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Aus Abfall Energie gewinnen

Tagtäglich verschwinden Fäkalien und organische Abfälle in Toiletten und Abflüssen. Dabei ist schon seit 20 Jahren ein Verfahren bekannt, wie sich aus diesen Stoffen wertvolle Energieträger gewinnen lassen. Für seine Entdeckungen zu dem Thema wurde der Tübinger Wissenschaftler Ernst Bayer bereits 1985 mit dem Philipp Morris Forschungspreis ausgezeichnet. Im bayerischen Mintraching ist nun eine funktionierende Anlage entstanden.

Von Walter Kittel | 28.07.2008
    Eine schwere, zähflüssige und stinkende Flüssigkeit wird durch die Rohre der Anlage in Mintraching gepumpt: es ist Öl, das aus Klärschlamm gewonnen wird. Der Chemiker Stefan Skrypsimentele hat die in Deutschland einzigartige Anlage entwickelt, die den Klärschlamm aus Abwässern in die Energieträger Öl, Kohle und Gas umwandelt:

    "Das Verfahren versucht im Prinzip die Natur nachzuahmen. So wie unsere Erdöllagerstätten durch biologischen Abbau von bakterischer Biomasse Öl und Erdgas entsteht, machen wir im Prinzip aus der Bakterienmasse, aus dem Klärschlamm, Öl und Gas. Da wir ja nicht die Zeit haben, die die Erdgeschichte hat, machen wir das ganze bei 400 Grad Celsius. Und dann laufen diese natürlichen Prozesse innerhalb von einer Stunde ab."

    Dem Klärschlamm wird zuvor das Wasser entzogen. Erst aus dieser konzentrierten Masse entsteht bei Erhitzung auf 400 Grad Celsius ein ölhaltiges Gas, das abkühlt und kondensiert. So rinnt schließlich Öl durch die Leitungen. Das anfallende Gas wird in der Anlage verbrannt und dient der Erhitzung des Klärschlamms. Die Energiebilanz des Verfahrens ist positiv und kann sich durchaus sehen lassen:

    "Wir brauchen für den eigentlichen Prozess pro Kilogramm getrocknetem Klärschlamm ungefähr 0,3 bis 0,4 Kilowattstunden an Energie. Im Klärschlamm selber ist ungefähr der 10fache Energiewert drin. Also wir brauchen ungefähr ein Zehntel vom Energiegehalt vom Klärschlamm, um das Verfahren durchzuführen."

    200 Kilogramm Klärschlamm können pro Stunde verarbeitet werden, das entspricht etwa den Abwässern von 60.000 Haushalten. Doch es gibt einen Nachteil: Aus dem, was die Haushalte liefern oder bei Regen durch den so genannten Straßenabwasch angeschwemmt wird, kann nur ein so genanntes Schweröl gewonnen werden, das nicht die Reinheit und Qualität von Heizöl oder etwa Diesel hat. Abnehmer für das Schweröl müssen erst noch gefunden werden.

    "Ein Abnehmer fürs Öl ist zum Beispiel die Venus Ton Werke, die sind Partner von dem Projekt und die nehmen das Öl ab als Sekundärbrennstoffe für die Ziegelei. Die Ziegelei hat einen extrem hohen Energiebedarf und ist immer auf der Suche nach alternativen Brennstoffen. Und da wird unser Öl als Alternativprodukt getestet und natürlich gibt es dann auch Abgasemissionswerte und Messungen."

    Und das ist auch dringend notwendig, denn das aus dem Klärschlamm gewonnene Schweröl ist alles andere als ein umweltfreundliches Produkt. Es enthält jene Schwermetalle, die zuvor im Abwasser und dann im Klärschlamm zu finden waren. Außerdem hat das Schweröl einen wesentlich höheren Stickstoffgehalt als Heizöl oder Diesel und entwickelt bei der Verbrennung eine vergleichsweise große Menge an Stick- und Schwefeloxyden sowie anderen Schadstoffabgasen. Damit das Schweröl bei der Verfeuerung nicht zu einer Gefahr für die Umwelt wird, müssen die Schadstoffe und Schwermetalle aufwändig herausgefiltert werden. Wenn das gelingen sollte und die Umweltbelastung in den Griff zu bekommen ist, könnten in Bayern weitere derartige Anlagen errichtet werden, sagt Marcel Huber, Staatssekretär im Bayerischen Umweltministerium:

    "Es könnte dabei rauskommen, wenn man positive Erfahrungen damit sammelt. Es ist momentan einer der Ansätze, die man hier so verfolgt. Aber um wirklich sagen zu können "Wir werden auf diesem Weg das Thema Klärschlamm in idealer Weise umsetzen", soweit sind wir noch nicht, da brauchen wir die praktischen Erfahrungen aus dieser Anlage."