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Aufstockung des Rettungsschirms: Beruhigung unwahrscheinlich

Der Rettungsschirm wurde von den Euro-Finanzministern auf 800 Milliarden Euro aufgestockt. Trotzdem werden sich die Finanzmärkte laut Finanzwissenschaftler Lars Feld nicht beruhigen. Es gäbe Zweifel, ob Länder wie Italien und Spanien eine tragfähige Finanzsituation hätten.

Lars Feld im Gespräch mit Sandra Schulz | 31.03.2012
    Sandra Schulz: Es ist wieder einmal ein sehr drastisches Bild: In der Diskussion um die Euro-Rettung hat der französische Finanzminister Baroin den geplanten permanenten Euro-Schutzschirm mit einer Atomwaffe verglichen. Er sei dafür da, nicht eingesetzt zu werden, als Abschreckung, hat er gesagt. Verbunden hat er den Vergleich mit seiner Forderung, den dauerhaften Rettungsfonds ESM auf ein Volumen von einer Billion Euro aufzustocken, also 1000 Milliarden Euro, was auf eine Verdoppelung des ursprünglich Geplanten hinausgelaufen wäre. Der Rettungsschirm bleibt jetzt, wie er ist, aber die Brandmauer wird höher gezogen, auf insgesamt 800 Milliarden Euro. Und wir wollen die Verabredungen der Euro-Finanzminister aus Kopenhagen von gestern jetzt in den kommenden Minuten einordnen, am Telefon begrüße ich Professor Lars Feld, Mitglied im Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Guten Morgen!

    Lars Feld: Guten Morgen!

    Schulz: Herr Feld, eine Mutter aller Brandmauern hatte der OECD-Generalsekretär Gurría in dieser Woche gefordert. Bekommen wir die jetzt?

    Feld: Na ja, also, das, was wir jetzt bekommen, ist nur eine kleine Änderung im Vergleich zu der ursprünglichen Absicht, den Europäischen Stabilitätsmechanismus mit 500 Milliarden Euro auszustatten. Denn das, was jetzt so schön hochgerechnet wird auf 800 Milliarden, ist ja nur eine Zusammenfassung der bereits gewährten Liquiditätshilfen im ersten Griechenland-Paket und inklusive der ausgereichten Kredite an Portugal, Irland und Griechenland im zweiten Paket. Das ist bereits, Geld, das ausgegeben ist. Also, insofern haben wir hier keine Aufstockung.

    Schulz: Also, wenn ich Sie richtig verstehe, finden Sie, die Finanzminister seien zu knauserig gewesen?

    Feld: Nein, ich finde nicht, sie sind zu knauserig gewesen, aber wir sehen hier sehr viel Rhetorik aufseiten der politisch Verantwortlichen. Da kann sich aus diesem Kompromiss, der diese Woche nach außen kommuniziert wird, mit 800 Milliarden, kann sich jeder ein bisschen was rauspicken, 800 Milliarden Euro sind ja eine Billion Dollar, sodass Herr Baroin nach außen hin das Gesicht wahren kann. Aber im Grunde hat sich die Bundesregierung mit ihrer Linie durchgesetzt und belässt die Liquiditätshilfen im Wesentlichen auf dem Betrag, der ursprünglich vereinbart ist. Und meines Erachtens ist das auch gut so.

    Schulz: Werden sich die Märkte denn jetzt beruhigen?

    Feld: Die Märkte werden sich angesichts dieser Summe nicht beruhigen. Denn die Situation, die wir auf den Finanzmärkten haben, ist eine relativ unangenehme. Die Finanzmärkte haben Zweifel, dass die betroffenen Länder, insbesondere die beiden noch nicht mit Liquiditätshilfen versehenen Länder Italien und Spanien eine tragfähige Finanzsituation haben. Das lässt sich, dieser Zweifel lässt sich nicht ohne Weiteres durch Konsolidierungsanstrengungen und Reformen auf den Arbeits- und Produktmärkten lösen, weil die Finanzmarktteilnehmer erst einmal abwarten werden, welche Erfolge eine solche mittelfristig orientierte Politik der Konsolidierung hat. Und je länger sie abwarten, umso größer werden die Zinsprobleme. Im Moment ist das noch etwas beruhigt, weil die Europäische Zentralbank relativ viel Liquidität in den Markt gegeben hat.

    Schulz: Dann auch an Sie heute Morgen die Frage, was sich dann tun müsste, um die Finanzmärkte zu beruhigen?

    Feld: Wir haben vonseiten des Sachverständigenrats einen Vorschlag unterbreitet, der sich Schuldentilgungspakt nennt, und bei diesem Schuldentilgungspakt geht es darum, den Ländern fünf Jahre mehr Zeit zu verschaffen, indem es eine gewisse Vergemeinschaftung der Schulden gibt. Aber die Länder verpflichten sich dann auch, diese Beträge, die vergemeinschaftet sind, relativ schnell zu tilgen, abzubauen und sich damit rascher, als das im Moment beabsichtigt ist, auf die 60 Prozent Schuldenstandsquote des Maastricht-Vertrages zuzubewegen.

    Schulz: Aber wie soll das in der Sache gehen? Denn das Problem ist und bleibt ja zum Beispiel im Fall Griechenland die fehlende Wettbewerbsfähigkeit.

