Dienstag, 23. April 2024

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Auschwitz-Prozesse Frankfurt
Als die Vergangenheit Gegenwart wurde

20 Monate Prozessdauer, 150 Verhandlungstage, elfstündige Urteilsverkündigung: Das Jüdische Museum in Frankfurt erinnert an die Auschwitz-Prozesse. Und an Fritz Bauer, den hessischen Generalstaatsanwalt, der das Verfahren gegen die Holocaust-Täter ins Rollen gebracht hatte.

Raphael Gross im Gespräch mit Christoph Schmitz | 09.04.2014
    Verschiedenste Objekte werden am 09.04.2014 im Jüdischen Museum in Frankfurt am Main (Hessen) in der Ausstellung "Fritz Bauer. Der Staatsanwalt. NS-Verbrechen vor Gericht" präsentiert.
    Am Mittwoch, den 9. April 2014, wird die Ausstellung über den legendären Staatsanwalt Fritz Bauer in Frankfurt eröffnet. (dpa / picture alliance / Arne Dedert)
    O-Ton Hans Hofmeyer:"Es wird wohl mancher unter uns sein, der auf lange Zeit nicht mehr in die frohen und gläubigen Augen eines Kindes sehen kann, ohne dass im Hintergrund und im Geist in die hohlen, fragenden und verständnislosen, angsterfüllten Augen der Kinder auftauchen, die dort in Auschwitz ihren letzten Weg gegangen sind."
    Christoph Schmitz: Hans Hofmeyer, der Richter des ersten Auschwitzprozesses, am Ende der Urteilsverkündung. - Wer das Verfahren gegen die Holocaust-Täter ins Rollen gebracht hatte, das war Fritz Bauer gewesen - als Generalstaatsanwalt Hessens. Zwei weitere Prozesse folgten, 1965 der zweite, _68 der dritte. Fritz Bauer, selbst Jude, war der Vernichtung im dänischen Exil entgangen. In Stuttgart war er in großbürgerliche Verhältnisse hineingeboren worden, 1903. Er wurde Jurist, Richter, kehrte _49 aus dem Exil zurück und wurde als Sozialdemokrat unter dem sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Georg-August Zinn hessischer Generalstaatsanwalt. _59 war das.
    Das Jüdische Museum in Frankfurt erinnert ab morgen in einer Ausstellung an Fritz Bauer. Sie zeigen das ganze Leben von Fritz Bauer, von seiner Kindheit im kaiserlichen Deutschland, über sein Engagement als Sozialdemokrat, sein Exil bis zu seinem Wirken als Generalstaatsanwalt? Das habe ich den Direktor des Jüdischen Museums gefragt, Raphael Gross.
    Versuch, die ganze Person Fritz Bauer anzuschauen
    Raphael Gross: Ja. Es geht uns wirklich darum, einen Versuch zu machen, die ganze Person anzuschauen und auch die Teile, die bisher aus der Erinnerung an Fritz Bauer auf zum Teil merkwürdige Weise ausgeblendet wurden, mit darzustellen. Es ist doch interessant, dass etwa seine deutsch-jüdische Familie und was das dann bedeutet hat für seine Biografie so in der Weimarer Republik wie im Exil wie als er zurückkam bis zu dem Buch von Ron Steinke und der Tagung, die wir am Fritz-Bauer-Institut unlängst gemacht haben, in der öffentlichen Diskussion fast ausgeblendet worden ist.
    Schmitz: Wie war dieses Leben des kleinen Fritz Bauer in der großbürgerlichen Familie in Stuttgart?
    Gross: Wir haben viele Interviews zusammengetragen, die er im Laufe seines Lebens gegeben hat und in Gesprächen. Da kann man immer wieder Bausteine finden. Wir wissen nicht wahnsinnig viel. Wir wissen, dass er zum einen in einer Familie aufwuchs, wo man die jüdischen Feiertage selbstverständlich begangen hat, dass man nicht Weihnachten und Ostern, sondern wirklich Chanukka und Jom Kippur und Rosch ha-Schana und all diese jüdischen Feiertage beging. Es ist auch klar, dass er dann als junger Mann sich sehr stark davon distanziert. Auch das gibt es bei sehr vielen assimilierten jüdischen Intellektuellen dieser Zeit, denken Sie an Benjamin oder an Horchheimer und diese Hinwendung zu der radikalen Linken, bei ihm natürlich die linke Sozialdemokratie, gleichzeitig als Student hat er in gewisser Weise keine Wahl. Er möchte in eine Studentenvereinigung. Und das, was dann möglich ist, ist, dass er sich einer jüdischen anschließt.
