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Wer hat die Glühbirne erfunden?

"Die letzten Tage der Nacht" ist ein spannender Thriller über die Elektrifizierung Amerikas. Die beiden Erfinder Thomas Alva Edison und George Westinghouse kämpfen darin mit allen Mitteln um die Vormachtstellung und die Frage, wer sich die Erfindung der Glühbirne auf die Fahnen schreiben darf.

Von Dagmar Röhrlich | 07.03.2017
    Die USA, Ende der 1880er-Jahre. Die Nächte sind dunkel, der Einsatz der Elektrizität steht am Anfang. Noch. Denn die beiden Erfinder Thomas Alva Edison und George Westinghouse kämpfen um die Ruhm und Reichtum verheißende Vormachtstellung bei der Elektrifizierung des Lands. Diesen historischen Machtkampf zweier Genies erzählt Graham Moore in seinem Roman "Die letzten Tage der Nacht". Und zwar aus Sicht des jungen Anwalts von Westinghouse, von Paul Cravath. Der trifft Edison am 11. März 1888 zum ersten Mal:
    "Für den Fall, dass Sie das noch nicht bemerkt haben, Mr Cravath: Hier wird ein Krieg geführt. Innerhalb der nächsten Jahre wird jemand ein Stromnetz errichten, das die gesamte Nation mit Licht versorgt. Dieser Jemand könnte ich sein. Oder Mr. Westinghouse. Glauben Sie wirklich, dass Sie auch nur den Hauch einer Chance haben."
    Dass an diesem 11. März am Broadway ein Arbeiter bei lebendigem Leib verbrannte, als er vor den Augen von Paul Cravath eine Stromleitung installierte, ist für Edison nur deshalb interessant, weil er nun einen Konkurrenten weniger hat. Doch auch sein Gegner Westinghouse ist machthungrig und von Ehrgeiz zerfressen:
    "Sein Mandant erinnerte Paul an niemanden so sehr wie an Edison. Die beiden Männer ähnelten sich auf fast perverse Art und Weise. Jeder war sich seines eigenen Genies so sicher, dass er für das des anderen nur Verachtung übrig hatte."
    Wer hat die Glühbirne erfunden?
    Bei dem Rechtsstreit zwischen Edison und Westinghouse geht es um eine Milliarde Dollar Schadenersatz. Die Frage ist, wer die Glühbirne erfunden hat und wem damit das Recht zusteht, das Land zu elektrifizieren. In dieser Phase betritt ein drittes Genie die Bühne – oder besser: den Hörsaal. Ein Genie, das dem Publikum so vorgestellt wird:
    "Nicola Tesla hat da etwas, das er Ihnen nicht zeigen möchte."
    Worüber Tesla schweigt, ist seine Arbeit zur Fortentwicklung der Wechselstromtechnologie: Die wird im Stromkrieg die Entscheidung bringen, denn dadurch können Kraftwerke auf dem Land errichtet und Strom über weite Strecken transportiert werden. Ein Vorteil, wenn man ein ganzes Land elektrifizieren will. Edison hingegen muss seine Gleichstromkraftwerke in den Städten bauen, verbrauchernah. Im Auftrag von Westinghouse soll Paul Cravath deshalb Tesla umgarnen.
    "'Mr. Tesla', sagte da Paul, 'ich arbeite für George Westinghouse. Und wir würden Ihnen gerne eine ganz besondere Partnerschaft anbieten. Wie ich höre, haben Sie in der Vergangenheit einige unerfreuliche Erfahrungen mit Thomas Edison gemacht, wie würde es Ihnen gefallen, Rache zu nehmen?'"
    Drei Männer im Kampf um die Elektrifizierung
    Die Idee gefiel Tesla sogar sehr. Und so nahmen "Die letzten Tage der Nacht" ihren Lauf. Mit dem Buch ist Graham Moore ein spannender, sehr gut recherchierter Thriller über ein Stück Wissenschafts- und Technikgeschichte gelungen. Was Fiktion ist, was Realität, legt der Autor in den Nachbemerkungen offen. Doch zuvor, in der letzten Szene, blickt Paul Cravath auf das "Ende der Dunkelheit" zurück und stellt fest:
    "Um ein solches Wunder zu erschaffen, brauchte die Welt Männer wie sie, und zwar jeden einzelnen von ihnen. Visionäre wie Tesla. Handwerker wie Westinghouse. Und Geschäftsleute wie Edison."
    Zielgruppe: Alle, die an Geschichte und ungewöhnlichen Persönlichkeiten interessiert sind.
    Erkenntnisgewinn: Bei technologischen Revolutionen wird mit harten Bandagen gekämpft.
    Spaßfaktor: Eine intelligente Unterhaltung, die den Leser fesselt.
    Graham Moore: "Die letzten Tage der Nacht"
    Übersetzt von Kirsten Riesselmann
    Eichborn Verlag, 464 Seiten, 22 Euro