Donnerstag, 25. April 2024

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Aus Liebe zum Leben

Manche hören sie in ihrer Kindheit schon ganz deutlich: die inneren Stimme, die keinen Zweifel über den Platz im Leben zulässt. Doch dann gibt die väterliche Firma den Lebensplan vor, verlangen politischen Verhältnisse oder gesundheitliche Krisen eine andere Entscheidung.

Von Barbara Leitner | 30.03.2013
    Aber die innere Suche geht weiter: manche verlassen ihr vertrautes Lebensumfeld, wandern aus, entdecken das Tanzen, das Unterrichten oder das Heilen und werden durch den Bruch mit dem Gewohnten plötzlich unabhängig vom Urteil anderer, das sie anfangs geleitet, später gelähmt hat.

    Die Zeit vergeht wie im Fluge durch diesen Einklang mit sich selbst. Doch manchem erscheint die Botschaft der Seele verschlüsselt. Wie gelingt es, "sich neuen Räumen jung entgegen (zu) senden"(Hesse)? Was ist der Preis für diese Freiheit? Die Lange Nacht spürt in Originalton-Geschichten solchen Lebenswegen nach.

    Regie: Rita Höhne
    DLF 2007


    "Wenn ich tanzen darf, dann merke ich, dass ich alles bin und sein kann und auch ausdrücken kann."
    Britta Wessel

    "Mit Klängen zu arbeiten, zur Beruhigung der Menschen beitragen zu können, dass die loslassen können, dass die befreiter atmen und sterben können, dass ist eine Arbeit, die sehr beseelt, die eigentlich der größte Lohn ist, den man sich wünschen kann für das, was man tut ... Und es war häufig so in dem Moment, wenn ich die begleitet habe, wenn die im Sterben lagen, und ich mit denen gearbeitet habe, das war wie eine Stimme, die sagte, das ist deine Arbeit und das kann ich auch nicht erklären. Das kann ich genau so wenig erklären, wie warum ich Gitarre spielen wollte."
    Werner Worschech

    "Wir haben nur dieses eine Leben. Ich glaube nicht an die Wiederkunft, und es ist ein Geschenk, und wir können es gestalten und vielen Menschen die Möglichkeit zu geben, dieses Leben zu leben und es zu gestalten, das finde ich sehr wichtig: Aus Liebe zum Leben. Dass Leben gelingt - meines und das von anderen. Und meins für mich gelingt mir nur, wenn ich sehe, dass ich auch anderen helfen kann, dass ihr Leben gelingt."
    Schwester Lea Ackermann

    Pater Georg Sporschill

    "Ich denke, der Ruf, meine Energie, mich für Menschenrechte einzusetzen, kommt daher, dass ich mich im Studium sehr stark mit der Rolle einer Frau in Deutschland auseinander gesetzt habe. "
    Barbara Lochbihler

    "Eine Professur - da ist ja dieser wunderbare Terminus schon drin und ich muss sagen, ich habe es immer so empfunden, dass es eine Auszeichnung ist, eine große Chance, etwas zu machen, was ich wirklich liebe."
    Inge Stephan
    "Wenn man so einen starken Ruf spürt, dann muss man ihm folgen. Ob man Mann oder Frau ist, aber man muss natürlich wissen, was das bedeutet. "

    "Das mit der Berufung. Das ist den Menschen nicht so bewusst, dass es so etwas gibt ... Insofern ist es sinnvoll von der Wortbedeutung auszugehen, wo vor allem im Englischen Vocation deutlich wird, wo das lateinische Wort vocare, rufen drin steckt, dass es eben ein innerer Ruf, eine innere Stimme ist, was manche Menschen spüren."
    Hans Christian Schrader
    "Wenn man häufig Biografien überblickt, gibt es so einen roten Faden, der dazu führt, dass man seine eigentliche Berufung dann entdeckt."

