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Aus Schwarz mach Grün

Am ersten November geht der Vorsitz des Bundesrats erstmals an einen Politiker der Grünen - an Winfried Kretschmann. Vorgänger Horst Seehofer (CSU) mag seinen Nachfolger. Und auch Kretschmann findet nur lobende Worte für seinen Duz-Freund "Horscht".

Von Lisa Weiß | 04.10.2012
    "Ich freu’ mich zuerst, dass der Präsident des Bundesrates und Ministerpräsident des Freistaates Bayern hier zu uns kommt. Und deshalb gibt’s jetzt einen hoffentlich lauten, einen donnernden Applaus. Herzlich willkommen, Horst Seehofer und wir begrüßen herzlich den Ministerpräsidenten des Landes Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann."

    Winfried Kretschmann, der Grüne, wird bejubelt wie ein Popstar. Hausherr Seehofer erntet nur ein müdes Klatschen. Kurz wirkt sein Lächeln angestrengt - die Schlüsselübergabe hätte für den CSU-Politiker nicht schlechter anfangen können. Aber schnell fängt sich Seehofer wieder. Gibt den Charmeur, bringt das Publikum im Zelt des Bundesrates, das nicht einmal halb so groß ist, wie das der bayerischen Staatsregierung - auf seine Seite:

    "Die Baden-Württemberger sagen ja, wir können alles außer Hochdeutsch. Des ist euer Werbespruch. Und ich sag’: Die Bayern können alles. Auch Hochdeutsch."

    Kretschmann lässt sich das gefallen, frotzelt zurück. Das Publikum ist begeistert - der gemeinsame Auftritt der beiden ist bühnenreif. Dabei geht es eigentlich um Politik, um Länderinteressen. Aber selbst hier sind der Schwarze und der Grüne auf einer Wellenlänge, sagt Seehofer.

    "In den wichtigen Momenten, Herr Ministerpräsident, ich glaub’, das darf ich jetzt sagen, ohne dass wir zu viel schmusen miteinander, haben wir in vielen Punkten eine einheitliche Meinung gehabt. Und wenn der Süden zusammenhält, dann hat er eine Kraft. Und die Kraft braucht man gegenüber der Bundeskanzlerin. Denn die ist stark."

    Zum Beispiel bei der Energiewende. Nicht nur Kretschmann, sondern auch Seehofer war ganz vorn dabei, als es darum ging, die CDU-Kanzlerin zum schnelleren Atomausstieg zu bewegen. Ausgerechnet beim Atomausstieg, einst ein dezidiert grünes Thema, das werden die bayerischen Grünen nicht müde zu betonen. Kretschmann weist nicht darauf hin, ihm ist das Ergebnis wichtiger.

    "Wir haben natürlich wirklich schon sehr starke gemeinsame Interessen jetzt bei dem ganz großen Vorhaben der Energiewende, ja wir sind zwei Länder, die die Windkraft ausbauen wollen. Und da stehen wir natürlich zusammen, wir vertragen uns in den wichtigen Dingen und in den unwichtigen streite ma."

    Das war nicht immer so. Noch bevor Kretschmann richtig im Amt war, kündigte Seehofer die sogenannte Südschiene auf, die Zusammenarbeit der südlichen Bundesländer. Aber inzwischen hat Seehofer verstanden, dass Kretschmann eigentlich auch ein Konservativer ist. Einer, der Schwarz-Grün für möglich hält. Auch wenn der Ton in letzter Zeit wieder schärfer geworden ist, wegen des bayerischen Landtagswahlkampfes - Seehofer und Kretschmann haben sich schätzen gelernt. Sie sind sogar per du, wie sich bei der Geschenkübergabe auf dem Podium zeigt:

    "Also, lieber Horscht. Wir sind ja, wie gesagt, das Land der Bastler und Tüftler, jetzt kriegst du einen richtigen guten Bosch-Akkuschrauber. Aber es isch drauf a Korkenzieher."

    Geschenke gibt’s bei jedem Wechsel an der Spitze des Bundesrates, das hat Tradition. Und so zieht auch Seehofer einen prall gefüllten Bayern-Rucksack hervor:

    "...des ist auf jeden Fall teurer, da sehn’s wieder, warum die da und dort besser sind. Weil sie geiziger sind."

    Dabei ist eine gewisse Sparsamkeit beiden Bundesländern eigen – jedenfalls wenn es um den Länderfinanzausgleich geht. Weder Bayern noch Baden-Württemberg wollen weiterhin so viel Geld wie bisher an die ärmeren Länder zahlen. Auch darin sind sich der schwarze und der grüne Regierungschef einig. Der Unterschied liegt nur im Detail: Seehofer will klagen, Kretschmann lieber noch nicht. Aber: Der politische Druck, weniger zu zahlen, ist in beiden Bundesländern groß. Auch deshalb arbeiten Seehofer und Kretschmann im Bundesrat häufig zusammen, am ersten November geht der Vorsitz vom einen auf den anderen über. Selbst da findet der designierte Nachfolger Kretschmann nur lobende Worte für seinen schwarzen Vorgänger.

    "Der macht des schon wirklich gut, sehr sympathisch, steht für sein Land hin, stellt es wirklich sehr positiv dar, werde ich auch machen, sicher etwas anders, ja wir wollen uns ja nicht imitieren oder übertrumpfen."

    Und Seehofer scheint umgekehrt nicht besonders traurig, das Amt abzugeben – obwohl es zum ersten Mal an einen Grünen geht:

    "Ach, des war jetzt schon ein Amt, das viel abverlangt hat. Auslandsreisen, Vertretung des Bundespräsidenten, Bundesratssitzungen und ähnliche Dinge. Zu meinen Aufgaben als Parteivorsitzender und Ministerpräsident hinzu. War schon anspruchsvoll."

    Und so hat Horst Seehofer nur einen einzigen Tipp für seinen Nachfolger.

    "Dass er so bleibt wie er ist. - Sie mögen ihn? – ich mag ihn, ja."