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Ausbeutung statt Wohlstand

Laut EU-Bestimmungen von 2006 zum Bio-Sprit soll der Anteil erneuerbarer Energien im Verkehrssektor bis 2020 auf zehn Prozent steigen. Gefördert wird dabei auch Agro-Sprit, der unter anderem aus Öl-Palmen gewonnen wird. In Indonesien zeigen sich die humanitären und ökologischen Folgen dieser Politik.

Von Michael Castritius | 11.09.2013
    Mit Strandidylle haben diese Palmen nichts gemein: Endlose Reihen der immer gleichen Pflanzen erstrecken sich kilometerweit, dazwischen wächst nichts anderes mehr. Wo sich zuvor Äcker, Weiden und Regenwald abwechselten, bedrückt die Monotonie einer Monokultur - nichts als Öl-Palmen.

    Marianne Klute von der Menschenrechtsorganisation "Watch Indonesia" hat 15 Jahre in Indonesien gelebt und die Veränderung mit ansehen müssen.

    "In diesem Zeitraum habe ich erlebt, wie Sumatras Tiefland-Regenwald komplett verschwunden ist, zum allergrößten Teil durch Ölpalmen-Plantagen. Mit dramatischen Folgen für die Umwelt, mit allen möglichen Auswirkungen: Veränderung des lokalen Wetters, dadurch der Vorhersagbarkeit von Anbau für Reis usw. Also es wird heißer, es gibt Dürren, es gibt Überschwemmungen, der Wasserkreislauf ist ruiniert, man hat keinen Zugang zu Trinkwasser mehr."

    Diese Entwicklung begann bereits in den Achtziger Jahren mit den ersten Ölpalmen-Plantagen, die zunächst für die Lebensmittel- und die Kosmetikindustrie angepflanzt wurden.

    Mit der Entwicklung von Agro-Sprit, und vor allem mit der EU-Entscheidung von 2006 beschleunigte sich die Entwicklung dramatisch: Die Anbaufläche vergrößerte sich von fünf Millionen Hektar auf 12 Millionen.

    "Der Sinn der Erneuerbaren-Energie-Politik vor sieben Jahren war ja, klimapolitisch etwas zu bewirken und das hat enorme Auswirkungen auf Indonesien gehabt. Die indonesische Politik, die Landnutzungsplanung, hat plötzlich entschieden, enorm zu expandieren in Erwartung eines sicheren Marktes. Wenn jetzt die EU entscheidet, diese Quote zu deckeln, dann ist das ein deutliches Signal, dass dieser Markt zumindest begrenzt ist, dass die indonesische Politik und die Planung umdenken müssen."

    Die Vorlage der EU-Kommission sieht vor, dass nur noch höchstens 5 Prozent des Gesamtkraftstoff-Verbrauchs aus Agrar-Produkten stammen sollen, der Umweltausschuss erhöhte auf 5,5 Prozent, die Ausschüsse für Industrie und Verkehr beharren auf 6,5 Prozent - es wird gefeilscht vor der Abstimmung im Plenum.

    Hatte man doch einst erwartet, die steigende Nachfrage nach pflanzlichen Ölen wie von der Palme würde Ländern wie Indonesien wirtschaftliche Entwicklung und mehr Wohlstand bringen. Dem aber widerspricht Bondan Andriyanu von der Umweltorganisation "Sawit Watch" energisch, der auf Einladung von Oxfam in Berlin informierte:

    "Die positiven Folgen, die man von solch einer Nachfrage erwarten könnte, die kommen bei den normalen Leuten gar nicht an. Es profitieren nur die großen Unternehmen. Indonesisches Land wird ausgebeutet für den Bedarf von Konsumenten ganz woanders. Wenn diese Expansion so weiter geht, könnte Indonesien irgendwann so aussehen wie Afrika: mit Halbwüsten und Savannen. Und damit wäre unser so großes Land nicht überlebensfähig."

    Dabei hatten sich manche indonesischen Bauern und Landarbeiter zunächst über den Boom gefreut, erzählt die Menschenrechtlerin Adriana Sri Adhiati.

    "Ganze Dörfer wurden von Palmöl-Gesellschaften übernommen. Die Bewohner freuten sich zunächst über Geschenke: Sie bekamen Mopeds, Haushaltsgeräte, Radio-Apparate. Aber zu welchem Preis? Ihr Land ist nicht mehr fruchtbar. Sie müssen riesige Umwege um die Plantagen herum zu fernen Äckern machen. Sie haben keine Jagdreviere mehr, wo sollen sie ihr Essen her bekommen? Jagen und Pflanzen gehörte zu ihrem Leben, das gibt es jetzt nicht mehr. Sie bekamen Mopeds - aber verloren ihr Land."

    Viele können sich nicht mehr selbst versorgen, müssen Nahrung auf dem Markt kaufen. Und die Lebensmittelpreise sind in den letzten Jahren stark gestiegen, nicht zuletzt durch die Nachfrage-Konkurrenz der Agro-Sprit-Produzenten.

    Angesichts von 900.000 Hungernden weltweit fordert deshalb die Hilfsorganisation Oxfam von der EU, die Förderung von Agro-Sprit komplett zu beenden. Eine Deckelung durch das Parlament heute wäre da nur ein erster Schritt.