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Aus der Tierperspektive

Die Tierperspektive entstammt dem Reich der Sagen, Märchen und Kinderbücher. Schlaue Füchse, herausgeputzte Elstern, ängstliche Hasen, fiese Hyänen; das sind Zuschreibungen an die Tierwelt, die als Allegorien eine Ordnung in die Charaktervielfalt der Menschenwelt bringen sollen. Es gibt allerdings auch Autoren, die sich die Tierperspektive auf literarisch interessante Weise zunutze gemacht haben.

Von Antje Ravic Strubel | 13.12.2009
    Michael Bulgakow beispielsweise schildert in seiner bitteren Satire auf den Stalinismus das Hündische im Menschen. In der leider mittlerweile vergriffenen deutschen Ausgabe "Hundeherz" wird der Hund durch die Übertragung menschlicher Organe zum Genossen Bello und dient so als Karikatur eines Kommunisten.

    "'Bellow zeigt jetzt nur noch Reste von seinem Hundesein, verstehen Sie, und das mit den Katzen ist noch das Beste von allem, was er macht. Überlegen Sie, das Entsetzliche ist ja grade, dass er kein Hundeherz hat, sondern ein menschliches Herz. Noch dazu das schäbigste von allen, die es in der Natur gibt' ... Der Professor fasste sich als Erster, er streckte die Hand aus: 'Geben Sie mir das Papier.' Dort stand: 'Der Vorzeiger dieses, Genosse Polygraf Polygrafowitsch Bellow, ist Leiter der Unterabteilung zur Säuberung der Stadt Moskau von streunenden Tieren (Katzen usw.) bei der Stadtreinigung der Moskauer Kommunalwirtschaft.'"

    Virginia Woolf stellt den Hund in ihrer Erzählung "Flush" als Spiegel der menschlichen Seele und gesellschaftlicher Zustände dar. Ihr Cockerspaniel, der sein Leben einer kranken Dame der Londoner High Society widmet, weiß zwar, was Schicksal und Liebe sind, er ist fähig zum Mitleid und reagiert auf Kränkung und Verletzung plausibel psychologisch. Aber sein naiv-distanzierter Blick gibt Woolf auch die Möglichkeit zur handfesten Zivilisationskritik. Armut, soziale Not und fest gefügte Hierarchien in der britischen Gesellschaft des ausgehenden 19. Jahrhunderts sind für Woolf das Resultat menschlichen Versagens. Dem Menschen ging die Balance verloren zwischen dem Kreatürlichen und dem Kulturellen, zwischen Vitalität und Intellekt, und Woolf zeigt das, indem sie eins im anderen spiegelt.

    "Zum ersten Mal schaute Flush die Dame an, die auf dem Sofa lag. Beide waren überrascht. Schwere Locken hingen an Miss Barretts Gesicht herab; große helle Augen leuchteten daraus hervor; ein großer Mund lächelte. Schwere Ohren hingen zu beiden Seiten von Flushs Gesicht herab; auch seine Augen waren groß und hell; sein Mund war breit. Es bestand eine gewisse Ähnlichkeit zwischen ihnen. Während sie einander anstarrten, fanden beide: Das bin ja ich! - und dann fanden beide: doch wie anders! Ihrs war das bleiche, abgezehrte Gesicht einer Kranken, die von Luft, Licht, Freiheit abgeschnitten war. Seins war das warme frische Gesicht eines jungen Tieres; Instinkt gepaart mit Gesundheit und Lebenskraft. Entzweigebrochen, doch im selben Model gemacht, konnte es sein, dass der eine ergänzte, was im anderen schlummerte?"

