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Auslese am PC

Die gute alte Bewerbungsmappe hat ausgedient. Große Unternehmen verlagern ihre Suche nach den besten Köpfen mehr und mehr ins Internet. Bei Siemens etwa kann man sich bereits heute nur noch online bewerben. Worauf muss man dabei achten und was fängt der Konzern mit dem Datenberg an?

Von Eike Petering | 13.12.2005
    " Die Situation ist folgende: Bei mir hängt der Haussegen gerade schief. Mein Partner freut sich eigentlich auf nen gemütlichen Abend mit mir und ein Essen daheim – ich hab für uns einen Tisch bestellt beim Griechen nebenan."

    Was klingt wie profaner Beziehungsstress, ist in Wirklichkeit ein harter Test von "Soft Skills": Im Computerspiel "Allianz Voyager" kämpft man sich als virtueller Mitarbeiter des Konzerns durch berufliche und private Herausforderungen. Auch Allianz-Sprecherin Viktoria Kranz muss beim Soft-Skill Test eine Weile über die Lösungsalternativen nachdenken:

    " Den Tisch kurzfristig abbestellen. – Wir gehen erst zum Griechen, bleiben dort aber nicht lange. – Wir einigen uns darauf, eine Münze zu werfen. – Und die letzte Möglichkeit ist: Ich habe einfach keine Lust zu kochen und mit Pasta und Pizzaservice können wir uns beide anfreunden."

    Die verschiedenen Möglichkeiten lassen sich per Mausklick auswählen. Zuvor hat uns das Spiel mit Foto und Lebenslauf reale Allianz-Mitarbeiter vorgestellt, mit denen wir jetzt im Team zusammenarbeiten. Nach zwei bis drei Stunden Spielzeit erhält man von der Software neben einer Bewertung der Arbeitsleistung auch ein seitenlanges Feedback zur Verbesserung der sozialen Fähigkeiten.

    " Man sieht, welche Art von Typ man ist: Ob man der ist, der immer Kompromisse schließt, ob man der ist, der immer nachgibt oder ob man der ist, der immer seine eigene Meinung durchsetzen muss."

    Harald Loew vom Personalmarketing der Allianz hat den "Voyager" gemeinsam mit Kollegen aus seiner Abteilung und einem Spin-off der Uni-Bochum entwickelt. Die Zielgruppe sind Studenten und Absolventen aller Fachrichtungen, denen die Allianz als vielseitiger Arbeitgeber präsentiert werden soll. Ein Erfolg: Als das Spiel im Jahr 2003 erstmals für einige Monate online ging, machten gleich 10.000 Teilnehmer mit. Im kommenden Jahr gibt es deshalb vielleicht eine Fortsetzung. Bis dahin kann man den "Voyager" gratis als CD-Rom erhalten.

    " Unsere Idee hinter dem Voyager war, dass wir über das Medium, das die Zielgruppe am besten erreicht, eine komplexe Botschaft kommunizieren können."

    Während die Allianz ihren "Voyager" vor allem als Image-Werbung einsetzt, geht man bei Siemens noch einen Schritt weiter. Seit einem Jahr kann man sich bei dem Konzern nur noch online bewerben. Das geht dann so:

    " Als erstes gehe ich auf die www.siemens.de Seite, gehe über "Jobs&Karriere" auf die Jobbörse und jetzt muss ich den Job aussuchen. Also: Welche Richtung ich machen will, in welchem Funktionsbereich, welche Region für mich interessant ist. Und dann gebe ich das einzeln ein. "

    Siemens-Recruiterin Anne Schneider erhält die Bewerbung dann direkt auf ihren Bildschirm und kann sie elektronisch im Konzern weiterleiten oder dem Kandidaten direkt absagen. Der Leiter der Abteilung E-Recruiting, Dr. Hans-Christoph Kürn, hat für Postbewerbungen nur noch einen Standardbrief übrig:

    "Das heißt: Sie schicken uns ungefragt eine Bewerbungsmappe, dann geht diese Mappe zurück mit einem ausgesprochen – finde ich – netten Brief und der Bitte um Verständnis, dass wir nur noch online akzeptieren und das gibt auch nie Ärger eigentlich. Das klappt."

    Seitdem kommt morgens kein randvoll beladener Post-Laster mehr zu Siemens. Und für die Bewerber entfällt das bange Warten: Bis zum Verschicken einer Absage vergehen nicht mehr wie früher zwei Wochen, sondern meist nur 24 Stunden. Und wen Siemens prinzipiell interessant findet, dessen Daten wandern in einen elektronischen Talentpool, auf den 300 Recruiter zugreifen können.

    " Wird er gefunden, weil nämlich seine Skills mit den Anforderungen einer Stelle korrespondieren, wird der Recruiter, der für diese Stelle verantwortlich ist, in der Regel nen telefonischen Kontakt aufnehmen und dann kommen diese erfreulichen Anrufe: Ich hätt’ ne Stelle für Sie, hätten Sie Interesse?"

    Viele Bewerber schmälern ihre Chancen allerdings durch schlampig vorbereitete Unterlagen. Trotz der Online-Eingabe legt Chefrecruiter Kürn Wert auf ein eigenständig verfasstes Anschreiben und einen vollständigen Lebenslauf. Wer sich auf Mustertexte verlässt oder seine Online-Bewerbung wie eine private E-Mail formuliert, hat da schlechte Karten:

    " Das Internet ist nen flüchtiges Medium. Online-Bewerbungen vertragen keine Flüchtigkeit. Also bevor ich wirklich diesen Button "Daten übermitteln" klicke: einfach noch zurückblättern, gucken ist alles ok, hab ich mich 30 mal vertippt, sind die Kommas richtig? Sorry, aber auch solche Dinge – da wird schon Wert drauf gelegt."