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Auslandsrundfunk
Russische Politiker drohen Deutscher Welle mit Arbeitsverbot

Ein Ausschuss des russischen Parlaments wirft der Deutschen Welle Einmischung in die inneren Angelegenheiten Russlands vor und will sie als sogenannten Ausländischen Agenten einstufen lassen. Im Raum steht auch ein mögliches Arbeitsverbot der Redaktion in Moskau.

Von Thielko Grieß | 30.09.2019
Flaggen mit Logo der Deutschen Welle beim Global Media Forum zum Thema 'Shifting Powers' im ehemaligen Plenarsaal des Bundestages im World Conference Center Bonn.
Der Auslandsrundfunk steht in Russland seit längerer Zeit unter Beobachtung der Staatsmacht, nun aber ist der Druck noch einmal spürbar gestiegen (Geisler-Fotopress)
Die Deutsche Welle berichtet über die Demonstration der Opposition gestern in Moskau, filmt Auftritte von Rednern und verbreitet Auszüge auf ihrer Seite und in sozialen Netzwerken, auch auf Russisch – eben journalistisches Alltagsgeschäft.
Nicht alltäglich war der Auftritt Wassilij Piskarjows von der Machtpartei Einiges Russland im Parlament. Er ist Vorsitzender des eigens gegründeten Ausschusses, der die Einmischung ausländischer Staaten in die inneren Angelegenheiten Russlands untersucht. Die will er in Publikationen der US-Botschaft in Moskau, einer ganzen Reihe ausländischer Medien und außerdem bei Google und Facebook gefunden haben. Am ausführlichsten aber spricht er über die Deutsche Welle und wirft ihr "massenhafte Gesetzesverstöße" vor.
"Wir haben ernste Vorbehalte gegenüber diesem Unternehmen. Deshalb hoffen wir, dass als Reaktion darauf endgültige Entscheidungen [...] getroffen werden."
Einzelnen Journalisten Akkreditierungen entziehen
Konkret bedeutet dies: Das Justizministerium könnte die Deutsche Welle als sogenannten Ausländischen Agenten einstufen, was aufwändige behördliche Prüfungen in kurzen Intervallen und schwierigeres Arbeiten bedeuten würde. Das Außenministerium könnte sogar Akkreditierungen einzelner Journalisten des Senders in Moskau entziehen – oder sie nicht verlängern. Solche Akkreditierungen werden üblicherweise für ein Jahr erteilt und müssen regelmäßig erneuert werden. Ohne sie ist journalistisches Arbeiten in Russland strafbar.
Die Deutsche Welle weist alle Vorwürfe zurück.
Recherchen des Deutschlandfunks legen nun nahe: Es geht womöglich gar nicht um einen Tweet oder Berichte der Deutschen Welle, sondern um eine Retourkutsche. Dazu einige Sätze der Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, von Anfang August:
"Vor kurzem wurden Konten des Fernsehsenders Russia Today in Deutschland gesperrt – dafür, dass er über Geschehnisse ausgewogen berichtet. Können Sie sich das vorstellen? Wir handeln aber schon seit langem nach dem Prinzip der Reziprozität und des spiegelbildlichen Vorgehens, was die Arbeit von Journalisten betrifft, sowohl unseren Journalisten dort als auch deren Journalisten hier bei uns."
Der Deutschlandfunk hat nachgefragt, was Maria Sacharowa genau meinte. Das russische Außenministerium antwortete schriftlich. Zitat:
"Die Sparkasse Berlin hat drei in Deutschland tätigen Unternehmen des Kanals RT [also Russia Today] eine Benachrichtigung über die Schließung von Bankkonten innerhalb von zwei Monaten geschickt, ohne Angabe von Gründen. Es handelt sich um Ruptly, Redfish und Maffick Media. Auch einige andere deutsche Banken haben diesen Unternehmen Dienstleistungen versagt."
Verbindungen zum russischen, staatlichen Propaganda-Fabrikanten RT
Wir haben uns daraufhin bei der Sparkasse Berlin erkundigt, ob der Vorwurf aus Moskau stimme. Das Institut verwies in einer schriftlichen Antwort lediglich darauf, dass es sich zu seinen Kundenbeziehungen nicht äußere.
Ruptly, eine Multimedia-Agentur, die gestern auch Bilder von der Oppositionsdemonstration veröffentlichte, aber nur wenige Inhalte. Es unterhält wie Redfish und Maffick Media Verbindungen zum russischen, staatlichen Propaganda-Fabrikanten RT beziehungsweise Russia Today. Sie sind in Berlin ansässig, worüber t-online vor fast einem Jahr berichtet hatte.
Möglich also, dass die Deutsche Welle in Moskau unter Druck gerät, weil für Russland arbeitende Medienunternehmen in Berlin Schwierigkeiten bekommen haben. Ein solches Verhalten ist für Moskauer Regierungsstellen durchaus üblich, die Vokabel "spiegelbildlich" gehört zum Standardrepertoire. Denkbar sind also weitere Schritte gegen den deutschen Auslandssender.
Der Parlamentarier Piskarjow gab dafür am Freitag sinngemäß diese Begründung: Die Maßnahmen in Russland entsprächen denen gegen russische Medien im Ausland. Und sie dienten dem Schutz der nationalen Interessen der Russischen Föderation.