    Solche Überlegungen sind dem Welpen von Kerstin Ekman völlig fremd. Die schwedische Autorin nimmt in ihrer bereits 1986 erschienen und jetzt von Hedwig Binder ins Deutsche übersetzten Erzählung "Hundeherz" eine etwas andere Perspektive ein. Ihr Hund ist kein Kommentator des menschlichen Lebens. Ihm werden keine Eigenschaften aufgebürdet, die Warnung vor unmoralischem Verhalten sein oder Auskunft geben sollen über verhasste politische Zustände. Ekmans Hund ist ein Welpe, der im Schneegestöber verloren geht. Er gehört einem Ehepaar, das in Nordschweden an der Grenze zu den norwegischen Fjälls an einem See wohnt. Als der Mann eines Tages mit dem Scooter zum Eisangeln auf den See hinaus fährt, glaubt die Hündin, er gehe jagen, und rast ihm hinterher. Einer ihrer Welpen folgt ihr unbemerkt. Er kann aber mit dem Tempo noch nicht mithalten und verliert schließlich die Spur. Nach langem Herumirren findet er sich erschöpft unter einer Fichtenwurzel wieder. Es ist März. Im Norden Schwedens herrscht Winter.

    "Wo beginnt eine Geschichte? Unter einer Fichtenwurzel vielleicht. Ja, unter einer Fichtenwurzel. Dort lag ein kleines graues Wesen. Zusammengerollt, die Schnauze unterm Schwanz. Ein Hund. Aber das wusste er nicht. Er war so klein, dass er unter der Wurzel Platz gefunden hatte. Sie umschloss ihn wie ein knorriger, brauner Arm. Aber sie wärmte nicht. Eine andere Wärme als die seines Körpers hatte er nicht. In ihm war ein Loch. Er konnte nicht denken: Wärme, Gesäuge, Zitzen, Milch. Er erinnerte sich nicht an den Bauch der Hündin und dessen lichtes weißes Fell und auch nicht an den Glanz ihrer gelben Augen, wenn sie alle saugten. Er konnte sich nicht erinnern. Es war lediglich ein großes Loch in ihm, ein Nagen, ein Hunger nach Wärme und nach diesem kräftigen Lauwarmen, das das Maul füllte, nach dem Biss der Hündin ins Nackenfell und dem Maulwinkellecken, wenn sie mit fremden Gerüchen im Fell von draußen kam. Wie war er unter die Fichte geraten? Daran erinnerte er sich nicht, und er hätte es auch nicht erzählen können."

    Die Literatur kann davon erzählen, und Kerstin Ekman, die große schwedische Autorin, erzählt die Geschichte dieses Hundes auf brillant schlichte und sehr eindringliche Weise. Ihr Welpe schlägt sich durch. Er lernt die Kraft der nördlichen Stürme kennen und den Schmerz in den Pfoten, den der Schnee nach längerem Laufen verursacht. Er verjagt eine Füchsin aus seinem Revier, die ihm das spärliche Futter streitig machen will. Er geht den großen, grauen Kolossen aus dem Weg, den Elchen, die wie er nach Nahrung unter dem Schnee wühlen. Er magert ab, frisst gefrorene Preiselbeeren, Hasenlosung, schmeckt sein eigenes Blut, bis irgendwann die Schneeschmelze einsetzt.

    "Was ihn antrieb und mächtiger war als die Angst, hatte er jetzt in seiner empfindsamen Nase, und es wurde immer stärker. Es war ein Geruch. Und kam aus dem Schnee. Und brachte ihn dazu, dass er mit den Pfoten grub und mit der Schnauze wühlte. Der Harsch war spitz, aber er drang rasch durch, und der Geruch, dieser Wohlgeruch, dieser Futtergeruch wallte auf. Während des Tauwetters hatte sich der Schnee gesetzt und zusammengeballt. Er war schwer und grau, aber der Welpe sank nicht mehr so hilflos ein wie bei seinen Gehversuchen tags zuvor. Mit Kopf und Vorderpfoten in einem Loch wühlte er den Schnee beiseite, der mit dem Sturm gekommen war. ... Er grub, bis er ganz unten war. Dort schlug er die Zähne in eine gefrorene Flanke mit rauen Haaren. Er drang durch. Futter."

