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Auffallen um jeden Preis

Seit Seehofer vor einem halben Jahr an die Spitze Bayerns und der CSU getreten ist, lässt er in der Großen Koalition die Muskeln spielen: Auffallen um jeden Preis ist seine Methode. Denn nach dem Verlust der absoluten Mehrheit im Freistaat muss die CSU wieder punkten.

Von Barbara Roth | 08.05.2009
    "Ich habe die Verantwortung bei Stunde Null übernommen. Verwüstet war das Land von der Beckstein-Administration. Das Faszinierende meiner Politik ist: mit leeren Händen zu kommen, Zustimmung zu ernten und wieder zu gehen. Manchmal mache ich auch einen Schlenkerer, der mir selber kryptisch vorkommt; wo ich nachts aufwache und grübele, was habe ich mir denn da wieder gedacht."

    Politisches Kabarett auf dem Münchner Nockherberg. Traditionell werden zur Starkbierzeit in Bayern die Politiker derbleckt. Was übersetzt heißt: Den Großkopferten wird ironisch-kritisch der Spiegel vorgehalten.

    Im Publikum lacht der bayerische Ministerpräsident am lautesten. Den spitzzüngigen Spott steckt Horst Seehofer locker weg. Auf der Bühne geht es weiter mit einem Zwiegespräch zwischen Seehofer und der Kanzlerin.

    Seehofer-Darsteller: "Wir haben überhaupt kein Interesse am Konflikt. Ich möchte vielmehr, dass wir gemeinsam in Harmonie."

    Merkel-Darstellerin: "Und Fairness."

    Seehofer-Darsteller: "Unbedingt. Im Fairsein bin ich Meister."

    Merkel-Darstellerin: "Und ich die Meisterin des Ungefähren. Nun erlebe ich schon den dritten bayerischen Super-Fürsten. Und jedes Mal denke ich, das ist jetzt der Schlimmste."

    Auf der Bühne stehen nur Doppelgänger. Doch auch im wirklichen Leben macht es der echte Landesvater der Bundeskanzlerin schwer. Seit Seehofer vor einem halben Jahr an die Spitze von Freistaat und Partei getreten ist, trimmt er auf Krawall und lässt in der Großen Koalition die Muskeln spielen. Auffallen um jeden Preis - parteiintern "Methode Horst" genannt. Im Jahr eins nach dem Verlust der absoluten Mehrheit im Freistaat muss die CSU wieder punkten.
    Seehofer will das Profil der Partei in Berlin schärfen. Keinem Konflikt geht er aus dem Weg. Auch der großen Schwester gibt er Kontra. An seiner Dickköpfigkeit wäre beinahe die Reform der Erbschaftssteuer gescheitert. Ein Umweltgesetzbuch mit bundesweit einheitlichen Standards hat allein der Bayer verhindert. Der Koalitionspartner SPD ist nur noch genervt. Vielen in der CDU geht es längst ähnlich. Im unionsinternen Steuerstreit hat sich die "Methode Horst" längst durchgesetzt: Auch die CDU-Chefin Angela Merkel will nun mit dem Versprechen, die Steuern zu senken, in den Bundestagswahlkampf ziehen.

    "Wenn ein Politiker tapfer für ein Ziel kämpft, dann gilt er sofort als Krawallmacher und Streithansel. Das kann gesendet werden, das kann geschrieben werden. Ich werde mich trotzdem nicht aus der Ruhe bringen lassen, weil wir bisher jede Maßnahme in Berlin durchgesetzt haben. Und das, was wir noch vorhaben, werden wir auch durchsetzen."

    Aufmerksamkeit erregen, ein eigenes Profil zeigen - dem CSU-Chef bleibt auch nichts anderes übrig. Früher, als seine Partei noch auf Ergebnisse von 50 plus X abonniert war, hatte sich niemand in Bayern vor Wahlen gefürchtet. Doch seit ihrem Absturz auf magere 43,4 Prozent bei der Landtagswahl im Herbst müssen die Christsozialen zittern. Von 57,5 Prozent wie bei der Europawahl 2004 können sie nur noch träumen.

    Die Europawahl am 7. Juni wird für den 59jährigen zum ersten großen Test. Ende September dann gleich die Bundestagswahl. Dass in der CSU die Nervosität mit Händen greifbar ist, wundert den Passauer Politikwissenschaftler Heinrich Oberreuter nicht.

