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Ausschreitungen
Ausnahmezustand in Baltimore

Die Wut über den Tod eines Schwarzen entlädt sich in einer Welle der Gewalt. In Baltimore gelten der Ausnahmezustand und eine nächtliche Ausgangssperre - nun soll die Nationalgarde die Lage unter Kontrolle bringen.

28.04.2015
    Polizeikräfte in Baltimore sichern ein brennendes Gebäude.
    Polizeikräfte in Baltimore sichern ein brennendes Gebäude. (imago stock&people)
    Die zunächst friedlichen Proteste wegen des Todes eines jungen Schwarzen in Polizeigewahrsam schlugen in offene Gewalt um. Gebäude gingen in der Nacht zum Dienstag in Flammen auf, Geschäfte wurden geplündert, Polizisten mit Steinen angegriffen. Über die Stadt nordöstlich von Washington D.C. an der US-Ostküste wurde eine nächtliche Ausgangssperre verhängt, Marylands Gouverneur Larry Hogan rief den Notstand aus und bat die Nationalgarde mit 5000 Einsatzkräften zu Hilfe, die am Dienstag einrückte.
    Gebäude in Flammen, zahlreiche Festnahmen
    "Die Nationalgarde ist das letzte Mittel, um die Ordnung wiederherzustellen", sagte Hogan. Es handele sich nicht um Proteste und Demonstrationen, "das sind Gangs und Diebe, die durch die Straßen ziehen". Das könne nicht toleriert werden. Die Polizei sprach von den schwersten Unruhen in der Metropole seit Jahrzehnten. Die Ausgangsperre solle ab Dienstag für eine Woche von 22 Uhr abends bis 5 Uhr morgens gelten, sagte Baltimores schwarze Bürgermeisterin Stephanie Rawlings-Blake: "Zu viele Menschen haben über Generationen diese Stadt aufgebaut, um sie von Rowdys zerstören zu lassen."
    Der TV-Sender CNN zeigte Bilder von Plünderern, die in Baltimore mit vollgepackten Plastiktüten aus Geschäften stürmten. Autos wurden in Brand gesetzt. TV-Kommentatoren meinten, offensichtlich sei die Polizei überfordert gewesen. Die Unruhen brachen den Angaben zufolge an mehreren Orten der Stadt aus. Tausende Polizisten waren im Einsatz, 15 wurden verletzt. Nach Angaben der Polizei gab es mehr als zwei Dutzend Festnahmen. Offenbar wurde die Polizei von der Gewalt völlig überrascht. Im Osten der Stadt soll ein noch nicht fertiggestelltes kirchliches Altenzentrum gebrannt haben. Bereits kurz zuvor ging ein großer Drugstore in der Innenstadt in Flammen auf.
    Trauerfeier für Freddie Gray
    Nur Stunden zuvor war der 25-jährige Schwarze Freddie Gray zu Grabe getragen worden. Gray war am 12. April festgenommen worden, wenig später erlitt er in Polizeigewahrsam eine Rückenmarkverletzung. Nach Angaben der Behörden fiel er später ins Koma und starb am 19. April im Krankenhaus. Die Einzelheiten seines Todes liegen noch immer im Dunklen. Auf Videos ist aber zu sehen, wie Polizisten Gray zu Boden drücken, bevor sie den vor Schmerz schreienden jungen Mann zu einem Polizeibus schleifen. Der Tod Grays hatte vergangene Woche zunächst eine Serie friedlicher Demonstrationen ausgelöst, erst am Wochenende war die Lage erstmals eskaliert. In Baltimore leben rund 620.000 Menschen, vielerorts in der Stadt herrscht Armut.
    Trauerfeier für Freddie Gray - der Polizei wird tödliche Gewalt vorgeworfen.
    Trauerfeier für Freddie Gray - der Polizei wird tödliche Gewalt vorgeworfen. (imago stock&people)
    Zu der Trauerfeier für Gray versammelten sich rund 3000 Menschen in einer Kirche im ärmlichen Viertel Sandtown. An die Kirchenwand wurden die Worte "Das Leben von Schwarzen zählt und alle Leben zählen" projiziert. "Wir sind hier wegen Freddie Gray, aber wir sind auch hier, weil es viele Freddie Grays gibt", sagte der Anwalt der Familie, William Murphy, bei der Zeremonie. Pastor Jamal Bryant, der die Grabrede hielt, hob hervor, dass Grays Familie sich gegen Proteste am Tag der Beerdigung ausgesprochen habe.
    Afroamerikaner sehen sich als Opfer einer Gewaltserie
    Viele Schwarze sehen Gray als das jüngste Opfer in einer Serie von Fällen tödlicher Polizeigewalt gegen dunkelhäutige Menschen. Zuletzt hatte ein weißer Polizist in South Carolina einen Schwarzen mit mehreren Schüssen getötet. Die Behörden leiteten eine Untersuchung ein, sechs Polizisten wurden suspendiert. Die Ereignisse wecken Erinnerungen an die schweren Unruhen im vergangenen Sommer in Ferguson in Missouri. Damals hatte ein weißer Polizist den unbewaffneten schwarzen Teenager Michael Brown erschossen - die Tat wurde zum Fanal. Immer wieder erschüttern seitdem Berichte über Polizeibrutalität gegen Schwarze das Land.
    (nch/lob)