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Aus dem Auspuff in die Atemluft
Wie gefährlich sind Stickstoffoxide für den Menschen?

In der Debatte um saubere Dieselfahrzeuge geht es vor allem um den Ausstoß von Stickstoffoxiden - denn die sind schädlich für den Menschen. Sie dringen tief in die Lunge ein und lösen dort Entzündungsprozesse aus. Folgeerkrankungen können tödlich sein.

Von Dieter Nürnberger | 24.08.2017
    Dieselrauch kommt aus einem Auspuff eines Kleintransporters in Frankfurt (Oder) (Brandenburg), aufgenommen am 23.02.2013.
    Dieselrauch kommt aus einem Auspuff eines Kleintransporters: Die dabei freigesetzten Stickstoffoxide gelangen in die Atemluft. (dpa / picture-alliance / Patrick Pleul)
    Stickstoffdioxid ist ein Reizgas, welches der Mensch täglich einatmet. Und die Einschätzungen von Gesundheitsexperten - national und auch international - sind eindeutig. NO2, so die Abkürzung, ist schädlich. Wolfgang Straff leitet beim Umweltbundesamt die Abteilung Umweltmedizin und gesundheitliche Bewertung:
    "Es dringt relativ weit in die Atemwege ein, weil es an den Schleimhäuten nicht abreagiert. Und tief in der Lunge schädigt es die Zellstrukturen. Dann werden Entzündungsprozesse ausgelöst und durch diese permanente Entzündung kommt es zu Folgenschäden, die dann auch mit Herzinfarkten, Arteriosklerose und mit anderen Erkrankungen einhergehen können."
    So hat beispielsweise die Europäische Umweltagentur berechnet, dass jährlich rund 11.500 Menschen allein in Deutschland an den Folgen durch Stickstoffdioxyde sterben. Weshalb es in Deutschland längst Grenzwerte für die Konzentration von NO2 in der Luft gibt. Allerdings in unterschiedlicher Höhe: Für die Außenluft dürfen es im jährlichen Mittel 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft sein, an bestimmten Arbeitsplätzen, wo NO2 durch Verbrennungsprozesse entsteht, liegt der Grenzwert bei 950 Mikrogramm. Das ist mehr als das Zwanzigfache.
    Doch für Thomas Gebel, er ist Chef-Toxikologe an der Bundesanstalt für Arbeitsschutz- und Arbeitsmedizin in Dortmund, gibt es gute Gründe für die unterschiedlichen Grenzwerte:
    "Dieser Wert ist höher, weil Sie ja in einer solchen Tätigkeit nicht 24 Stunden pro Tag belastet sind, sondern acht Stunden pro Tag arbeiten. Wir arbeiten nicht die gesamte Lebenszeit, sondern es ist ein Anteil der Lebenszeit. Und es geht darum, dass hier nur ein Teil der allgemeinen Bevölkerung betroffen ist - nämlich gesunde Arbeitsnehmer. Für Verkehr - also für die Umweltgrenzwerte - da möchte man auch noch Kinder schützen, ebenso vorerkrankte Personen und auch ältere Leute."
    Hohe Werte in der Glasproduktion
    Der relativ hohe Grenzwert für NO2 betrifft somit ausschließlich bestimmte Industrie- oder Handwerksarbeitsplätze - Unternehmen der Glasproduktion beispielsweise oder auch der Dynamit- oder Nitrozelluloseherstellung. Die dort Beschäftigten erhalten zusätzlich eine arbeitsmedizinische Betreuung und sie würden regelmäßig untersucht, so Thomas Gebel.
    Der strenge Wert für die Außenluft von 40 Mikrogramm geht auf eine Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation WHO zurück. Es geht um den Gesundheitsschutz der Gesamtbevölkerung - als eine wesentliche Ursache gilt hier der Autoverkehr, die Dieselabgase. Epidemiologen haben nachgewiesen, dass besonders für Babys und Kleinkinder schon geringe Mengen an Stickstoffdioxid ein Problem sein können, denn sie behindern das Lungenwachstum. Und auch für viele ältere Menschen mit schon vorhandenen Lungenproblemen kann jedes zusätzliche Mikrogramm gefährlich werden. Umweltmediziner Wolfgang Straff spricht deshalb von einer Gefährdung, denn betroffen sei nicht nur die Außenluft:
    "Im Winter ist das stärker als im Sommer, dann wird auch mehr emittiert - von den Heizungen, häufig ist auch mehr Straßenverkehr. Dann haben Sie ziemlich viel NO2 in der Luft und diese Außenluft stellt dann die Grundlage für die Innenraumluft dar."
    Der Experte des Umweltbundesamtes hält den deutlichen niedrigen Grenzwert für die Gesamtbevölkerung für gerechtfertigt.
    "Der 40er-Wert sollte auf jeden Fall nicht geändert werden, schon gar nicht nach oben. Nach Vorlage einer neueren Analyse der WHO, die in den nächsten Jahren kommen wird, wird dieser Wert wahrscheinlich geändert werden, dann aber eher nach unten."
    Auch Bundesumweltministerin Barbara Hendricks spricht sich gegen eine Aufweichung des vergleichsweise strengeren Grenzwertes für die Außenluft aus. Denn im öffentlichen Raum halte sich jeder auf, so die SPD-Politikerin.