    Schmitz: 16 Stationen hat Ihre Ausstellung. Wie zeigen Sie das Leben und Wirken von Fritz Bauer, mit Fotos, Dokumenten und Texttafeln, Videos möglicherweise?
    Ästhet, Jurist, jemand, der viel in Bewegung gesetzt hat
    Gross: Wir haben extra für die Ausstellung sowohl einen Katalog hergestellt wie zwei DVDs. Aus deren Material zeigen wir sehr viel. Wir zeigen aber auch einzelne Objekte. Es ist nicht sehr viel von seinem Nachlass vorhanden leider, aber das, was wir finden konnten, der berühmte Aschenbecher – er war ja ein schwerer Kettenraucher -, die Gardinen, die er benutzt hatte – er war ein großer Ästhet -, auch die Tapete, die er sich ausgesucht hat für sein Dienstzimmer. All solche Details haben wir versucht, zusammenzubringen, so dass man doch ein Bild von einem Menschen kriegt in vielen Dimensionen: als Jurist, als Ästhet, als jemand, der sehr viel in Bewegung gesetzt hat.
    Schmitz: Als einer der ersten gelang es Bauer, den Widerstand des 20. Juli juristisch zu rehabilitieren – im sogenannten Remer-Prozess. Auch das ein Thema der Ausstellung?
    Bauers erster großer Auftritt
    Gross: Ja selbstverständlich. Es ist in gewisser Weise sein erster großer Auftritt. Es ist so ein großer Auftritt, dass er am Ende vergisst, das Strafmaß zu fordern als Staatsanwalt. Aber seine Rede ist erfolgreich. Er kann den Remer verurteilen, der die konservativen Widerstandskämpfer des 20. Juni verhöhnt hat. Er kann diesen Punkt machen, und das ist sehr interessant. Er kommt zurück, er ist ein linker Sozialdemokrat aus einer jüdischen Familie, auch wenn er sich selber als Atheist sieht, und so weiter, und was macht er: als erstes rehabilitiert er oder erkämpft die Rehabilitierung des konservativen, reaktionären, teils ja auch antisemitischen deutschen Widerstands, nicht für den linken. Das heißt, er ist sehr politisch intelligent, er überlegt sich, wo kann ich irgendwas bewegen, und da setzt er an und ist dann auch erfolgreich.
    Schmitz: Was zeigt denn die Ausstellung über Bauers Einsatz für die Auschwitz-Prozesse?
    Gross: Ja zum einen natürlich die Dokumente, die ihm von einem Journalisten der "Frankfurter Rundschau" zugespielt werden, wo sozusagen erste feste Namen zugeordnet sind an Taten. Während dem Prozess spielt er natürlich mehr im Hintergrund eine Rolle. Er tritt ja nicht selber im Prozess auf. Er besucht ihn zwar oft, aber das sind ja dann seine Staatsanwälte, die das tun. Trotzdem zeigen wir natürlich auch sehr viel von den Zeugen. Das ist ihm ja sehr wichtig. So haben wir auch diesen eigentlich wirklichen Helden dieses Prozesses sehr viel Raum gelassen, denn es war für sie natürlich eine schmerzhafte Erfahrung, vor diesen Juristen aufzutreten, die dann immer versucht haben zu beweisen, dass ihre Aussage nicht stimmt. Das waren keine einfachen Zeugenaussagen. Wir zeigen aber auch etwas über die Täter und über die Juristen, die beteiligt sind am Prozess.
    Schmitz: Raphael Gross, Direktor des Jüdischen Museums in Frankfurt, über die Fritz Bauer-Ausstellung, die morgen beginnt.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.