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"Aus dem Hinterhalt: Wozzek"
Black Cracker trifft Alban Berg

Black Cracker ist für künstlerische Grenzüberschreitungen bekannt. Er rappt, tritt als MC und Spoken-Word-Poet auf - mal solo, mal mit Blixa Bargeld oder der schweizerischen Experimentalband KiKu. Jetzt bringt er in der Tischlerei der Deutschen Oper Berlin ein Stück auf der Basis der Alban-Berg-Oper "Wozzeck" heraus.

Von Oliver Kranz | 09.11.2018
    Der Rapper Black Cracker im rotstichigen Portrait
    Für genreübergreifende Aktionen zu haben: Black Cracker (Eike Walkenhorst)
    Alban Bergs Oper ist eine Ikone – atonal und expressionistisch – schon bei der Uraufführung 1925 ein Riesenerfolg. Sie erzählt von einem Mann, der von Termin zu Termin hetzt, um Geld für sein Kind und seine Lebensgefährtin zu verdienen. Als sie ihn betrügt, wird er wahnsinnig und bringt sie um.
    "Für mich ist Thema sehr nah. Wozzeck ist ein Mensch, der gegen Wände läuft. Er versucht, es allen Recht zu machen und schafft es nicht. Auch heute gibt es so viele Regeln und Gesetze, die man befolgen muss. Man wird in viele Schubladen gesteckt – gerade wenn man, wie ich, schwarz ist. Das Gefühl, unterdrückt zu werden, ist nicht schön, aber es erzeugt Widerstand. Und das mache ich mir in meiner Kunst zunutze. Ich bringe Stilrichtungen und Ordnungssysteme zur Kollision. So entsteht eine neue Schönheit."
    Atonale Musik mit hämmernden Technorhythmen
    Black Cracker konfrontiert Alban Bergs atonale Musik mit hämmernden Technorhythmen. Sein Wozzeck lebt in einer Maschinenwelt. Auf einer Leinwand erscheint ein riesiges Porträt des Sängers, das in Stücke geschnitten und wieder zusammengesetzt wird. Tänzer in schwarzen Trikots springen monoton auf kleinen Trampolinen. Die Handlung der Oper wird nicht nacherzählt, sondern assoziativ bebildert.
    "Mir geht es darum den Stress zu zeigen, dem die Figur ausgesetzt ist. Dafür finde ich in jedem Akt ein anderes Bild. Die Tänzer springen Trampolin, der Sänger muss in einer anderen Geschwindigkeit singen, als in der Originaloper. Im ersten Akt wird die Musik verlangsamt, im dritten beschleunigt. Es werden nur noch Fragmente gesungen, die immer wieder wiederholt werden. Die Leute sollen den Druck spüren, der auf der Figur lastet."
    Inszenierung wie aus einem Guss
    Der Druck wird spürbar, doch eine Geschichte wird nicht erzählt. Das gehört bei der Reihe "Aus dem Hinterhalt", die an der Deutschen Oper schon seit einigen Jahren läuft, zum Konzept. Da werden Stars der Off- oder Popkultur gebeten, Aufführungen aus dem Abendspielplan des Hauses zu kommentieren. Dabei krachen oft Stilrichtungen aufeinander. Doch Black Cracker liefert eine Inszenierung wie aus einem Guss. Statt den Opernarien Rap-Songs gegenüberzustellen, verschmilzt er die Musik Alban Bergs mit seiner eigenen.
    "Er hat schon die Techniken der Zwölftonmusik benutzt und sie aber in so einen poppigen Weg gedrückt, sage ich mal. Und da überkreuzt sich was. Da ist ein Dialog entstanden, musikalisch."
    … erklärt Alexandra Holtsch, die die Reihe "Aus dem Hinterhalt" an der Deutschen Oper betreut. Das Konzept ist schon oft aufgegangen. Akteure wie Peaches, Matthew Herbert oder Lydia Lunch haben Zuschauer ins Haus gebracht, die sonst kaum kommen würden. Doch auch traditionelle Operngänger gehören zum Publikum. Es treffen nicht nur verschiedene Musikstile aufeinander, sondern auf verschiedene Arten des Zuschauens.
    "Es kracht jedes Mal anders"
    "Es kracht jedes Mal anders. Man kann es nicht vorhersagen. Jetzt bei Wozzeck ist es eher ein Kommentar geworden, was ich auch gut finde, weil wir ja gerade die Thematik in der Welt spüren. Die Hochkultur, die Subkultur, die Pop-Kultur. Wo sind wir? Wo ist die Kommunikation?"
    Black Cracker geht bei seinen Konzerten gern auf Tuchfühlung mit dem Publikum. Oft tanzt er Seite an Seite mit den Zuschauern – doch diesmal nicht. Er singt zwar live, aber sitzt dabei am Technikpult und kommt nicht auf die Bühne.
    Zeitgenössischer Alban-Berg-Kommentar
    "Ich bin gerade dabei zu lernen, dass ich mich als Künstler auch ein bisschen zurücknehmen kann. Die ganze Inszenierung ist von mir - da muss ich nicht auch noch selbst auftreten. Es sind ja schon meine Ideen auf der Bühne und das worüber ich nachdenke."
    Black Cracker singt über Dinge, die ihm Angst machen – die Beschleunigung der Welt, der Druck, der dadurch entsteht, die Zerstörung der Psyche. Er hat aus Textfragmenten des Librettos ein neues Gedicht gemacht – ein sehr packender und zeitgenössischer Alban-Berg-Kommentar.