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Ausbildung im Handwerk
Der Wert des Meisters

In Deutschland gibt es 41 Berufe, in denen Handwerker sich nur selbstständig machen können, wenn sie einen Meistertitel haben. Zu Recht - finden viele frisch gebackene Handwerksmeister. Doch die EU-Kommission prüft zur Zeit, ob die Zulassungsbeschränkung den Wettbewerb innerhalb Europas verzerrt.

Von Dirk Biernoth | 19.05.2014
    Lehrling und Meister in der Werkstatt.
    Lehrling und Meister in der Werkstatt. (picture alliance / dpa/ Sebastian Kahnert)
    "Jedes Jahr eine Meisterfeier - das schafft nicht mal der FC Bayern München": So lautet eine Werbebotschaft des deutschen Handwerks. Schon zum 65. Mal findet die Meisterfeier in Düsseldorf statt. Doch möglicherweise ist diese eine der letzten. Denn wie viel Wert ein Meistertitel künftig noch haben wird, entscheidet bald die EU-Kommission.
    Dieses Thema beschäftigt natürlich auch die frisch gebackenen Handwerksmeisterinnen und -meister. Meike van Elten aus Dinslaken hat sich nach erfolgreich bestandener Prüfung mit einem Friseurbetrieb in die Selbstständigkeit gewagt:
    "Ich halte die Meisterpflicht durchaus noch für sinnvoll. Weil ich muss ganz ehrlich sagen: Gerade der kaufmännische Bereich, was die Meisterausbildung angeht, ist natürlich unheimlich wichtig im Hinblick auf die Selbstständigkeit. Ich hätte mich niemals selbstständig gemacht, ohne den Meister zu machen, weil ich dann diesen kaufmännischen und unternehmerischen Background gar nicht gehabt hätte. Und natürlich auch wichtig im Hinblick auf die Auszubildenden, um sich dann auch seine eigenen Fachkräfte auszubilden, die nach dem eigenen Qualitätsstandard arbeiten."
    EU-Kommissar Oettinger wirbt um Verständnis
    Mehr als 1.000 junge Menschen haben alleine im Regierungsbezirk Düsseldorf gerade ihren Meistertitel erworben. Sie haben viel Zeit, Arbeit und Geld in ihre Ausbildung investiert und empfänden es als ungerecht, wenn künftig jeder einen Betrieb in ihrem Fachbereich eröffnen könnte, ohne dafür überhaupt qualifiziert zu sein. Doch gerade diese Zulassungsbeschränkung widerspreche dem EU-Binnenmarkt, sagt die Kommission in Brüssel. EU-Kommissar Günter Oettinger versteht zwar die Aufregung der jungen Handwerksmeisterinnen und -meister, wirbt aber gleichzeitig um Verständnis dafür, dass Deutschland sich in dieser Beziehung nicht abschotten könne:
    "So will der Handwerksmeister aus Aachen auch in Eupen Aufträge entgegen nehmen und umgekehrt. Es gibt eben auch den Handwerksbetrieb aus Straßburg, der in Offenburg arbeiten will. Also müssen wir für die gegenseitige Möglichkeit, Handwerksleistungen zu erbringen, die Qualitätsmaßstäbe europäisch festsetzen."
    Das Problem: In anderen europäischen Ländern ist so etwas wie der deutsche Meister unbekannt. Dort gibt es keine Zulassungsbeschränkungen für Handwerker. Auch in Deutschland hat die Bundesregierung im Jahr 2003 den Meisterzwang für 53 Berufe aufgehoben, darunter zum Beispiel auch für den Fliesenleger. Nach Meinung von Andreas Ehlert, Präsident der Düsseldorfer Handwerkskammer, war das keine gute Idee. Die Anzahl der Meisterprüfungen in diesen Bereichen sei drastisch zurückgegangen:
    "Es ist krachend zusammengebrochen. Wenn junge Menschen Ausbildung nicht mehr nötig haben, um einen Beruf zu ergreifen, um sich selbstständig zu machen, dann tun sie es nicht. Als Eltern müssen sie junge Menschen gelegentlich auch dahin führen, um sich weiterzubilden. Kein Mensch kommt auf die Idee, die Schulpflicht auszusetzen. Dann würde auch ein Teil der jungen Menschen gar nicht mehr zur Schule gehen."
    Qualitäts- und Qualifizierungsstandards erhalten
    EU-Kommissar Günter Oettinger kann nicht versprechen, den deutschen Meistertitel zu retten. Doch die Qualitäts- und Qualifizierungsstandards will er auch künftig erhalten und sogar in andere EU-Länder exportieren:
    "Ich bin mir sicher, dass die wichtigsten Meisterberufe, namentlich im Baubereich, im KFZ-Bereich, im Nahrungsmittelbereich, dass die Standards bekommen werden, die unserem Qualitätsanspruch entsprechen werden."
    Seit Anfang März arbeitet die EU-Kommission an einer Lösung. Bis zum Sommer wollen die europäischen Bürokraten fertig werden.
    "Die Lösung wird im nächsten Europäischen Parlament beraten und von der nächsten Kommission vorgeschlagen. Auf den Inhalt kommt es an und den muss dann der, der bei uns arbeiten will, nachweisen. Und da werden wir europäisch schauen, ob diese Ausbildungswege in Nachbarländern der Qualität unseres Meisters und des Gesellen entspricht. Und so wollen wir zu europäischen inhaltlichen Standards kommen."
    Das kennt man schon aus dem Hochschulbereich, wo die einheitlichen Abschlüsse Bachelor und Master Einzug gehalten haben. Wie die einheitlichen Standards aber im Handwerksbereich aussehen werden, kann noch niemand so genau sagen. Nicht zuletzt entscheiden darüber auch die EU-Wahlen am kommenden Sonntag. Sie könnten dafür sorgen, dass sich die politischen Verhältnisse in Brüssel ändern - und damit auch die Ansichten über den deutschen Meistertitel.