    "Sie braucht ein Wahlergebnis um die 40 Prozent. Das würde sie nach dem desaströsen Wahlergebnis locker erreichen. Allerdings muss man sehen: der Wahltermin liegt mitten in den Pfingstferien. Die Mobilisierungsfähigkeit der Partei hat erheblich nachgelassen. Es gibt viel Kritik, es gibt viel Distanz. Und es gibt in anderen Bundesländern keine Pfingstferien, es gibt in anderen Bundesländern gleichzeitige Kommunalwahlen. Also es wird hochinteressant sein, wie sich die ganze Arithmetik dann auf das bayerische Wahlergebnis auswirkt."

    Es ist eine Rechnung mit vielen Unbekannten: Wie wird die Wahlbeteiligung ausfallen? Die Bayern gelten als eher europaskeptisch. Werden die Freien Wähler mit ihrer Spitzenkandidatin, der ehemaligen CSU-Rebellin Gabriele Pauli, die Seehofer-Partei erneut Stimmen kosten? Vor einem Jahr lehnten es die Seinen noch als unnötig ab wie im Nachbarland Baden-Württemberg die Pfingstferien zu verlegen. Heute wissen sie: das war ein Fehler.

    Je höher die Wahlbeteiligung in anderen Bundesländern mit Kommunalwahlen ist, desto besser muss die CSU in Bayern abschneiden, um bundesweit die Fünf-Prozent-Hürde zu packen. An den Albtraum, den Wiedereinzug ins Europaparlament zu verpassen, mag die Parteispitze gar nicht denken.

    "Wäre sie nicht mehr vertreten, die CSU wäre eine Regionalpartei ohne einen europäischen Arm. Das wäre in der Tat der Nachweis einer gewissen Provinzialisierung - angesichts der Relevanz der europäischen Ebene. Noch dazu angesichts der Tatsache, was das im Vorfeld der ein Viertel Jahr später stattfindenden Bundestagswahl an Stimmungseinbrüchen und an zusätzlicher Nervosität bedeuten würde."

    Vier Wochen vor der Wahl ist die CSU in einer ungewohnten Situation: Nicht ein großer Sieg ist das Wahlziel, sondern eine Niederlage zu verhindern. Dazu braucht der Parteivorsitzende jede Stimme. Seine Sozialministerin Christine Haderthauer hat die neuen rauen Zeiten erst jüngst zu spüren bekommen. Sie hatte es gewagt, Zweifel am Vorbildcharakter von Franz-Josef Strauß zu äußern. Der Ministerpräsident muss getobt haben. Ohrenzeugen berichten, er habe sogar ihren Rauswurf aus dem Kabinett erwogen. Kritik am CSU-Idol ist und bleibt tabu, denn dessen Anhänger gelten als die treueste Stammwählerschaft.

    Der Startschuss für die heiße Phase der Wahlkampagne fällt morgen auf einem Europa-Parteitag im niederbayerischen Deggendorf.

    Horst Seehofer hat nur dieses eine Jahr, um die CSU zurück auf die Erfolgsspur zu führen. Von Anfang hat er erklärt, sich an Wahlergebnissen messen zu lassen.

    Derweil setzt der Bayer beinahe im Wochentakt Themen: Der Gesundheitsfonds müsse weg, die Eigenheimzulage wieder her, Wirte und Hoteliers sollen weniger Mehrwertsteuer zahlen, die Bauern bräuchten Hilfe, Volksabstimmungen zu europäischen Themen wie dem Türkei-Beitritt soll es geben, höhere Arzthonorare ebenso. Seehofers Forderungsliste ist lang und ließe sich noch um einiges ergänzen. In Berlin verdrehen seine Regierungspartner die Augen.

    "Ich bin jetzt bayerischer Ministerpräsident und ich habe vor dem bayerischen Landtag einen Eid gechwört. Und dieser Eid hat unter anderem den Satz, dass ich Schaden vom bayerischen Volk abzuwenden habe. Ich würde geradezu meine Pflicht verletzen, wenn ich die bayerischen Interessen nicht auch in Berlin durchsetzen würde."

    verspricht Seehofer in einem Bierzelt seiner CSU-Basis. Ob sich sein unermüdliches Engagement schon gelohnt hat, bleibt unklar. Die jüngsten Umfragen datieren vom Januar. Sie sehen die CSU bei 45 Prozent. Ein mageres Plus von 1,6 Prozentpunkten gegenüber der Landtagswahl. Ein Trend nach oben sieht anders aus.

