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Aus Erbfeindschaft wird Freundschaft

50 Jahre nach seiner Unterzeichnung darf der deutsch-französische Freundschaftsvertrag als wegweisende Einigung und Grundstein für ein vereintes Europa gelten. Doch in den ersten Monaten danach erwies sich die Einigung als nicht ganz komplikationslos.

Von Peter Hölzle | 22.01.2013
    "Und nun sind wir hier im goldverzierten, lüsterbehängten Salon Murat im Elysée ... in der Mitte lässt sich nun Staatspräsident de Gaulle nieder, zu seiner Rechten Bundeskanzler Dr. Adenauer, ... jeder ... unterzeichnet dieses Dokument ..."

    "Nun erhebt sich de Gaulle als Erster."

    "C'est d'un cœur et d'un esprit profondément satisfait."

    "Und er sagt: 'Das ist aus ... tief zufriedenem Herzen und Geiste ... '

    " … viens de signer avec le chancelier"

    " …dass ich mit dem deutschen Bundeskanzler ... dieses Dokument unterzeichnet habe."

    Zum erhebenden Augenblick der Unterzeichnung des deutsch-französischen Freundschaftsvertrages am 22. Januar 1963 fand der damalige ARD-Korrespondent Georg Stefan Troller feierliche Worte. Und damit die Westdeutschen die Tragweite dessen, was sich da gerade in Paris abgespielt hatte, auch wirklich begriffen, trat Bundeskanzler Adenauer unmittelbar nach seiner Rückkehr aus Paris vor die Mikrofone:

    "Ich bin fest davon überzeugt, dass dieser Vertrag später einmal von der Geschichtsschreibung als einer der wichtigsten und wertvollsten Vertragswerke der Nachkriegszeit bezeichnet werden wird."

    Um diese Superlative zu verdienen, hätte der Vertrag mehr sein müssen als ein Besuchskalender, der die Staats- und Regierungschefs beider Länder, ihre Außen- und Verteidigungsminister sowie die für Erziehungs- und Kulturfragen zuständigen Ressortchefs zu regelmäßigem Gedankenaustausch und im Fall wichtiger außenpolitischer Entscheidungen zu gegenseitigen Konsultationen zwingt. Er hätte auch mehr bringen müssen als ein Deutsch-Französisches Jugendwerk und eine Liste von Kooperationsversprechen, von denen nicht wenige noch immer auf Einlösung warten.

    Davon abgesehen verbanden beide Seiten mit dem Freundschaftsvertrag gänzlich unterschiedliche Erwartungen. Für Adenauer war er die Krönung seines Aussöhnungsstrebens mit dem westlichen Nachbarn. De Gaulle hingegen wollte mit ihm seinen Führungsanspruch in Westeuropa stärken, das der General mit deutscher Hilfe als unabhängige dritte Kraft zwischen dem sowjetischen und dem US-amerikanischen Machtblock aufzustellen gedachte. Diese Politik zielte indirekt auf eine Schwächung des amerikanischen Einflusses ab, womit sich die Bundesrepublik nicht anfreunden konnte. Deshalb stellte der Bundestag dem Vertrag eine Präambel voran, die bekundet,

    "… die großen Ziele zu fördern, die die Bundesrepublik ... seit Jahren anstrebt und die ihre Politik bestimmen, ... insbesondere eine enge Partnerschaft zwischen Europa und den Vereinigten Staaten ... , die gemeinsame Verteidigung im Rahmen des nordatlantischen Bündnisses ..., die Einigung Europas ... unter Einbeziehung Großbritanniens ... "

    Diese Töne liefen den Absichten de Gaulles völlig zuwider - schließlich hatte er wenige Tage vor der Unterzeichnung des Freundschaftsvertrages sein Veto gegen Großbritanniens Eintritt in die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft eingelegt. Die Präambel - de Gaulle nannte sie "eine persönliche Beleidigung" - bedeutete für ihn eine Abwertung des Vertrages. Entsprechend reagierte er auf einer Pressekonferenz am 23. Juli 1964.

    "Nach etwa 18 Monaten der Praxis kann man nicht sagen, dass der deutsch-französische Vertrag, abgesehen von gewissen Teilergebnissen auf bestimmten Gebieten, zu einer gemeinsamen Politik geführt hat."
    50 Jahre später fällt die Bilanz positiver aus. Zwar war das deutsch-französische Verhältnis immer wieder Belastungen ausgesetzt, die mitunter zu schweren Krisen führten. Erinnert sei hier nur an den Widerstand, den Frankreichs Präsident Mitterrand der deutschen Wiedervereinigung entgegensetzte. Aber dank dem Konsultationsmechanismus des Freundschaftsvertrages waren die Nachbarn auch in Zeiten, in denen sie sich nur wenig zu sagen hatten, gezwungen miteinander zu reden. Dieser Zwang war oft heilsam und wird es auch in Zukunft bleiben, schließlich wissen beide Regierungen aus der Geschichte, dass es zu dieser Freundschaft keine Alternative gibt.


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