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Aufbauhilfe aus Bochum

In Bochum werden Studierende aus Afghanistan in einem englischsprachigen Masterprogramm zu Dozenten der Wirtschaftswissenschaften weitergebildet. Die Ruhr-Universität will damit einen Beitrag zum akademischen Wiederaufbau des Landes leisten.

Von Klaus Deuse | 25.02.2010
    Mohammed Naser Moain sitzt praktisch auf gepackten Koffern. Am 1. März kehrt der afghanische Dozent zurück an seine Heimat-Universität in Herat. Mit im Gepäck: der Masterabschluss in "Management and Economics", den er an der Ruhr-Universität Bochum erworben hat. Vor allem den Wirtschaftswissenschaften, sagt Moain, kommt beim akademischen Wiederaufbau Afghanistans besondere Bedeutung zu.

    "Gerade ist sehr wichtig, weil alle Leute jetzt verstehen, dass ohne Wirtschaftswissenschaften kann man nicht das Land verbessern."

    Moain ist einer von 17 afghanischen Absolventen dieses englischsprachigen Masterprogramms in Bochum, das speziell auf die Qualifizierung von Wirtschaftswissenschaftsdozenten nach internationalen Standards zugeschnitten wurde. Professor Wilhelm Löwenstein von der Ruhr-Universität skizziert die Inhalte:

    "Und zwar ist das Betriebswirtschaftslehre, das reicht von Buchführung bis über Marketing und Fragen der Finanzierungs- und Kreditwirtschaft. Und aus der VWL ist das Mikro- und Makroökonomik, internationale Wirtschaft, öffentliche Wirtschaft, Wirtschaftspolitik. "

    Ziel dieses Beitrags zum akademischen Wiederaufbau ist es, mit Dozenten wie Mohammed Naser Moain Wissensmultiplikatoren nach Afghanistan zurückzuschicken, die an den Universitäten dringend benötigt werden.

    " "In Wirtschaftswissenschaften in Herat wir haben über 700 Studenten."

    Denen stehen rund zehn Lehrkräfte gegenüber. Qualifizierte Dozenten werden nicht nur in Herat gesucht. Nach Angaben von Dr. Sami Noor, der am Bochumer Institut für Entwicklungsforschung und Entwicklungspolitik die Programme für seine Landsleute koordiniert, wächst die Zahl der Studenten rapid.

    "Offizielle sind es elf Universitäten und die Zahl der Studenten jetzt waren die insgesamt 60.000. In einem Jahr schätzungsweise wird verdoppelt."

    Gerade in Afghanistan, betont Professor Wilhelm Löwenstein, kommt Wirtschaftswissenschaften traditionell ein hoher Stellenwert zu.

    "Wenn Sie Multiplikatoren weiterbilden, bedeutet das, dass diese Multiplikatoren möglichst viele Studenten vernünftig ausbilden können, von denen das Land als große Gruppe profitieren kann. Und Afghanistan rekrutiert seine Eliten, seine Verwaltungs- und Funktionseliten traditionell vielfach aus den Wirtschaftswissenschaften."

    Und Dr. Sami Noor ergänzt:

    "Zum Beispiel in dem jetzigen Kabinett, auch damals in den 70er-Jahren, da waren immer mindestens fünf, sechs Personen, die Wirtschaft studiert hatten. Das heißt, unsere Leute, wenn die jetzt zurückkehren, die werden wirklich auch wichtige Positionen bekommen."

    Bei den Masterprogrammen in Bochum geht es für die Teilnehmer vor allem darum, den Blick über den nationalen Tellerrand hinaus zu richten. Regionale Aspekte, so Prof. Wilhelm Löwenstein, spielen keine Rolle:

    "In der Lehre überhaupt nicht. Die afghanische Seite wünschte sich, als wir 2002 und 2003 die Gespräche in Bezug auf das Curriculum aufgenommen haben, wünschte sich explizit keine regionalen Inhalte. Der Gedanke ist nämlich gewesen - und der war gar nicht falsch -, dass mit regionalen Inhalten die internationale Anschlussfähigkeit der Afghanen nicht gegeben sein würde."

    Letztlich, fügt der Bochumer Hochschullehrer an, geht es um mehr als nur akademische Qualifizierung.

    "Sicherlich ist ein indirekter Beitrag auch zu einer stärkeren Demokratisierung. Das ist, glaub ich, gar keine Frage. Denn die Leute, die hierher zu uns kommen, die sehen einfach, wie Dinge hier bei uns funktionieren. Das ist an einigen Stellen vielleicht wichtiger als die Lehre, die wir ihnen anbieten."

    Nach bestandener Masterprüfung freut sich der fünffache Vater Mohammed Naser Moain nicht nur auf das Wiedersehen mit seiner Familie. Er kann sich auch darüber freuen, vom Bochumer Campus aus einen großen Schritt auf der Karriereleiter in Afghanistan getan zu haben. Und der, wie Dr. Sami Noor vorrechnet, zahlt sich aus.

    "An der Universität bis vor sechs Monaten hat er etwa 30 bis 50 Dollar verdient. Aber jetzt, wenn Moain mit seinem Masterticket zurückkehrt, er würde so etwa an die 700 Dollar verdienen. "