    Bis zum nächsten Herbst dauert dieses Hundeleben im Wald, das Ekman in all seiner Einfachheit und Gleichförmigkeit beeindruckend vielfältig schildert. Sie ist eine Poetin der Landschaft. Aus einer ungeheuren Kenntnis der Pflanzen- und Tierwelt treibt sie scharfe, präzise Bilder hervor. Das Hundeleben erscheint reduziert auf sein bares Gerüst aus Atmen, Fressen, Schlafen und die damit verbundenen Wahrnehmungsprozesse. Und so reduziert ist auch Ekmans Sprache. In kurzen, abweisend klaren Sätzen, ganz aufs Wesentliche beschränkt, zeichnet sie die Bewegungen des Hundes durch die Natur nach, sein Atem in eisiger Kälte, später in der Frühlingsluft, sein Laufen über gefrorenen und auftauenden Boden, sein Gestöber nach Fressbarem in Schneewehen, unter Grashügeln, in Erdhaufen, in denen Wühlmäuse ihre Nester haben. Seine vergeblichen Versuche, Birkhähne zu jagen, sein freudiges Herumtollen in der Sonne, seine Todesangst, als er in eine Elchjagd gerät, in Kontakt mit anderen Hunden kommt und zusehen muss, wie ein angeschossenes Elchkalb qualvoll im See verendet.

    " Er lag so, dass er sah, wo der Elch fiel. Er roch, dass es das Elchtierkalb war. Dessen Witterung war ihm jedoch nicht ganz vertraut. Dem Tier schäumte Blut aus dem Maul. Der schwarze Hund, der den Elchhirsch verfolgt hatte, hörte auf zu bellen und suchte die junge Kuh. Als sie ihn näher kommen hörte, stand sie schwankend auf und versuchte, das Wasser zu erreichen. Aus ihren zerschossenen Lungen strömte helles Blut. Als der Hund bei ihr ankam, stürzte sie sich mit ihrem ganzen Gewicht taumelnd nach vorn. Der große Leib ging in den See. Der Schwarze bellte und tänzelte am Uferrand. Ansonsten war es still. Das Elchtierkalb lag wie ein Steinblock im Wasser. Kleine Wellen umspielten den Leib mit schimmerndem Licht und leisem Platschen."

    Was den Welpen immer wieder in Bewegung setzt und rettet, ist fast ausschließlich der Hunger, der Spuren hinterlässt im Schnee, später im Schlamm, im Moos.

    Diese Spuren und die Markierungen an Bäumen und Erdhügeln sind das Einzige, was dem jungen Hund die eigene Existenz ins Gedächtnis zurückruft. Wenn er erneut auf die eigene Markierung trifft, erscheint ihm die Gegend vertraut, das Alleinsein weniger übermächtig. Der junge Hund hat keine Erinnerung, sein Ziel ist der Moment. Er lernt, indem er Fehler vermeidet, Erfolge wiederholt, sich anpasst. Er weiß nicht, von welchem Hof er stammt, dass er überhaupt von einem Hof stammt, also weiß er auch nichts davon, dass er eines Tages zurückfinden könnte. Einzig bei bestimmten Gerüchen und Geräuschen überkommt ihn ein vages Wohlgefühl.

    Je tiefer man in den fast meditativen Sprachklang Ekmans hineintreibt, umso mehr verschwindet der Unterschied zwischen Hund und Mensch. Es ist irrelevant, dass hier ein Hund beschrieben wird. Weder begreift Ekman sich als Hundeversteherin, noch erfindet sie sich eine Tiersicht zurecht, um eine fiktionale Folie für eine allzu menschliche Geschichte zu haben. Sie weiß um den unüberbrückbaren Abstand zum Tier und kann ihn vielleicht deshalb in einer schwebenden Zwischenperspektive momentelang unsichtbar machen. Sie kommt dem Tier so nah wie möglich, ohne den immer vergeblichen Versuch, sich ihm anzuverwandeln. Dabei versteht sie es, Bekanntes zugleich unbekannt zu schildern; sie ist sehr nah an den Wahrnehmungsmöglichkeiten des Hundes, den Gerüchen, den Geräuschen, da der Welpe Gegenstände wie ein Lederhalfter oder einen rostigen Eimer nicht mit menschlicher Begrifflichkeit belegt. Mithilfe des Geruchs-und Geschmackssinnes teilt er sie in brauchbar oder nutzlos ein. So entsteht beim Lesen eine leichte Wahrnehmungsverschiebung, eine Irritation. Wenn die Begrifflichkeiten fehlen, setzt sich die Wirklichkeit aus anderen Kriterien zusammen und wird so eine andere Wirklichkeit. Hier wird nicht zuletzt eine populäre Forderung aus den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts deutlich: dass Literatur vor allem eine eigene Wirklichkeit erschafft. Und da Ekman die dem Hund fehlende Kenntnis ganz unaufdringlich erzählerisch ausgleicht, entsteht tatsächlich eine rein literarische Perspektive, eine veränderte Welt; frei von Psychologie. Nicht ganz Hund und auch nicht mehr Mensch.