    Einkommenssteuer-, Mehrwertsteuer- und Unternehmenssteuerreform: als Steuersenkungspartei will die CSU im Superwahljahr punkten. Union und SPD streiten sich immer lauter. Zeitweise ist das Klima so belastet, dass der CSU-Chef den Sozialdemokraten empfiehlt, die Koalition doch vorzeitig zu verlassen. Die Bundeskanzlerin habe Seehofer nicht im Griff, giftet der SPD-Vorsitzende Franz Müntefering zurück.

    "Nun habe ich auch gelesen, dass der Seehofer gesagt hat, wenn uns das alles nicht mehr passt, dann können wir ja gehen. Da vertut er sich aber. Wir werden ihn quälen solange wir können. Bis zum letzten Tag in dieser Legislaturperiode, liebe Genossinnen und Genossen."

    Seehofer sei ein Meister des Populismus, sind sich seine politischen Gegner einig: Die einzige Konstante an ihm sei seine Unschärfe. Der CSU-Chef gilt als sprunghaft und unberechenbar, denn seine Positionen wechseln fast täglich. Wenn er um Wählerstimmen fürchten muss, legt er stets eine Kehrtwende hin.

    Seine Kritik an der Gesundheitsreform etwa ist dem bayerischen Ärzteprotest geschuldet. Dass die CSU der umstrittenen Reform einst zugestimmt hat, haben die Mediziner ihr jedoch nicht vergessen. Seine Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner zwingt er dazu, den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen zu verbieten. Dabei war er es, der als Agrarminister dem Genmais auf die deutschen Felder verholfen hat. Margarete Bause, grüne Fraktionschefin im bayerischen Landtag, spricht aus, was viele denken.

    "So kennen wir ihn, unseren Horst Seehofer, gleichzeitig dafür und dagegen zu sein. Da kann ich nur sagen: Horst, der Heuchler. Keiner weiß, wofür er steht. Geschweige denn, wohin er will. Nicht die Wähler, nicht die eigenen Leute und mit
    Sicherheit auch nicht mal er selbst. Horst Seehofer, das sind zwei Zentner Wackelpudding."

    Der Ministerpräsident bereist die Oberpfalz. Nachmittags auf dem Weg zu einem Treffen mit Fischzüchtern stoppen ihn Demonstranten. Milchbauern.

    "Unsere Bitte an Sie ist, dass Sie halt ihr ganzes politisches Gewicht in Deutschland in die Waagschale werfen, um einfach eine Lösung voranzutreiben. Denn jetzt ist es wirklich nicht mehr lustig, jetzt geht es ans Eingemachte. Solche Preise kann keiner überleben, egal welche Betriebsgröße wir haben."

    Der Ministerpräsident lauscht aufmerksam den Klagen. Seine Mitarbeiter aus der Staatskanzlei wollten nicht, dass er mit Protestlern spricht. Er aber lässt die Fahrzeugkolonne anhalten. Er lehnt sich an das rostige Absperrgitter, sucht die Nähe zu den Bauern. Auf seiner Anzugsjacke glänzt für den Rest des Tages ein rostig-brauner Fleck.

    ""Die Kosten steigen für Euch. Die europäischen Maßnahmen sind ja noch zusätzlich Belastungen. Trotzdem müssen wir da weiterkämpfen, weil je glaubwürdiger wir in Deutschland das Thema angehen: Mengenbegrenzung - desto besser sind wir in Europa aufgestellt."

    Noch während Seehofer redet, werden hinten die ersten Protestplakate abgehängt. Markige Sprüche wie "Die CSU versündigt sich an der Bauernschaft" waren darauf zu lesen. Im Bürgerkontakt liegt seine große Stärke. Seehofer weiß um sein Talent. Er hat die Gabe, bei seinen Zuhörern gleichermaßen Kopf, Herz und Bauch anzusprechen.

    "Ich weiß auch, dass man von 350 Euro Selbstbehalt Agrardiesel keinen Befreiungsschlag haben. Von den 25 Euro Milchkuhprämie auch nicht. Aber das machen wir, um auch ein Signal zu setzen, dass wir es Ernst meinen. Wir wissen, dass es in der Tat nur ein Tropfen auf den heißen Stein ist. Aber wenn wir gar nichts machen würden, würdet ihr mit Recht sagen, ihr redet auch bloß. Verlasst Euch drauf, wir kämpfen für Euch."

