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Auftakt zur Verdrängung der Mauren

Die Herrschaft der Mauren in Spanien dauerte von 711 bis 1492. In der sogenannten "Reconquista", der Rückeroberung versuchten die Christen über Jahrhunderte hinweg, sie zu verdrängen. Bei Navas de Tolosa fand am 16. Juli 1212 die entscheidende Schlacht zwischen Christen und Muslimen statt.

Von Wolf Martin Hamdorf | 16.07.2012
    Im Juni des Jahres 1212 rüstet man sich im kastilischen Toledo zur Schlacht. Rodrigo Jiménez de Rada, der Erzbischof der Stadt, hat ein Bündnis der verfeindeten christlichen Königreiche auf der iberischen Halbinsel organisiert. Von Rom aus fordert Papst Innozenz III. die ganze Christenheit zum Kreuzzug gegen die Mauren in Spanien auf:

    "Allen christlichen Untertanen sollen die Sünden durch Gott und durch uns vergeben werden, wenn sie als reuige Sünder den Sarazenen in offener Schlacht entgegentreten."

    An der Spitze der vereinigten, christlichen Krieger aus Aragón, Kastilien, Navarra und Frankreich steht der kastilische König Alfonso VIII. 57 Jahre alt, will er seine vernichtende Niederlage gegen die Mauren im Jahre 1195 vergelten. Der Kreuzzug gibt ihm die Rechtfertigung, alle bis dahin geschlossenen Waffenstillstandsverträge mit den muslimischen Machthabern zu brechen.

    Seit 711 beherrschten die Araber die iberische Halbinsel, aber 1212 haben sie den Höhepunkt ihrer Macht längst überschritten. Vergangen ist die Blüte des islamischen Spaniens im 10. Jahrhundert, als Al–Andalus zum Inbegriff kultureller Vielfalt wurde und das andalusische Cordoba zu einer der wichtigsten Metropolen der islamischen Welt. Ende des 10. Jahrhunderts war das Kalifat in Cordoba in viele Einzelstaaten zerfallen und die Christen eroberten langsam den Norden der iberischen Halbinsel. Um dem entgegenzuwirken, drangen die Almohaden, strenggläubigen Krieger aus Nordafrika, nach Spanien ein. Sie beendeten die bisherige religiöse Toleranz gegenüber Christen und Juden und waren auch vielen spanischen Moslems verhasst.

    Auf der ganzen iberischen Halbinsel stehen die Zeichen auf Sturm. Der 30-jährige Kalif Muhammad al-Nasir hat 1211 mit einem großen Heer die Straße von Gibraltar überquert und nähert sich Kastilien.
    Die Kreuzritter überschreiten vom Norden her die Sierra Morena, das Grenzgebirge zu Andalusien und erreichen das kleine Dorf Las Navas de Tolosa.

    Am Montag, dem 16. Juli 1212, greifen die Christen an. Die Pfeilhagel der Mauren fügen ihnen zunächst schwere Verluste zu, die leichte Kavallerie beginnt, die Flügel des christlichen Heeres zu umschließen. Schon scheint die Schlacht für die Christen verloren, sie erringen dann aber durch einen schnellen Reiterangriff einen Überraschungssieg. Der muslimische Chronist Ibn Idari al Marrakusi sieht in der Niederlage der Mauren den Anfang vom Ende der Almohadenherrschaft in Spanien:

    "Nachdem Alfonso seine Truppen zur Schlacht geordnet und seine Krieger aufgestellt hatte, griff er sofort an und schlug die völlig unvorbereiteten Moslems in die Flucht. Zahlreiche Mitglieder des almohadischen Herrscherhauses fanden den Tod in der Schlacht. Als eigentlicher Grund für die schwere Niederlage ist die Uneinigkeit anzusehen, die zwischen den Almohaden herrschte. Zum großen Teil sollen die Almohaden, wie mir berichtet wurde, weder ihre Schwerter gezogen, noch ihre Lanzen eingelegt haben; statt irgendwelche Vorbereitungen zu treffen, flohen sie nach dem ersten Angriff."

    Auch der Kalif flieht mit seiner Leibwache. Die hohen Verluste beschreibt ein arabischer Überlebender:

    "Es lagen so viele Tote auf dem Feld, dass man nicht mehr laufen konnte. Wenn jemals die Muslims Christen ein Leid angetan haben, so wurde es hier gerächt."

    Nach dem Sieg zelebrierte der Bischof von Toledo auf dem Schlachtfeld eine Messe mit einem "Te Deum". Die Schlacht von Las Navas de Tolosa zerstörte die Legende von der militärischen Unbesiegbarkeit der Almohaden. Die sogenannte "Reconquista", die Rückeroberung der iberischen Halbinsel durch die christlichen Truppen bekam eine neue Dynamik.

    Muhammed Al Nasir starb ein Jahr nach seiner Niederlage in Marrakesch, Alfonso VIII. zwei Jahre nach seinem größten Sieg in Toledo. Sein Enkel Fernando III eroberte 1236 Cordoba, 1248 Sevilla. Unter muslimischer Herrschaft verblieb bis 1492 nur die Region um Granada. Für die spanische Rechte wurde der Sieg der Christen in Las Navas de Tolosa zum Gründungsmythos des vereinigten katholischen Spaniens. Daran erinnert heute vor Ort noch ein gigantisches Denkmal aus der Zeit der Franco-Diktatur.