    Feld: Nun, die Länder sollen sich zugleich verpflichten, nicht nur die Haushalte zu konsolidieren, sondern auch die Wettbewerbsfähigkeit auf ihren Arbeits- und Produktmärkten herzustellen, damit die Unternehmer in den Wettbewerb treten können nach außen. Und sie haben ja, viele Unternehmen in den betroffenen Ländern haben ja ihre Wettbewerbsfähigkeit in den vergangenen Jahren verloren.

    Schulz: Und das heißt, konkret auf eben die Problemkandidaten bezogen, Griechenland, Spanien, Italien?

    Feld: Nun, das heißt für Italien, dass Italien etwas mehr zur Konsolidierung tun muss, als es im vergangenen Jahr getan hat. Das ist bereits auf dem Wege, Mario Monti hat einiges angestoßen in dieser Richtung. Allerdings ist das größere Problem in Italien die fehlende Wettbewerbsfähigkeit, die aufgrund der verkrusteten Arbeitsmärkte resultiert. Und hier wird Italien stärker ansetzen müssen, als in der Vergangenheit. Diese Arbeitsmarktreformen werden jetzt diskutiert, sie lassen sich offensichtlich in Italien nicht konsensual mit den Gewerkschaften lösen, und es wird noch einige Auseinandersetzungen zur Folge haben. Vor dem Hintergrund ist auch verständlich, dass die Finanzmärkte abwarten.

    Schulz: Thema in Kopenhagen ist heute offenbar auch noch die Frage, wie die Finanzmärkte in die Pflicht genommen werden sollen. Die Finanztransaktionssteuer, die gilt als tot. Warum ist es denn so schwierig, die Verantwortlichen der Krise auch finanziell mit zur Verantwortung zu ziehen?

    Feld: Das hört sich so schön an, die Verantwortlichen der Krise zur Verantwortung zu ziehen. Wenn eine Finanztransaktionssteuer kommt, dann hat man zwei Möglichkeiten aufseiten der Banken: Entweder man überwälzt diese Steuer an die Kunden, und die Kunden sind nun mal nicht die Verantwortlichen dieser Krise, dann ist diese Idee, die ja irgendwo ein Verteilungsziel darstellt, eigentlich nicht mehr zu realisieren. Oder aber die Banken müssen einen gewissen Anteil der Finanztransaktionssteuer tatsächlich tragen und können nicht überwälzen, und dann entzieht diese Steuer dem Bankensektor dringend notwendiges Eigenkapital. Denn ein großes Problem, das wir ja immer noch haben, ist die Eigenkapitalausstattung des Bankensystems.

    Schulz: Aber wenn wir auf diese Spekulationen schauen, diese extrem kurzfristigen, die eben nur auf Gewinn ausgelegt sind, die ja auch Teil des Problems sind, müssten die nicht eingedämmt werden?

    Feld: Es gibt sicherlich manche Geschäfte, die durch die Finanztransaktionssteuer unattraktiver werden, sodass ein Teil der Spekulation, die auch in gewissen Situationen mal destabilisierend wirken kann, eingedämmt wird. Aber im Großen und Ganzen reduziert die Finanztransaktionssteuer ja auch Umsätze in anderen Bereichen, sodass sich dort die Volatilität wesentlich stärker erhöht. Das heißt, einzelne Umsätze verursachen größere Ausschläge auf den Finanzmärkten, sodass dadurch eigentlich nichts gewonnen ist im Hinblick auf die Stabilität. Die Finanztransaktionssteuer würde damit auch die Probleme, die wir da haben, nicht lösen.

    Schulz: Also, das heißt, die Finanzmärkte sind schlichtweg nicht zu bändigen?

    Feld: Die Finanzmärkte sind sehr wohl zu bändigen, aber da muss man mit dem zielgenauen Instrument der Eigenkapitalforderungen, der Eigenkapitalerhöhung herangehen. Das ist im Moment angedacht in Basel III, aber meines Erachtens reichen diese Maßnahmen insbesondere auch für Deutschland noch nicht aus und man muss darüber hinausgehen. Das wäre sicherlich notwendig.

    Schulz: Und wie bewerten Sie in dem Zusammenhang die Stempelsteuer, die sogenannte, nach britischem Modell, die ja auch zur Diskussion steht?

    Feld: Na ja, was die Stempelsteuer in Großbritannien im Hinblick auf die Stabilisierung der Finanzmärkte gebracht hat, hat man ja in der Finanzkrise gesehen, die gab es ja schon vorher, diese Stempelsteuer. Und sie ist von der Abgrenzung her auf ganz bestimmte Geschäfte konzentriert und damit hat man auch keinen, mit diesem Ansatz hat man auch keine großen Möglichkeiten, die Finanzmärkte zu bändigen. Ähnliches gilt im Übrigen für die Schweiz, die ja auch eine Stempelsteuer hat.

    Schulz: Professor Lars Feld war das, Finanzwissenschaftler und Mitglied im Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung und heute hier im Interview in den "Informationen am Morgen" im Deutschlandfunk. Danke Ihnen dafür!

    Feld: Ich danke Ihnen, Wiederhören!


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