    Seehofer nimmt viel Geld in die Hand, um potentielle Wähler zu ködern: 31 Millionen Euro für die Milchkuhprämie, 70 Millionen, um für bäuerliche Traktoren den Agrardiesel zu subventionieren. Im Eiltempo räumt er auch unpopuläre Hinterlassenschaften seiner Vorgänger Stoiber und Beckstein ab. Der strenge bayerische Nichtraucherschutz etwa wird gelockert. Die von Stoiber im Jahr 2004 eingeführte 42-Stunden-Woche für Beamte wieder abgeschafft, was die Landeskasse jährlich um rund 200 Millionen Euro belasten könnte. Die Opposition fürchtet ab 2010 neue Schulden. Denn wegen der 10 Milliarden-Euro-Spritze an die bayerische Landesbank ist der Freistaat eigentlich schon ziemlich klamm.
    "Der Versuch, Entscheidungen aus der Ära Stoiber, Sparsamkeitsentscheidungen zu Ungunsten bestimmter Bevölkerungsgruppen zurückzunehmen, und dabei zu hoffen, dass das an der Wahlurne sich auszahlen wird, das ist so offensichtlich deutlich dem Wahltermin geschuldet, dass man in der Tat hier nur von Nervosität sprechen kann. Da fehlt Glaubwürdigkeit, da fehlt Überzeugungskraft, da fehlt Linie."

    Der Politikwissenschaftler Heinrich Oberreuter bleibt skeptisch. Auch in Seehofers Fraktion wächst die Kritik. Und das latente Unbehagen darüber, ob der Einzelkämpfer wirklich eine gute Wahl war, wird allmählich zur Sorge. Seit der Ingolstädter an der Spitze von Freistaat und Partei steht, ist sein Wille auch der Wille der CSU. Dummerweise ändert Seehofer den seinen fast täglich.

    Offen ausgesprochen wird das nicht. Keiner seiner Kritiker lässt sich namentlich zitieren. Nur hinter vorgehaltener Hand stellen sie sich die Frage: Wo driftet die CSU unter Seehofer tatsächlich hin?

    "Gegrummel gibt es hörbar. Das Programm, das viele sich gegeben haben: wir lassen uns nie mehr so einschüchtern und mundtot machen wie in der Ära Stoiber, wird eben auch konterkariert durch die Wahlsituation jetzt. Es werden also viele geballte Fäuste in der Tasche herumgetragen. Da kann sich schon mal im Topf eine explosive Stimmung zusammenrühren."

    Mit seiner CSU ist Seehofer wenig zimperlich. Alle Minister jenseits der 60 schickt der Regierungschef aufs Altenteil. Sozialministerin Christa Stevens, Umweltminister Ottmar Bernhard, Staatskanzleichef Eberhard Sinner, Landwirtschaftsminister Josef Miller und Wissenschaftsminister Thomas Goppel tauscht er gegen Jungpolitiker aus. Von heute auf morgen - Ende der Karrieren.

    Vor einem Jahr galt seine Partei noch als hoffnungslos überaltert. In einem atemberaubenden Tempo hat er sie radikal verjüngt. Seehofer hat sich dabei Feinde gemacht. Denn der Rauswurf ihres Alters wegen wurmt die alt gedienten Ex-Minister bis heute. Den 62jährigen Thomas Goppel ganz besonders.

    "Wenn der Ministerpräsident gesagt hätte: Ich will ein neues Kabinett, ich brauche Leute, die mit mir zusammen anschieben, ihr seid mir zu vorformiert, ihr habt zu viele Stoiber-Ideen im Kopf, muss ich das akzeptieren. Spitzen werden immer so ausgewechselt, und ich selbst habe es im Ministerium nicht anders gemacht. Aber ich habe keinem Einzigen, selbst denen, die mit 65 gegangen sind, gesagt, ach, schön dass Du gehst, Du bist zu alt. Das ist die Gemeinheit und die bohrt."

    Die Wucht, mit der Seehofer die Runderneuerung vorantreibt, ist eine Lehre aus der Ära seines Vor-Vorgängers. Als Edmund Stoiber nach vierzehn Jahren abtrat, war zwar sein Haus geordnet, nicht aber seine Nachfolge geregelt. Weil Stoiber junge Talente kaum gefördert hat, übernahm mit Günther Beckstein einer von den Alten. Diesen Fehler will Seehofer nicht wiederholen.

