwa 150 Löcher in den Granitfelsen unter dem Wrack der Costa Concordia zu bohren: Dort werden armdicke Stahlseile verankert , die das Schiff zunächst sichern sollen. Gefährliche Winterstürme könnten das Wrack auseinanderreißen. Erst im Frühling soll dann das waghalsige Manöver unternommen werden, das 80.000 Tonen schwere eiserne Wrack aufzurichten. Die ungewöhnliche Idee stammt von Schiffsingenieur Gianni Ceccarelli

    "Wir ziehen es mit den Seilen in die Senkrechte, und bringen dann stählerne Schwimmkörper an, die nötig sind, damit die Costa Concordia abgeschleppt werden kann . Denn es ist ja kein Schiff mehr, sondern ein Wrack, voller Wasser und mit Löchern, das nie wieder aus eigener Kraft schwimmen wird."

    Billiger und einfacher wäre ein Abwracken vor Ort gewesen. Aber das Ausschlachten der Costa Concordia vor Ort hätte zum Dauerstreit mit Naturschützern und Umweltbehörden geführt, das denkbar hässlichste Ende eines einst stolzen Kreuzfahrtschiffes. Und außerdem geht es ja darum, Italiens Ruf zu retten, meint Ingenieur Ceccarelli:

    "Dieses Unglück hat uns großen Schaden zugefügt. Und um das wieder gut zu machen, müssen wir Italiener nun auch eine tolle technische Lösung finden."

    Nick Sloane ist zwar Südafrikaner, der Beste in seiner Branche heißt es. Aber die Costa Concordia in einem Stück von hier wegzubringen, ist auch ihm zur Herzensangelegenheit geworden:

    "Sie ist immer noch eine Dame, die Costa Concordia, wenn man das sieht, kann man kaum glauben, was da passiert ist. Das hätte nie passieren dürfen. Sie hätte eigentlich noch ein langes Leben vor sich gehabt."