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Ausblick auf 2020
Klimawandel dank Medienwandel

Die Themen Medien und Klima werden das Jahr 2020 beherrschen, prophezeit unser Kolumnist Arno Orzessek. Der Medienwandel ist für ihn dabei sogar eine Art Doping für den Klimawandel - und am Ende wird Rezo Staatsminister für Medien.

Von Arno Orzessek | 02.01.2020
Ein Mann steht am Strand, trägt ein Eisbärkostüm und hält Smartphone in der Hand.
Eisbären profitieren weder vom Klima- noch vom Medienwandel (imago images / Westend61)
Im Digitalen Wörterbuch der Deutschen Sprache gibt es erfreulicherweise zu jedem namhaften Wort eine Wortverlaufskurve. Der Begriff sagt Ihnen nichts? Ganz einfach: Je häufiger ein Wort in den ausgewerteten Zeitungen auftaucht, desto steiler geht die Kurve nach oben. Wir erwähnen das, weil uns beim Kurven-Schmökern Folgendes aufgefallen ist:
Die Zeitungen fanden den "Klimawandel" auch schon interessanter als den "Medienwandel", als die kleine Greta noch aus dem Fläschchen getrunken hat. Zwar gehen die Wort-Kurven um 2005 herum beide durch die Decke, aber bei "Medienwandel" hängt die Decke in absoluten Zahlen viel niedriger. Wirklich plausibel erscheint uns das nicht.
Kampf den Medienwandel-Leugnern!
Denn nur debile Medienwandel-Leugner würden leugnen, dass der Medienwandel den Alltag der Menschen bis dato stärker verändert hat als der Klimawandel. Allein das Verhältnis von Mobiltelefonen und Atemmasken auf unseren Straßen spricht eine klare Sprache. Was nichts daran ändert, dass der Medienwandel als Doping für den Klimawandel gilt. Man sagt, wer Autos, Kohlekraft und Kreuzfahrtschiffe schlimm findet, müsste auch Rechenzentren schlimm finden. Findet aber kaum jemand.
"Offline gehen um der Gletscher Willen - nee! Dann doch lieber drei Zentimeter mehr Meer." So sieht's der User.
Umso wichtiger, dass wir uns zu Jahresbeginn um die Zukunft des Medienwandels kümmern. Und da sehen wir in der Kristallkugel Deutschland erstaunlich viel Fernsehen, denn Axel Springer will die "Bild" zur TV-Marke ausbauen. Offiziell, um den öffentlich-rechtlichen Medien einzuheizen, inoffiziell, damit "Bild"-Chef Julian Reichelt doch noch Popstar wird. Super Aussichten sind das! Und wir erklären rasch, warum.
Arno Orzessek. Seit 1966 Arbeiter- und Bauernsohn, geboren in Osnabrück. Studierte in Köln Philosophie und anderes. Dank "unverlangt eingesandt": SZ- und DLF-Autor; auch: zwei Romane. Lebt seit 2000 rundfunktreu in Berlin. Angesichts der Unordnung der Dinge thematisch unspezialisierter Stoffwechsel-Spezialist. Welt-Erfahrung per Motor- und Rennrad, plus Lektüre. Radio-Ideal: Geistvolles in sinnlicher Sprache; Ziel: Gedankenübertragung; Methode: Arbeit am Text; Verfassung: der Nächste bitte!
Prime-Time-Duell Rakers gegen Reichelt
Man stelle sich vor: 20 Uhr, Primetime, Fern-Duell: Tagesschau gegen "Bilder"-Schau. Judith Rakers gegen Julian Reichelt – sie im hellen Kleid, er im dunklen Zigarettenrauch. Die Schöne und das Biest. Ein Kampf der Kulturen. Ultimativer Stresstest für Fernbedienungen.
Eine derart grelle Nummer wird auch Jüngere wieder vor die Glotze locken, egal auf welchem Endgerät. Ein Hype, der automatisch den Ausbau des 5G-Standards beschleunigt, der bald im ganzen Land Streaming auf Erste-Welt-Niveau erlaubt. Die Folge: Kinos weichen Rechenzentren.
Kinofreundin Monika Grütters, Staatsministerin für Medien, versteht das alles nicht mehr. Die CDU sucht verzweifelt jemanden, der das alles versteht. Dann der Coup! Rezo - der Youtuber und Chef-Logiker, der alles versteht, und zwar besser - rettet die am Boden zerstörte CDU. Er übernimmt Grütters Job. Verkehrsminister Scheuer, verloren zwischen Daten- und Autobahnen, überlässt ihm auch den Sektor "digitale Infrastruktur".
Smartphone als Teil der Grundsicherung
Und dann, verehrte Big-Data-Konzerne im Silicon Valley, wird der Spieß umgedreht: Ihr müsst für die Infrastruktur löhnen, mit der ihr unsere Daten abgreift, na logo. Während der Handelskrieger Trump beim Tweeten vor Zorn so stark verkrampft, dass seine Finger für immer eingegipst werden müssen, fließen aus Kalifornien Milliarden ins hiesige Staatssäckel.
Hartz IV kann im Herbst um lebenswichtige digitale Leistungen ergänzt werden: Jedem sein neuestes Smartphone, Flachbildschirm mit 240 cm Bildschirmdiagonale, Alexa und vernetzte Kühlschranke in allen Räumen.
Die SPD, unter Esken und Walter-Borjans zur Anti-Hartz-IV-Partei mutiert, sackt unter die Fünf-Prozent-Hürde. Es kommt zum Vereinigungsparteitag mit den Linken. Unterdessen strömen die besten Fachkräfte weltweit ins gelobte Germany. Die CO2-Abscheidungstechnologie macht Quantensprünge, Emissionen ade. Zum Jahresende kauft sich Greta Thunberg ein Haus auf Sylt. Sie will hautnah dabei sein, wenn der Meeresspiegel wieder sinkt, und plant: ihren Ruhestand.
So! Jetzt wissen Sie, warum der Medienwandel wichtiger ist als der Klimawandel, egal was die Wortverlaufskurven sagen. Bis dann, bleiben Sie online!