    Mit fast 60 Jahren ist Seehofer der Älteste in der CSU-Riege seines Kabinetts. Seine potentiellen Kronprinzen hat er genau im Blick: Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg, 37, und Landesgesundheitsminister Markus Söder, 42, gehören dazu.

    "Wenn ich so vor mich hinschaue, diese ganzen Jünglinge! Ich gehöre mittlerweile zu den Ältesten, obwohl ich noch gar nicht 60 bin. Ich habe manchmal den Eindruck, wenn ich in der Früh aufstehe, durch die ganze Berufung der jungen Politiker habe ich mir mein eigenes Grab geschaufelt. Ich organisiere gerade meine eigene Nachfolge, liebe Freunde. Und das werde ich alles noch zu spüren bekommen, aber es ist eine schöne
    Sache."

    Auch wenn es sich vielleicht anders anhört: Seehofer bereiten die Profilierungsversuche seiner potentiellen Kronprinzen großes Vergnügen. Der Konkurrenzdruck erhöht seiner Meinung nach ihre Leistungen.
    Der Ingolstädter ist ein anstrengender Chef. Per SMS stachelt er seine Leute ständig an, noch mehr in Erscheinung zu treten. Jüngst hat er sie zu einer Frühjahrsoffensive aufgerufen. "Bayern soll glühen", heißt es wörtlich in einer mit dem Kürzel HS unterschriebenen Handy-Nachricht. Seine CSU-Minister sollen Schlagzeilen produzieren.

    Mit Monika Hohlmeier ist er dabei weit übers Ziel hinausgeschossen. Der oberfränkischen CSU hat er die Strauß-Tochter als Kandidatin für die Europawahl aufs Auge gedrückt. Und zwar in einer Hinterzimmer-Aktion, die seine angekündigte Transparenz und Offenheit wie Hohn erscheinen lassen. Die Kandidatur der umstrittenen Ex-Kultusministerin sorgt für viel Wirbel an der Basis.

    Der Ministerpräsident mischt sich gern unters Volk. Im Kreis seiner Bürger fühlt er sich am wohlsten. Er behauptet, bei einem Gespräch höchstens zehn Sekunden zu brauchen, um zu wissen, was sein Gegenüber denkt und fühlt. Seine Bürgerkontakte sind sein Stimmungsbarometer. Und die Stimmung sei gut.

    "Es gibt in der Politik viele Pessimisten und Nörgler, ja Seehofer habe da Probleme und dort Probleme. Ich habe ihnen immer gesagt: mein Verbündeter ist die Bevölkerung. Ich habe nie auf Umfragen Wert gelegt, weil ich wusste, wenn ich unterwegs bei der Bevölkerung bin, kriege ich auch mal Kritik, auch mal Pfiffe, auch mal Ablehnung, aber es ist überwiegend eine gute Begegnung und das gefällt mir. Man gewinnt von Woche zu Woche mehr Freude daran."

    Seehofer ist ungefährdet. Die Kronprinzen sind noch nicht soweit. Und die Parteibasis will endlich Ruhe - nach gut drei Jahren Personalquerelen. Auch eine verpatzte Europawahl wird daran nichts ändern. Allerdings werden sich seine Kritiker dann aus der Deckung wagen. Nicht nur die fünf ausrangierten Landesminister haben mit ihm noch Rechnungen offen.

    Passieren wird ihm bis zur Bundestagswahl am 27. September sicher nichts. Die Latte, an der sich sein Erfolg messen wird, liegt aber schon recht hoch: Denn 40 Prozent + X im Bund sind für die Unionsparteien ohne 50 plus X in Bayern nicht möglich.

    Geht es im Herbst gut, kann Seehofer vier Jahre lang durchatmen. Erst 2012 findet die nächste Landtagswahl statt.

    "Und Parteien gehen sehr, sehr hart mit Politikern um, die keinen Erfolg mehr haben. Und das kann mir auch passieren."

    Beobachter werten diese Aussage bereits als Indiz, dass Horst Seehofer hinschmeißen wird, falls das Ergebnis bei der Bundestagswahl nicht seinen Erwartungen entspricht. Dann würde das CSU-Chaos von vorne beginnen.