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Ausgezeichnete Unterstützung

Unter dem Motto "Praxis vom ersten Tag an" will "Joblinge" Jugendlichen ohne oder schlechtem Schulabschluss fit für eine Ausbildung fit machen - mit Sozialpraktikum, Betreuung durch ehrenamtliche Mentoren und Seminaren. Jetzt wird das bundesweite Projekt mit den Initiativpreis der Frankfurter Fairness-Stiftung ausgezeichnet.

Von Julian Kuper | 25.10.2013
    "Vorher wollte ich eigentlich nur in den Informatikbereich. Was so nicht geklappt hat, wegen meinem Zeugnis. Hab halt trotzdem immer weiter versucht mich zu bewerben, hab auch nicht wirklich, also eigentlich nur Ablehnungen bekommen oder gar keine Antwort. War halt zu spezifisch was ich gesucht habe und zu unrealistisch."

    Heute geht Jörg Wörmann die Ausbildungssuche realistisch an. Einzelhandelskaufmann will er jetzt werden. Die Joblinge haben ihn verändert, sagt der 22-Jährige. Nach der Schule lief's für ihn nicht so rund: Mit seinem Vierer-Realschulabschluss hat er keine Ausbildung gefunden – trotz Unmengen an Bewerbungen. So kam er vor drei Jahren in eine Berufsvorbereitungsmaßnahme der Arbeitsagentur. Dort hat er zwar gelernt, mit Office-Programmen umzugehen – aber richtig weiter gekommen ist er dadurch nicht. Seitdem hängt er in der Warteschleife.

    Petra Balzer kennt solche Maßnahmen, sie hat selbst dort gearbeitet – und hält nicht viel davon:

    "Es geht im Grunde nicht um eine Berufsvorbereitung, sondern um eine Zwangsleitung, muss ich schon so sagen, in ein gewisses Praktikum. Ich hab auch schon Situationen erlebt, wo dann 25 Leute in einer Klasse stupide irgendwas rechnen müssen, was sie schon 20mal gerechnet haben und auch schon können. Der eine tanzt auf dem Tisch, der andere liest Zeitung und der Dritte hört Musik. Das kann es nicht sein."

    Heute leitet Petra Balzer die Joblinge in Köln. An zehn Standorten in Deutschland nimmt die Organisation benachteiligte Jugendliche unter ihre Fittiche – pro Jahr bis zu 700. Das Ziel: Jugendliche fit fürs Berufsleben machen und in eine Ausbildung vermitteln. Doch erst mal heißt das: Nachholen, was Schulen und Eltern versäumt haben. Wie gehe ich mit Geld um, wie ernähre ich mich gesund, wie spreche ich mit meinem Chef? Und: Wie schaffe ich es überhaupt, bei einer Sache mal am Ball zu bleiben? Bei den Joblingen gehören da auch Hausbesuche dazu:

    "Wenn ein Jobling häufiger fehlt – und Fehlzeiten sind ganz normal auch für dieses Jugendalter. Da sind die Joblinge nicht anders als andere Teilnehmer von anderen Maßnahmen. Die fehlen halt von Zeit zu Zeit. Gerade im Sommer bei Baggerseefieber. Und dann machen wir von Zeit zu Zeit Hausbesuche. Es kann bei Hausbesuchen schon mal passieren, dass wir um halb zwölf klingeln, und dann steht da ein Elternteil da, ist alkoholisiert und steht nur im Bademantel da. Das gehört für uns zur Normalität. Und das schätzt der junge Mensch, wenn er merkt: Da möchte jemand mich persönlich sehen. Ich persönlich als Mensch mit meinem Sosein bin gefragt."

    Doch nicht immer hilft das auf Anhieb. Bei den Joblingen wird das mit einkalkuliert, scheitern gehört dazu.

    "Wir messen nicht: drei unentschuldigte Fehltage - erste Abmahnung. Noch mal drei unentschuldigte Fehltage - raus aus dem Projekt. Das funktioniert nicht. Unser Ziel ist es natürlich null unentschuldigte Fehlzeiten zu haben und null Verspätungen. Nur wir nehmen uns die Zeit dahin kommen zu dürfen."

    Dabei helfen auch die ehrenamtlichen Mentoren, die jeder Jobling bekommt. Von der Sekretärin bis zum Personalchef – die Mentoren kommen aus allen Stufen eines Unternehmens. Sie reden mit den Jugendlichen, lesen Bewerbungen durch und helfen bei der Jobsuche.
    Pro Jobling kostet das sechsmonatige Programm zwischen 5 und 8Tausend Euro. In Köln bezahlen Stadt und Jobcenter jeweils ein Viertel, die Hälfte kommt von Unternehmen.
    Die Erfolgsquote ist hoch: 65 Prozent der Joblinge starten nach dem Programm in Beruf oder Ausbildung. In Unternehmen wie dem Kölner Restaurant "Club Astoria". Dort ist Jenny Blassnig Prokuristin. Früher wäre sie froh gewesen über so etwas wie die Joblinge, denn auch ihr Start in den Job war nicht einfach.

    "Ich hab auch selber nur Hauptschulabschluss absolviert. Ich komm selber als Scheidungskind, ohne Papa aufgewachsen, also ziemlich so dieselben Bilder, die die Joblinge auch oft mit sich bringen."

    Deswegen unterstützt sie jetzt die Joblinge, stellt ein Mal im Jahr den Betrieb vor, vergibt Praktikumsplätze und stellt Azubis ein. Eine der neuen Azubis ist Buse Aygün – ein ehemaliger Jobling. Auch ihr Start in den Berufsalltag war holprig:

    "Nach der Schule wollte ich ein Fachabi beginnen, aber meine Noten waren nicht so dementsprechend, wo man sagen könnte, okay, die nehm ich auf jeden Fall. Da hab ich leider keinen Platz bekommen. Da war ich dann zu Hause. War dann ohne nichts und hab mir dann ne Aushilfe gesucht, damit ich das Jahr, wo ich nicht zur Schule gehe, dass ich das wenigstens mit Geldverdienen verbringe. Ich hab die erste Zeit an mir gezweifelt, ja, weil ich die Probleme auch privat sehr viel hatte. Und dann bin ich irgendwann richtig zu mir gekommen und hab mir gesagt: Buse, du musst jetzt alles dafür geben. Weil: Du wartest, du wartest, die Zeit vergeht, du musst was machen."

    Buse macht bei den Joblingen mit, beginnt ein Praktikum im Restaurant. Und merkt: Das ist was für mich. Als einige Zeit später der Ausbildungsvertrag dann vor ihr liegt, da hat Buse nur noch eines gedacht:

    "Endlich."