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Aus der Bücherei auf den PC

Leseprofis wissen es – in der Stadtbibliothek findet sich vom seltenen Folianthen bis zum aktuellen Bestseller meist jedes Buch – wenn nicht direkt, dann über die Fernleihe. Noch einfacher wird das durch "Onleihe": Am Montag startet das Internet-Pilotprojekt mit 6000 Medien, davon allein 2000 E-Books.

Von Dietmar Reiche | 16.06.2007
    "Es ist nicht sinnvoll, dass wir den Markt den großen Mediengiganten wie Google oder Amazon überlassen, sondern die Bibliotheken haben die Verpflichtung, diese Dienstleistungen kostenlos an die Bürger weiterzugeben."

    Sagt Dr. Horst Neißer, Direktor der Kölner Stadtbibliothek. Damit die Bibliotheken ihren Status als Informationsvermittler nicht verlieren, gehen sie ins Netz, haben die virtuelle Bibliothek "Onleihe" ins Leben gerufen. Drei Zielgruppen haben die Informationsprofis im Visier: Berufstätige, Jugendliche und Senioren. Letztere werden sich über das Musikangebot der Kölner Internet-Bibliothek freuen. Auf den Servern liegen vor allem Klassik, traditioneller Jazz und ein wenig Blues – nicht gerade ein zweitgemäßes Angebot für Jugendliche.

    "Und das liegt einfach daran, dass wir bisher andere Lizenzen noch nicht bekommen haben. Wir hätten die gerne. Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass dies mal passiert"

    Sagt Projektmanager Frank Daniel von der Kölner Stadtbibliothek und beschreibt damit das Dilemma. Zwar sind gut 100 Verlage mit ihren Medien im virtuellen Katalog vertreten. Doch die großen Label der Musik-Branche scheuen den Wettbewerb und warten erst einmal ab. Anders verhält sich der Naxos-Verlag. Gefürchtet für seine offensive Niedrigpreisstrategie, traut sich das Unternehmen in das Lizenz-Geschäft mit den Bibliotheken.

    " Weil Naxos ein entsprechendes Angebot hat, was andere Medienanbieter in diesem Fall noch nicht tun. Ist preiswert. Na klar. Und vor allem bekommen wir auch die Inhalte. Also wir hätten natürlich auch gerne die neueste CD von Robbie William im Angebot. Doch zu Zeit ist es noch schwierig, die Unterhaltungsindustrie davon zu überzeugen, dass das ein gangbares Modell ist, was wir hier haben."

    Ein Modell, das nach Ansicht der Bibliotheken weder Raubkopierern Vorschub leistet, noch den Verlagen Marktanteile wegnimmt. Zuständig für den zentralen Lizenz-Einkauf und die technische Umsetzung ist Holger Behrens, Geschäftsführer der Wiesbadener Gesellschaft DIVIBIB. Der Dienstleister arbeitet mit seinem 16-köpfigen Team im Hintergrund für die deutschen Bibliotheken, betreibt Medien-Server und pflegt die Datenbanken. Technisch gesehen verlässt sich die DVIBIB auf das digitale Rechtesystem DRM von Microsoft. Jede Datei, die auf die Computer der Bibliotheksnutzer übertragen wird, ist mit dieser Lizenz ausgestattet. Auch die Verlage vertrauen dem System, meint Divibib-Chef Behrens. Zumal die Divib weitere Sicherheitstechniken einbaut.

    "Zudem schützen wir jedes Medium mit einem digitalem Wasserzeichen, was bedeutet: Es ist immer nachvollziehbar aus welcher Ausleihtransaktion stammt dieses Medium."

    Die Audio- und Videodateien können nur mit dem Windows-Mediaplayer abgehört werden. Apple und Linux-Anwender bleiben außen vor. Deren Programme unterstützen nicht das Microsoft DRM-Lizenzsystem. Die virtuelle Bibliothek einspricht weitgehend einer klassischen Bibliothek in der realen Welt. Sind die knappen Lizenzen verliehen, kann ein anderer Kunde das Medium nur noch vorbestellen und muss warten. Je nach Lizenzvertrag können Medien auch auf mobile Geräte kopiert werden. Mit dem Ende der Ausleihfrist verfällt die Lizenz automatisch. Die Datei wird unlesbar. Zusätzliche Gebühren verlangt die Kölner Stadtbibliothek von ihren Kunden nicht.