    "Er kam an einen Ort, den er kannte. Es war nicht nur eine der unzähligen Stellen, an denen er die Witterung jenes rastlosen Schattenwanderers kreuzte, der ihm überall begegnete: seine eigenen Spuren. Die Silhouette des grauen Gebäudes hatte auch etwas Vertrautes. Er ging hin und roch seinen eigenen Urin am Holz der Tür.

    Die Tür zum Sommerstall war morsch geworden und hatte sich aus den Angeln gelöst; sie lehnte so am Eingang, dass unten eine breitere Lücke war. Er schnüffelte lange, bevor er es wagte, sich hindurchzudrücken. Ein herber und vielschichtiger fremder Geruch verwirrte ihn. Drinnen sah er fast nichts. Er nieste vom Staub, als er mit der Nase große Bretter absuchte. An der Wand hing etwas, und er kaute daran. Es war hart, wurde nassgekaut zäh, und sein Geschmack füllte die Maulhöhle. Er schluckte ein Stück, das er abgerissen hatte, aber davon wurden seine Magenschmerzen nur noch schlimmer. Als er gegen einen rostigen Eimer stieß, fuhr ihm der Schreck durch alle Glieder, er ließ das Lederhalfter los, rannte zum Eingang und drückte sich hinaus."

    "Hundeherz" ist eine Erzählung über existenzielles Ausgeliefertsein. So wie der Welpe allein sich selbst und den Kräften der Natur ausgeliefert ist, so wie der Welpe nichts von seiner Herkunft oder seiner Bestimmung weiß, so ließe sich auch das Wesentliche der menschlichen Existenz begreifen. Sie wird erfahrbar höchstens im subjektiven Erleben, bleibt im Sinne der Erkenntnis einer objektiven Realität jedoch unergründlich.

    "Die Existenz ist nichts, was man aus der Entfernung denken kann, das muss dich plötzlich überfluten", wie Jean-Paul Sartre sagte.

    Ekman allerdings billigt dieses Überflutet-Werden nicht nur dem Menschen zu, wie es der Grundgedanke des philosophischen Existenzialismus will. Nicht nur der Mensch findet sich in einer grundsätzlichen Ungeborgenheit wieder als Kern seines Daseins. Ekman beschreibt dieses Dasein am Beispiel des Hundes als immerwährendes Kreisen, angetrieben von Angst und Hunger, ein fortlaufendes In-Bewegung-Sein, dessen Sinn unverstanden bleibt.

    Indem sie dem Welpen auf seinen sich ähnelnden Streifzügen durch den Wald hinunter zum See und hinauf zum Kahlschlag folgt, ihn in seinen sich gleichenden Verrichtungen betrachtet, indem sie den Geräuschen und Gerüchen des Windes, dem Klang der Schatten, der Hitze im Fell folgt, fragt sie, was das Dasein jenseits des Ich-Bewußtseins ausmacht. Gewöhnlich wird die Erinnerung für die Konstituierung eines Ich verantwortlich gemacht. Was geschieht jedoch, wenn die Erinnerungen, wie die des Hundes, rein körperliche sind? Wenn man ohne einen existenziellen Entwurf, also ohne die Täuschung durch Gedanken, Wünsche und Hoffnungen auskommen muss; was existiert dann noch und wodurch existiert es? Ekmans literarische Antwort ist bei größtmöglicher Tiefe sehr klar.

