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Ausgrabungen in Rom
Römische Kaserne muss U-Bahn-Haltestelle weichen

In Rom ist man beim Bau einer neuen U-Bahnlinie auf eine Kaserne der kaiserlichen Garde aus dem zweiten Jahrhundert gestoßen: komplett mit begehbaren Sälen und Wandmalereien. Jetzt soll das gesamte Gebäude auseinandergesägt und überirdisch gelagert werden, um nach Abschluss der Bauarbeiten wieder unter Tage gebracht und in die U-Bahn Station integriert zu werden.

Von Thomas Migge | 26.05.2016
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    Das Kolosseum in Rom ist bis heute eines der Wahrzeichen der italienischen Hauptstadt. Bald könnte es ein weiteres, antikes Bauwerk für Rom-Besucher geben. (picture alliance / ZB)
    Ein langer Korridor, links und rechts davon gehen die Schlafräume der Soldaten ab. 39 Räume sind es insgesamt, je 16 Quadratmeter groß. Die Archäologin Rosella Rea ist für den in rund neun Metern Tiefe gelegenen Fundort verantwortlich., In jedem Raum schliefen mindestens sechs Personen, erklärt sie. Die Räume sind erstaunlich gut erhalten: mit mehrfarbigen Wandmalereien und schwarz-weißen-Fußbodenmosaiken.
    "Das ist erstaunlich, denn beim Bau der Aurelianischen Mauer im dritten Jahrhundert, hier direkt neben der Fundstelle, wurden viele Gebäude ganz abgerissen, oder aber sich selbst überlassen."
    Rund 1.500 Quadratmeter Grabungsfläche müssen erforscht und für die Nachwelt erhalten werden. Für Roms Archäologen handelt es sich um einen wichtigen Fund.. Zum Einen, weil man bisher gar nicht wusste, dass auch an der Piazza Amba Aradam eine Kaserne stand. Zum Anderen, weil diese Kaserne besonders groß und besonders reich ausgeschmückt war.
    Kaserne an der Piazza Amba Aradam wurde von Elitesoldaten bewohnt
    In der Regel waren römische Soldatenunterkünfte deutlich spartanischer ausgestattet. Archäologen gehen daher davon aus, dass die Kaserne an der Piazza Amba Aradam von Elitesoldaten bewohnt wurde.Doch was geschieht jetzt mit der antiken Kaiserkaserne? Liegt sie doch genau unterhalb der geplanten U-Bahn-Station. Dazu Francesco Prosperetti. Er ist der für Roms antike Altertümer verantwortliche Superintendent:
    "Das wird sicherlich eine U-Bahn-Station, die sich von allen anderen U-Bahn-Stationen Roms unterscheiden wird, denn wir wollen versuchen, diesen unerwarteten Fund in die neue Station zu integrieren"
    Archäologen und Ingenieure unter Leitung von Prosperetti entschieden sich daher für ein ungewöhnliches Prozedere: Sie wollen die antike Kaserne zerlegen und aus der Baugrube entfernen – ähnlich wie beim Tempel von Abu Simbel in Ägypten, der in den 1960er Jahren beim Bau des Assuan-Staudamms zerlegt und versetzt wurde.
    Nach der Fertigstellung der U-Bahn-Linie, so der Plan, soll die zerlegte Kaserne unterhalb der geplanten Haltestelle wieder zusammengesetzt und für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Chefarchäologe Prosperetti:
    "Das wird eine außergewöhnliche Gelegenheit sein, den Fahrgästen der U-Bahn den Blick in ein so gut erhaltenes Bauwerk der römischen Kaiserzeit zu erlauben!"
    Künftiger Einblick für U-Bahn Fahrgäste
    Während Prosperetti frohlockt, finden nicht wenige seiner Kollegen die Idee mit der Zerlegung ganz und gar nicht gut. Sie forderten bereits den Kulturminister dazu auf, das Projekt zu stoppen, und dafür zu sorgen, dass die antiken Ruinen nicht angetastet werden und genau dort bleiben, wo sie wieder entdeckt wurden.
    Das fordert auch Salvo Barrano. Er ist Präsident der italienischen Archäologenvereinigung:
    "Solche Projekte sind ein Verrat an unserer Aufgabe einmalige Fundorte wie diese zu erhalten. Man kann die Bauarbeiten weiterführen und gleichzeitig die Kaserne an Ort und Stelle belassen. Das jetzt beschlossene Projekt ärgert mich sehr
    Jetzt wird also diskutiert, debattiert und gestritten. Offiziell ist die Rede davon, die geplante U-Bahn-Station mit der kaiserlichen Kaserne im Jahr 2021 in Betrieb zu nehmen. Doch in Rom hält man es mit solchen Daten nicht so genau.
    Deshalb schlagen Archäologen wie Salvo Barrano vor, die antike Kaserne schon jetzt an einigen Tagen der Woche für Besucher zu öffnen, also während der laufenden Bauarbeiten für die U-Bahn. Eine Idee, die, sollte sie auch die Zustimmung des Kulturministers finden, schon in diesem Sommer in die Realität umgesetzt werden und Rom-Besuchern einen neuen faszinierenden Ort der Antike zugänglich machen könnte.