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Aus der Dunkelheit befreit

Paläontologie/Technologie.-Nicht selten dunkelt Bernstein über die Jahre so stark ab, dass sich die Einschlüsse darin nicht mehr erkennen lassen. Für solche Probleme finden Paläontologen heutzutage Lösungsansätze bei digitalen bildgebenden Verfahren. Eines davon: Mikro-CT.

Von Caroline Ring | 25.09.2012
    "Bernstein ist im Grunde fossilisiertes Baumharz. Dieses klebrige, flüssige Baumharz ist aus dem Baum rausgekommen und diese Spinnen oder Insekten und Kleintiere haben zufällig sich in dieses Baumharz eingeklebt und sind dann für die Ewigkeit erhalten."

    Das macht Bernstein zu einem wertvollen Konservierungsmittel. Seine Einschlüsse dienen Paläontologen, die an kleinen Tieren forschen, sehr oft als Quelle neuer Objekte. Zu diesen Forschern gehört auch Jason Dunlop, der am Berliner Naturkundemuseum fossile Spinnentiere untersucht. Doch so zuverlässig das ehemalige Baumharz Urzeittiere konserviert, es gibt auch ein großes Problem bei der Sache: (0:21)

    "Der Bernstein, wenn man ihn frisch sammelt, der ist sehr klar und man sieht die Tiere sehr gut. Aber über die Jahre oder die Jahrzehnte reagiert der Bernstein mit Sauerstoff und es wird immer dunkler. Und das bedeutet, man kann das wissenschaftlich kaum mehr verwenden."

    Das einst gut sichtbare Fossil geht dann verloren: Der Bernstein wird über die Zeit dunkelorange, fast schwarz und damit undurchsichtig. Mit herkömmlichen Methoden lässt er sich dann nicht mehr untersuchen.

    "Früher musste man einfach mit dem normalen Binokularmikroskop versuchen, was man sehen konnte. Man versucht so viel Licht wie möglich rein zu schießen, damit man irgendwas sehen kann, aber bei manchen Stücken muss man einfach die Hände hochnehmen und sagen, tut uns leid, wir können hier nichts mehr machen."

    Solch einen Fall hatte auch Jason Dunlop vor sich: In einem vor 150 Jahren gesammelten Bernstein befand sich eine Spinne, deren systematische Zugehörigkeit zweifelhaft war. Frühere Bestimmungen aus Zeiten, in denen sich der Bernstein noch durchleuchten ließ, wiesen das Tier als Riesenkrabbenspinne aus.

    "Das Problem hier war, Riesenkrabbenspinnen sind sehr große Spinnen, sie sind sehr starke Spinnen, und solche Spinnen sollte man normalerweise nicht in Bernstein finden, weil sie stark genug sind, sich vom Baumharz zu befreien. Für uns war interessant, ob das tatsächlich ein Vertreter dieser Familie war oder ob das damals eine Fehlbestimmung war."

    Zu diesem Zweck holte sich der Berliner Forscher einen Kollegen aus Manchester ins Boot, der mit einem Computertomografen den Bernstein durchleuchten sollte.

    "Das funktioniert genauso wie diese Körper-Scans, die man im Krankenhaus machen kann, aber die sind natürlich größer, weil die eine ganze Person scannen müssen, die Neuentwicklung ist dieser sogenannte Mikro-CT, der kann sehr kleine Objekte untersuchen und tatsächlich immer noch sehr viele, sehr schöne Röntgenbilder machen."

    Der Computertomograf durchleuchtet das Objekt und macht dabei 1000 bis 5000 Bilder aus verschiedenen Ansichten. Daraus setzt sich letztlich ein dreidimensionales Modell zusammen, bei dem ein Computerprogramm zwischen Bernstein und Tiermaterial unterscheidet.

    "Man muss dem Computer sagen, alles, was ein bisschen dichter ist, gehört zum Tier und alles andere gehört zum Fossil des Restes Bernstein. Und dann kann man die Tiere sozusagen aus dem Bernstein elektronisch heraussezieren. Man kriegt im Grunde nur das Tier raus."

    Dank dieser Methode konnten Dunlop und seine Kollegen zeigen, dass es sich bei dem verborgenen Fossil tatsächlich um eine Riesenkrabbenspinne handelte. Eine paläontologische Erkenntnis, die nur dank des Mikro-CTs möglich war – dabei kommt diese Technik ursprünglich aus einer ganz anderen wissenschaftlichen Ecke, nämlich der Materialforschung.

    "Die haben diese Technik entwickelt, die nutzen das im Ingenieurbau, um kleine Risse in den Objekten rauszufinden, und die Paläontologie hat das dann für sich selber entdeckt und gesagt, ja ok, das könnte für uns sehr hilfreich sein, aber diese Materialforscher, die sind wirklich an der Spitze und die versuchen, ihre Technik immer selber zu verbessern und wir hoffen dann, dass das bei uns auch angewendet werden kann."

    Dann könnte Dunlop zukünftig noch kleinere Objekte untersuchen, wie winzige Milben, die in Bernstein eingeschlossen sind, oder aber besonders feine Strukturen an Spinnen.

    "Manchmal sind bestimmte kleine Knubbel oder kleine Haare von ganz großer Bedeutung, um diese Tiere zuzuordnen, und dann müssen wir schauen, können wir die auch mit dem CT sehen. Weil das Problem ist, es kann sein dass der Röntgenstrahl nicht fein genug ist, um dieses Haar zu sehen, und dann hat man ein Bild von einer sogenannten "nackten Spinne". Obwohl man weiß, dass das Tier sehr haarig war, weil die Genauigkeit nicht gut genug war, um diese ganz feinen Haare rauszukriegen."