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Auseinandersetzung um Asse

Nach den Vorfällen im Atommülllager Asse verfolgen die Anwohner die Arbeiten rund um das ehemalige Salzbergwerk mit Argusaugen. Eine Bürgerinitiative wirft dem neuen Betreiber, dem Bundesamt für Strahlenschutz, mangelnde Transparenz bezüglich ihrer Pläne vor. Was genau mit dem ehemaligen Forschungsendlager passieren wird, steht noch nicht fest.

Von Lukas Sander | 10.07.2009
    Massive Kritik am Bundesamt für Strahlenschutz kommt von mehreren Vertretern örtlicher Bürgerinitiativen im Landkreis Wolfenbüttel. Das Bundesamt betreibt das Atomlager Asse seit Jahresbeginn. Es hatte den Betrieb von der Münchener Helmholtz-Gesellschaft übernommen. Diese hatte in Jahrzehnten das Vertrauen in einen zuverlässigen, offenen und verantwortungsvollen Umgang mit dem atomaren Müll verspielt. Frank Hoffmann vom Asse-Koordinationskreis - einem Zusammenschluss der Initiativen - sieht keine nennenswerte Besserung nach der Übernahme:

    "Das BfS hatte sich auf die Fahnen geschrieben, anders als der bisherige Betreiber, transparent, bürgernah zu sein. Und was machen sie? Sie arbeiten exakt in der gleichen Politik weiter wie die Gesellschaft für Strahlenschutz. Dieses beunruhigt uns in äußerst massiver Weise. Wir können das überhaupt nicht verstehen."

    Es ist die bislang schärfste Kritik, die sich das Bundesamt für Strahlenschutz in der Auseinandersetzung um das Atomlager Asse gefallen lassen muss. Die Nerven bei vielen liegen offenbar Blank. 40 Jahre lang wurden die Menschen in der Asse-Region getäuscht.

    Ungeduld macht sich breit - bereits ein halbes Jahr, nachdem das Bundesamt die Verantwortung übernommen hat. Den Mitgliedern der Bürgerinitiativen geht darum, wie die Schließung der Asse vorbereitet wird. Das Bundesamt hat dazu Gutachten in Auftrag gegeben. Die Gutachter sollen die verschiedenen Schließungsoptionen für das Lager untersuchen. Die Füllung mit Salzbeton ist eine Option. Als weitere Möglichkeit wird die Umlagerung des Mülls in tiefere, sicherere Bereiche des Bergwerkes geprüft. Die dritte Option, das Lager stillzulegen, ist, den Abfall komplett oder in Teilen aus dem Lager herauszuholen. Die Gutachten sollen im August vorliegen.

    Teile der Bürgerinitiativen kritisieren nun, dass das Bundesamt die Vergabe der Gutachten für die drei Optionen nicht transparent gestaltet. So sind weder die Kriterien für die Wahl der Sachverständigen noch die konkrete Aufgabenstellung, der sogenannte Leistungskatalog, der Öffentlichkeit bekannt, sagt Frank Hoffmann.

    "Uns hat überrascht, dass das BfS plötzlich Untersuchungen in Auftrag gegeben hat, ohne dass aus unserer Sicht Auftragskriterien vorliegen; auch, dass die Aufträge an die alten Bekannten erteilt wurden. Es gab aus unserer Sicht keine Ausschreibungen. Man hat einfach diejenigen genommen, die in der Vergangenheit gezeigt haben, dass sie solche Untersuchungen nicht können, definitiv nicht können. Es gibt nicht eine einzige Untersuchung vom TÜV Nord und anderen, die in irgendeiner Form deutlich gemacht hätte, dass hier Kompetenz für einen solchen Sachverhalt vorliegt."

    Mehrmals hätten die Bürgerinitiativen um Auskunft gebeten. Der Präsident des Bundesamtes für Strahlenschutz, Wolfram König, habe genaue Angaben zur Ausschreibungspraxis aber verweigert. Der Sprecher des Bundesamtes für Strahlenschutz, Werner Nording, zeigt Verständnis für die Sorgen der Bürger. Seine Behörde spiele mit offenen Karten:

    "Sie wissen ja auch, dass diese ganzen Themen sehr komplett sind, der Laie kaum noch durchblickt. Wir haben einen Termin mit ihrer Gruppe durch unsere Fachleute anberaumt, wo alle Fragen genau erklärt werden. Auch so, dass Otto Normalverbraucher es verstehen kann. Wir sind also bemüht, Informationen zu geben, Transparenz einzulösen. Dass sie ungeduldig sind, verstehe ich; sehr gut sogar. Aus dem Verhalten der letzten Jahre, wie wir es erleben mussten, aber: Wir sind bemüht, die Antworten zu geben, die sie haben wollen."

    Viele Bürger in der Region aber bleiben offenbar skeptisch - und so muss das Bundesamt für Strahlenschutz weiter um Vertrauen werben. Dabei helfen gute Nachrichten. Eine kann die Behörde der Bevölkerung aktuell präsentieren: Der Sprengstoff, der in der Asse lagert und für große Verunsicherung sorgt, werde in den kommenden Wochen herausgeholt. Für Andreas Riekeberg vom Koordinationskreis der Bürgerinitiativen eine erleichternde Nachricht:

    "Wir sehen das natürlich mit einer gewissen Befriedigung, dass eine konkrete Zeitperspektive genannt worden ist, nachdem es immer nur hieß: zeitnah, zeitnah und es ist kein Problem, dass der da liegt. Das ist eine positive Nachricht von heute, ja."