    "Worauf warten wir, Männer, worauf am Ende?
    Wir haben ein Herz, und wir haben Hände!"
    Pablo Neruda, Glanz und Tode des Joaquin Murieta

    "Und so lange du das nicht hast,
    dieses Stirb und Werde,
    bist du nur ein trüber Gast
    auf der dunklen Erde."
    Goethe, Divan, Buch des Sängers, Selige Sehnsucht

    Khalil Gibran: Der Prophet

    "Dann sagte ein Landmann: Sprich uns von der Arbeit.
    Und er antwortete und sagte:
    Ihr arbeitet, um mit der Erde und der Seele der Erde Schritt zu halten ...
    Wenn ihr arbeitet, seid ihr eine Flöte, durch deren Herz sich das Flüstern der Stunden in Musik verwandelt.
    Wer von euch wäre gern ein Rohr, stumm und still, wenn alles andere im Einklang singt?
    Es ist euch immer gesagt worden, Arbeit sei ein Fluch und Mühsal ein Unglück.
    Aber ich sage euch, wenn ihr arbeitet, erfüllt ihr einen Teil des umfassendsten Traums der Erde, der euch bei der Geburt dieses Traums zugeteilt worden ist.
    Und wenn ihr Mühsal auf euch nehmt, liebt ihr das Leben wahrhaft,
    Und das Leben durch Mühsal zu lieben, heißt mit dem innersten Geheimnis des Lebens vertraut zu sein ...
    Es ist euch auch gesagt worden, das Leben sei Dunkelheit, und in eurer Erschöpfung gebt ihr wieder, was die Erschöpften sagten.
    Und ich sage, das Leben ist in der Tat Dunkelheit, wenn der Trieb fehlt,
    Und aller Trieb ist blind, wenn das Wissen fehlt.
    Und alles Wissen ist vergeblich, wenn die Arbeit fehlt,
    Und alle Arbeit ist leer, wenn die Liebe fehlt;
    Und wenn ihr mit Liebe arbeitet, bindet ihr euch an euch selber und an einander und an Gott.
    Und was heißt, mit Liebe arbeiten?
    Es heißt, das Tuch mit Fäden weben, die aus euren Herzen gezogen sind, als solle euer Geliebter dieses Tuch tragen.
    Es heißt, ein Haus aus Zuneigung bauen, als solle eure Geliebte in dem Haus wohnen.
    Es heißt, den Samen mit Zärtlichkeit säen und die Ernte mit Freude einbringen, als solle euer Geliebter die Frucht essen ... .
    Oft habe ich euch sagen hören, als sprächet ihr im Schlaf: "Der mit Marmor arbeitet und im Stein die Gestalt seiner Seele wieder findet, ist edler als der, der den Boden pflügt.
    Und der den Regenbogen ergreift, um ihn auf einer Leinwand zum Ebenbild des Menschen zu machen, ist mehr als der, der die Sandalen für unsere Füße macht."
    Aber ich sage nicht im Schlaf, sondern in der Überwachheit der Mittagsstunde, dass der Wind zu riesigen Eichen nicht süßer spricht als zum geringsten aller Grashalme.
    Und der allein ist groß, der die Stimme des Windes in ein Lied verwandelt, das durch seine Liebe noch süßer wird.
    Arbeit ist sichtbar gemachte Liebe.
    Und wenn ihr nicht mit Liebe, sondern nur mit Widerwillen arbeiten könnt, lasst besser eure Arbeit und setzt euch ans Tor des Tempels und nehmt Almosen von denen, die mit Freude arbeiten.
    Denn wenn ihr mit Gleichgültigkeit Brot backt, backt ihr ein bitteres Brot, das nicht einmal den Hunger des Menschen stillt.
    Und wenn ihr die Trauben mit Widerwillen keltert, träufelt eure Abneigung ein Gift in den Wein.
    Und auch wenn ihr wie Engel singt und das Singen nicht liebt, macht ihr die Ohren des Menschen taub für die Stimmen des Tages und die Stimmen der Nacht ...

    Was ist der Löwe von Beruf?

    Was ist der Löwe von Beruf?
    Löwe ist er. Löwe!
    Der Fuchs ist Fuchs, das ist genug.
    Die Möwe ist Möwe."

    Josef Guggenmos
    "Was ist der Mensch? Fabrikarbeiter,
    Schüler, Chefarzt, Fahrer.
    Was du auch seist - im Hauptberuf
    sei Mensch, ein ganzer, ein wahrer."

    Literaturtipps:

    Lea Ackermann mit Cornelia Filter:
    Um Gottes willen, Lea!
    Mein Einsatz für Frauen in Not.
    Herder 2005
    Diktatoren verwiesen sie des Landes. Menschenhändler fürchten sie. Gefahren hat sie nie gescheut. "Um Gottes willen, Lea!" Schon als kleines Mädchen im Saarland bekam sie das zu hören, wenn sie mal wieder ihren Kopf durchsetzen wollte. Die Ordensfrau Lea Ackermann ist auch heute noch mit Ende 60 eine Unbrave: vor allem, wenn es um entrechtete Frauen geht. Die nennen diese "Schwester Courage" zärtlich "Mama Lea". Seit 20 Jahren kämpft sie mit ihrer 1985 in Kenia gegründeten Organisation "Solwodi" gegen Armutsprostitution und Frauenhandel. Jetzt erzählt sie erstmals ihr abenteuerliches Leben.

