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Aus der Nachrichtenredaktion
Warum wir nicht vom "Gute-Kita-Gesetz" sprechen

Derzeit sind sie wieder ein Thema in den Nachrichten - die Pläne von Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) für Verbesserungen bei den Kindertagesstätten. Die Ministerin spricht vom "Gute-Kita-Gesetz". Diesen PR-Begriff kann sich eine Nachrichtenredaktion nicht zu eigen machen.

Von Marco Bertolaso | 11.12.2018
    19.09.2018, Berlin: Franziska Giffey (SPD), Bundesfamilienministerin stellt bei einem Besuch der Kita "mittendrin" das Gute-KiTA vor.
    Bundesfamilienministerin Giffey ist eine starke Kommunikatorin - Nachrichtenredaktionen können aber auch von ihr PR-Begriffe nicht übernehmen (dpa / ZB / Britta Pedersen)
    Einige wichtige Gründe dafür hat mein Kollege Udo Stiehl vor kurzem veröffentlicht. Er nennt Giffey die Schöne-Worte-Ministerin. Udo Stiehl erinnert auch daran, dass die Sozialdemokratin ihre PR-Absichten bereitwillig öffentlich erläutert - zum Beispiel auf dem Bundeskongress der Pressesprecherinnen und -sprecher im September 2018. Im Bericht auf der Seite "Pressesprecher.com" heißt es:
    "Botschaften zu kommunizieren, bedarf Giffeys Erfahrungen nach einfacher, kurzer und knackiger Sätze, nach dem simplen Prinzip: Subjekt, Prädikat, Objekt. Und die Politikerin will die Empfänger der Botschaften nicht vergessen wissen. Da räumt sie auch schon mal im eigenen Ministerium auf. Den verklausulierten Begriff 'Kitaqualitätsentwicklungsgesetz' etwa lehnte sie ab und formulierte ihn kurzerhand um in 'Gute-Kita-Gesetz' - inklusive Würfel für den Schreibtisch, auf dem die Kerngedanken des Gesetzes in prägnanten Sätzen abgebildet sind. Schließlich sollen sich die Menschen ja daran erinnern."
    Geschickte Kommunikation legitim und manchmal sehr erwünscht
    Es ist selbstverständlich erlaubt, dass Politikerinnen und Politiker für aus ihrer Sicht gute Zwecke werben - oder schlicht für sich selbst. In manchen Situationen wünschen wir uns vielleicht sogar, dass dies besser gelänge. Wie könnte die Politik die Vorzüge der EU besser darstellen? Was wäre gewesen, wenn die Bundesregierung beim Thema Flüchtlinge überzeugender kommuniziert hätte? Über solche Fragen mag die eine oder der andere sinnieren.
    Für Nachrichtenredaktionen gibt es hier aber keinen Spielraum. Wir dürfen kein "Gutes-Kita-Gesetz" ungefiltert in unsere Nachrichten übernehmen, wir müssen bei "Masterplänen" wie einst bei Horst Seehofer vorsichtig sein und wir müssen genauso vorsichtig sein, wenn das PR-Ziel nicht positiv ist, sondern abwertend. Da fallen mir spontan Begriffe ein wie "Asyltourismus" oder "Passdeutsche".
    Lebendige Debatte über "Framing"
    Die gute Nachricht ist, dass über diese Form von PR, die Benutzung und Umdeutung von Begriffen, derzeit viel diskutiert wird. Das Bewusstsein dafür in der Gesellschaft wächst. Das Schlagwort heißt "Framing". Wie das funktioniert und wo die Gefahren liegen, hat die Linguistin Elisabeth Wehling schon vor einiger Zeit im Deutschlandfunk erläutert.
    Für Nachrichtenredaktionen - aber nicht nur für uns - wichtig: Manipulation über Sprache ist nichts Neues und es ist auch kein Monopol der Politik. Ob Greenpeace oder Rüstungsindustrie, ob Deutscher Gewerkschaftsbund, Katholische Bischofskonferenz oder Deutscher Fußball-Bund - alle wollen das knappe Gut unserer Aufmerksamkeit erreichen und ihre Botschaften effizient platzieren.
    Nachrichtenredaktionen - Kläranlagen für die Sprache
    Der Vergleich hört sich nicht sehr schön an - aber Nachrichtenredaktionen sind in dieser Hinsicht wie Kläranlagen. Die Sprache, die uns erreicht, ist an manchen Tagen stärker verunreinigt als der Rhein in den 1970er-Jahren.
    Die gesellschaftliche Debatte ist voller Versuche, über Wörter und Begriffe zu manipulieren, zu diskreditieren oder einfach geschickt zu lügen. Wir versuchen, die Nachrichten, die Sie erreichen, von all dem frei zu halten. Unsere Aufgabe ist, zu erklären, was hinter einem Begriff steht.