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Aufschieberei
Arbeitsroutinen helfen gegen Prokrastinieren

Es gibt immer Gründe, notwendige, aber unbeliebte Tätigkeiten aufzuschieben. Wird dies ein Dauerzustand, dann kann es zu Dauerstress, Übermüdung oder Depressionen führen. Wie man diese Verhaltensmuster überwinden kann, wird Studierenden an der Westfälischen Hochschule in Gelsenkirchen gezeigt.

Von Simon Schomäcker | 03.02.2020
Eine Frau liegt im Bett und blickt auf ihr Mobiltelefon. Die Kommunikation über eine App soll in Zukunft bei Depressionen Lösungsansätze bieten.
Wenn das Ausweichen vor ungeliebten Tätigkeiten zum Verhaltensmuster wird, braucht man Hilfe (imago/ PhotoAlto/ Frédéric Cirou)
Sabrina Ouazane studiert im dritten Semester Journalismus und Öffentlichkeitsarbeit an der Westfälischen Hochschule in Gelsenkirchen. Regelmäßig nimmt sie an besonderen Diskussionen und Gruppenarbeiten teil. Studierende verschiedenster Fachrichtungen wollen hier ihr Aufschiebe-Verhalten in den Griff bekommen. Sabrina erinnert sich, wie es bei ihr mit dem Prokrastinieren anfing.
"Ich werde damit auch getrieben, wenn ich positives Feedback bekomme. Und das ist nicht nur in Form von Noten, sondern jemand kommt wirklich zu mir und sagt: "Das hast du jetzt richtig gut gemacht!" Das hat dann, je älter ich wurde, auch nachgelassen. Und das sind dann die Gründe, weshalb das bei mir mit der Aufschieberitis angefangen hat."
Viele mögliche Gründe fürs Prokrastinieren
Die Gründe fürs Prokrastinieren sind je nach Person höchst unterschiedlich. Lernumgebung, Interessen, Ziele oder Selbstwertgefühl etwa beeinflussen unser Belohnungssystem. Es bestimmt mit, wie wir Prioritäten setzen, weiß Mareike Altgassen. Sie ist Kognitionsforscherin an der Radboud-Universität im niederländischen Nimwegen.
"Da gibt es bestimmte Absichten, wo es wahrscheinlicher ist, dass wir hier prokrastinieren werden. Das sind Tätigkeiten, die keinen Spaß machen, wie beispielsweise zu lernen, Steuererklärung machen. Und es sind auch typischerweise Tätigkeiten, wo die Belohnung erst zu einem späteren Zeitpunkt kommt."
Langer Lernaufwand oder kurzfristige Belohnung
Viele Studierende unterschätzen so zum Beispiel den Lernaufwand, wenn der Termin einer Klausur oder Hausarbeit noch viele Wochen entfernt liegt. Sie suchen nach Möglichkeiten, sich schneller zu belohnen:
"Zum Beispiel mit der Freundin auf einen Kaffee treffen anstatt zu lernen, dann ist es erst einmal angenehm und erhöht unsere Stimmung. Aber im Nachhinein kann es dann sein, dass wir uns schlecht fühlen, weil wir eben nicht gelernt haben."
Im schlimmsten Fall kommt es zu Dauerstress, Übermüdung, Depressionen, schlechten Noten oder einer längeren Studienzeit. Sabrina ist deswegen der Lerngruppe beigetreten. Diplom-Pädagogin Leila Mesaros leitet die Studierenden an.
"Beispielsweise besprechen wir, wie kann man einen realistischen Wochenplan gestalten - und diesen Wochenplan bis zur nächsten Woche mal auszuprobieren. Und weil die Studierenden wissen, wir treffen uns nächste Woche wieder und es wird sich gegenseitig ausgetauscht, animiert das viele dazu, das endlich auch mal zu machen."
Arbeitsroutine langsam aufbauen
So ergeht es auch Sabrina. Besonders gefällt ihr, dass die Gruppe sich gegenseitig motiviert und Selbstvertrauen gibt. Das sei sehr wichtig, betont Leila Mesaros. Denn oft schütten wir erst nach großen Erfolgen verstärkt Glückshormone aus.
"Wenn ein Student beispielsweise seit einem Jahr es nicht schafft, sich ans Lernen zu setzen. Und dann kommt er ins Gruppentraining und berichtet: 'Ja, ich habe was gemacht, aber nur eine halbe Stunde.' Dann ist es wichtig anzuerkennen, dass die halbe Stunde erstmal ein richtig guter Erfolg ist."
Leila Mesaros möchte nach und nach eine Arbeitsroutine aufbauen. Gleichzeitig hat sich die Gruppe eine Belohnungsmethode überlegt, erzählt Sabrina:
"Ich habe mir gesagt, ich setze mich jetzt eine Stunde oder anderthalb hin und habe mich dann auch wirklich konzentriert. Was einfach auch schön war, dieses Gefühl, sich zu konzentrieren. Und habe dann mal einen Film geguckt, habe was gegessen. Und habe das dann aber auch sein gelassen, wenn ich meine Ziele nicht erreicht habe."
Konkrete Ziele helfen gegen das Aufschieben
Pädagogin Leila Mesaros findet es zudem wichtig, mit den Studierenden über berufliche Ziele zu sprechen. Denn auf etwas Konkretes hinzuarbeiten, führt meist dazu, dass man Lust aufs Lernen hat - und das wirkt am besten gegen Prokrastinieren. Aufgeschobene Arbeiten, die wir nach langer Zeit erledigt haben, bleiben übrigens sehr stark im Gedächtnis haften, erklärt Mareike Altgassen:
"Wenn mit einer bestimmten Erfahrung intensive Emotionen verbunden waren, dann wird das tiefer im Gedächtnis abgespeichert. Und dann können wir uns länger und besser daran erinnern."
Auch Sabrina erinnert sich noch an die liegengebliebenen Arbeiten, die sie dank des Lerntrainings nun geschafft hat.
"Ich denke jetzt nicht an das Negative, dass ich sie aufgeschoben habe und trotzdem nochmal die Kurve gekriegt habe. Sondern ich denke nur daran, wie das Gefühl war, als ich es geschafft habe. Meistens denkt man an positive Gefühle eher als an negative."