    Lea Ackermann/ Fritz Köster
    Über Gott und die Welt.
    Gespräche am Küchentisch.
    Kösel 2007
    Lea Ackermann, die couragierte und furchtlose Ordensfrau, spricht mit Pater Fritz Köster, ihrem langjährigen Gefährten, über das, was unser Leben trägt: Woher nehme ich meine Motivation, wenn es dunkel wird? Wie erfahre ich Kraft und Ermutigung im alltäglichen Lebenskampf? Die pointierten Dialoge über Lebensorientierung und seelische Heimat, die spannenden Auseinandersetzungen mit der Kirche scheuen vor Konflikten nicht zurück. Humor und Leidenschaft zeichnen dieses Buch ebenso aus wie erfrischende Direktheit. Immer geht es darum, Glauben und Religion mit normalen Alltagserfahrungen zu konfrontieren. Lea Ackermann und Fritz Köster legen ein Zeugnis ab: Aus dem Glauben heraus lässt es sich gut leben und tiefe Freude erfahren, ohne dabei das Engagement für andere zu vergessen.

    Hans Jecklin/Martina Köhler
    Wirtschaften wozu?
    Abschied vom Mangel
    Edition Spuren, 2003

    Pascal Mercier
    Nachtzug nach Lissabon
    btb Verlag in der Verlagsgruppe Random House GmbH
    München 2006
    Mitten im Unterricht verlässt ein Lehrer seine Schule und macht sich auf den Weg nach Lissabon, um den Spuren eines geheimnisvollen Autors zu folgen. Immer tiefer zieht es ihn in dessen Aufzeichnungen und Reflexionen, immer mehr Menschen lernt er kennen, die von diesem Mann, den ein dunkles Geheimnis umgibt, zutiefst beeindruckt waren. Eine wundervolle Reise, die vergeblich sein muss und deren Bedrohungen der Reisende nicht gewachsen ist. Endlich kann er wieder fühlen, endlich hat er von seinem Leben zwischen Büchern aufgeblickt, aber was er sieht, könnte ihn das Leben kosten ...

    Dorothee Sölle
    Gewöhnen will ich mich nicht
    Herder spektrum. 2005
    Leben ist mehr als Routine und Hektik und Sich-Arrangieren. Was schenkt Ruhe und Gelassenheit, was beflügelt und bringt voran? Eine neue, kongeniale Auswahl engagierter Texte und Gedichte der großen spirituellen Schriftstellerin Dorothee Sölle.

    Sobonfu E. Somè
    Die Gabe des Glücks
    Westafrikanische Rituale für anderes Miteinander
    Orlanda Frauenverlag 2007
    In diesem Buch geht es ebenso um das Glück als Paar wie um das spirituelle Wissen um Glück. Sobonfu Somé Hüterin des Rituals der Dagara in Burkina Faso vermittelt ein Konzept von Beziehungen, das in der westlichen Welt weitgehend unbekannt ist. Liebesbeziehungen, Familienbande oder Freundschaften sind hier eng mit dem Gemeinschaftsleben verwoben. Die Gemeinschaft hat das Wohlergehen jeder und jedes Einzelnen im Blick und wesentliche Aspekte des Zusammenlebens sind in Rituale eingebunden. In der überarbeiteten Neuausgabe dieses erfolgreichen spirituellen Ratgebers (10.000 verkaufte Exemplare) beschäftigt sich Sobonfu Somé noch eingehender mit dem Thema des Scheiterns von Beziehungen. Außerdem berichtet sie von Menschen überall auf der Welt, denen es gelungen ist, neue Formen von Gemeinschaft zu entwickeln und die spirituelle Dimension ihrer Beziehungen zu leben.

    Georg Sporschill
    Die zweite Meile
    Ein Leben mit Hoffnungskindern
    Verlag Carl Ueberreuter, 2006

    Angelika Gulder
    Finde den Job, der dich glücklich macht
    Von der Berufung zum Beruf
    Campus 2007

    Die Autorin: Barbara Leitner