    "Alles, was geschieht, ist in ihm. Es ist bereits geschehen. Alles, was geschieht, spielt mit ihm. Er weiß. Es lebt auf, zuckt wie ein Flügel in dunkler Nacht, legt sich wieder zur Ruhe. Es schießt sich um bereits gelebtes Leben. Erinnerung und Vergessen sind aus derselben Schlammmasse. Sie wirbelt auf - er erkennt etwas wieder. Sie setzt sich - er vergisst und weiß. Er ist nur die harte Maske über einer spielenden Erinnerung, einem Vergessen, das ruht. ... Bruchstücke von Lautbildern fügen sich zu dem Wissen, das sich in seinem Inneren verbirgt. Er hat ein Inneres. Das ist seine Sonne. ... Er bewegt sich mit ihr. Selbst in dunkler Nacht ist sie da. Sie ist es, die ihn aufs Moor hinausschickt und die ihn im Morgenfrost dahintrotten und finden lässt, was er braucht."

    Ekmans Schilderungen strahlen die Ruhe einer Zen-Meditation aus. Ihre Erzählung "Hundeherz" erinnert auch an einen der zentralen Gedanken dieser Lehre: dass in der Nichtigkeit eines jeden Lebewesens die Gesamtheit des Universums enthalten ist. Jedes Ding, jedes Wesen hat seine Sonne, auch die Pflanzen, die den Hund umgeben, streben dorthin. Die Beschau der Natur des nördlichen Schweden mit seinen riesigen Kiefernwäldern unter den Läufen des Hundes wird im buddhistischen Sinne zur Anschauung der eigenen Natur. Und diese eigene Natur stellt sich als ein In-die-Welt-Geworfensein dar, das Ekman im Tun des Hundes spiegelt, das keinen Sinn braucht, sondern bestenfalls einen Zweck erfüllt. Fast programmatisch beginnt das Buch mit der Frage, wie ein Ereignis beginne. Und die Erzählerin stellt fest, dass es nie beginne und demzufolge auch nicht ende. Es gebe nur das gegenwärtige Geschehen.

    "Wann beginnt ein Ereignis? Es beginnt nicht. Irgendetwas geht immer voraus. Es beginnt, wie der Bach im Rinnsal beginnt und wie das Rinnsal im sickernden Wasser des Moors. Der Regen bringt das Moorwasser zum Steigen."

    Kerstin Ekman, die dem Wald mit ihrem großen literaturgeschichtlichen und kulturhistorischen Lang-Essay "Der Wald. Eine literarische Wanderung" ein Denkmal setzte, dürfte mit der schwedischen Eigenart vertraut sein, die Natur als quasireligiöse Erscheinung zu begreifen. Sehnsucht nach dem natürlichen Leben, gelebt in schwedischen Sommerhäusern ohne Strom und Klo, der Glaube an die Natur als Erlösung von den Zwängen der Zivilisation sind Teil des schwedischen Nationalverständnisses. Vor einem Rückzug ins Religiöse schützen Ekman die Sprachkraft und ihre präzisen Beobachtungen. Vor einer Romantisierung der Natur muss sie sich nicht schützen. Sie hält "Natur" nur noch für ein Trostwort des säkularisierten Menschen, der erfasst hat, dass sein Anspruch an Energie und Raum nicht rechtmäßig und außerdem katastrophal sei.

    Wenn sie in ihrer ruhigen Erzählung über den verlorenen Welpen, der am Ende von seinem Herrn gefunden wird, aber dennoch unzugehörig bleibt, überhaupt an irgendeiner Stelle Gefahr läuft, die Natur zu romantisieren, dann nur, indem sie sie zum Garanten eines Selbstvergessens macht, das schließlich im Leser einen starken Widerhall findet.

    Kerstin Ekman: Hundeherz.
    Piper Verlag, 128 Seiten, 14,95 Euro