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Aufklärung aus dem All

Technik. - Die Bundeswehr plant, bis zum Sommer zwei neue Aufklärungssatelliten vom Typ "SAR-Lupe" in den Orbit zu schicken. Die dann insgesamt fünf "SAR-Lupe"-Satelliten können dann bis auf die Pol-Gebiete praktisch jeden Punkt der Erde abdecken, dank Radartechnik auch witterungsunabhängig und bei Tag und Nacht.

Von Wolfgang Labuhn | 09.01.2008
    Der Kommandeur des Kommandos Strategische Aufklärung der Bundeswehr, Brigadegeneral Friedrich Wilhelm Kriesel, blickt mit unübersehbarem Stolz auf die Monitore seiner Abteilung "Satellitengestützte Aufklärung" in der Bodenstation Gelsdorf bei Bonn:

    " Ich bin sehr sicher, dass wir mit diesem Radar-Satelliten-System technisch an der Weltspitze mit stehen, soweit wir das beurteilen können. Es lassen uns natürlich nicht alle in die Karten schauen.""

    Die Bundeswehr dagegen lässt sich ein wenig in die Karten schauen. Und dabei erfährt man, dass bereits drei baugleiche "SAR-Lupe"-Aufklärungssatelliten die Erde in etwa 500 Kilometern Höhe umkreisen. Bis zum Sommer dieses Jahres sollen es fünf sein, die dann auf drei Orbitalebenen mit ungefähr polarer Inklination in der Lage sein werden, bis auf die Pol-Gebiete praktisch jeden Punkt der Erde abzudecken - witterungsunabhängig und bei Tag und Nacht. Die Abkürzung SAR steht dabei für "Synthetic Aperture Radar", also: Radar mit einer synthetischen Bündelbreite im 10-Gigahertz-Bereich, im sogenannten X-Band. "Lupe" bezeichnet die in Deutschland entwickelte Fähigkeit des Systems, Ausschnitte der vom Satelliten erfassten Gebiete mit einer Auflösung von deutlich unter einem Meter heranzoomen zu können.

    Der "SAR-Lupe"-Satellit ist dabei nichts anderes als eine auf einen sogenannten Satelliten-Bus montierte Parabol-Reflektorantenne. Mit einer Größe von nur vier mal drei mal zwei Metern und einem Gewicht von etwa 770 kg ist der von der Bremer OHB System AG entwickelte Satellit ein kleiner und preisgünstiger Gegenentwurf zu ähnlichen, aber tonnenschweren Systemen etwa der USA - preisgünstig auch deshalb, weil die deutschen Radar-Satelliten mit Kosmos-Trägerraketen vom nordrussischen Kosmodrom Plesetsk aus ins All geschossen werden. Wenn die Satelliten ihre Umlaufbahn erreicht haben und kalibriert sind, können sie mit höchster Auflösung fünf mal fünf Kilometer große Bodenquadrate aufnehmen oder mit Standardauflösung acht mal 60 Kilometer große Bodenstreifen. Was dabei passiert, erläutert Oberst Reinhard Pfaff, der stellvertretende Kommandeur des Kommandos Strategische Aufklärung:

    " Im Grunde ist es so, dass der Radarsatellit ausgerichtet wird mit der Antenne auf den Bereich, den wir im Bild haben wollen. Und diese Antenne sendet Energie zum Boden, die vom Boden reflektiert wird. Während er bei der hochauflösenden Aufnahme dort drüber fliegt, bleibt er ausgerichtet auf diesen Bereich, der da aufgenommen werden soll für etwa zehn, elf Sekunden und macht sehr, sehr viele Entfernungsmessungen. Und diese Entfernungsimpulse, die durch den Satelliten als Echo wieder aufgefangen werden, werden gespeichert, werden dann digital aufbereitet, zum Boden übertragen, und über ein sehr anspruchsvolles Verfahren über einen so genannten SAR-Prozessor zu einem Bild umgerechnet. "

    Die dabei generierten Schwarzweiß-Bilder können nur von Spezialisten ausgewertet werden, da sie andere Informationen enthalten als optische Bilder. Denn die Radarimpulse lassen teilweise Gebäudestrukturen erkennen und können sogar ein wenig in den Boden eindringen. So wurde beispielsweise bei einer Übungsaufnahme des Bundeswehr-Feldlagers Faisabad in Nordafghanistan ein unter der Erdoberfläche liegendes altes Gräberfeld entdeckt - ein Zufallsfund. Künftig werden allerdings militärische Aufklärungsaufträge im Mittelpunkt stehen, um beispielsweise die Sicherheit von Bundeswehrsoldaten im Auslandseinsatz zu erhöhen, strategische Entscheidungen der Bundesregierung vorzubereiten oder auch nur, um genauere Karten von entlegenen Gebieten erstellen zu können. Und natürlich, so Oberst Pfaff, ist auch eine zivile Nutzung denkbar:

    " Man könnte sich vorstellen, im Rahmen einer Naturkatastrophe möchte die Bundesrepublik irgendwo helfen. Dann wäre es natürlich wichtig zu wissen, ob dort die Verkehrsinfrastruktur noch nutzbar ist, wo man fahren kann, wo man nicht mehr fahren kann. Es wäre ganz interessant zu wissen, wo sind die größten Zerstörungen, um die Hilfe möglichst gezielt anzusetzen. Und auch das wäre sicherlich ein Aufgabengebiet, für SAR-Lupe, wo wir im Ausnahmefall dann auf Anfrage der Bundesregierung und im Auftrag der Bundesregierung auch tätig sein könnten. "