Freitag, 19. April 2024

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Ausschreitungen bei der Fußball-EM
Für russische Hooligans das Nonplusultra

Englischen Fans auf einer so großen Bühne wie Marseille zu begegnen sei für russische Hooligans das "Nonplusultra" gewesen, sagte Olaf Sundermeyer, der zu Fußballfans und Gewalt recherchiert, im DLF. Die französische Polizei habe der Informationsweitergabe über gewaltbereite Fußballfans offenbar nicht genug Bedeutung beigemessen. Auch beim morgigen Spiel der Deutschen bestehe Gefahr.

Olaf Sundermeyer im Gespräch mit Philipp May | 15.06.2016
    Das Bild zeigt mehrere Hooligans und viele flüchtende Fans; in der Bildmitte schlägt einer der Hooligans einem Zuschauer mit der Faust in den Nacken.
    Russische Hooligans stürmen am 11.6.2016 beim Europameisterschafts-Spiel zwischen Russland und England im Stade Velodrome in Marseille nach Spielende die Nachbartribüne und prügeln auf andere Fans ein. (DPA / EPA / DANIEL DAL ZENNARO)
    Auch wenn heute in Lille Russland und die Slowakei aufeinander treffen, werden viele englische Fans dabei sein, da die Engländer morgen im 30 Kilometer entfernten Lens gegen Wales antreten. Grundsätzlich seien diejenigen, die für die Gewaltausschreitungen von Marseille verantwortlich waren, auch bei diesen Spielen, so Sundermeyer.
    Der Rechtsextremismus-Experte Olaf Sundermeyer 
    Der Rechtsextremismus-Experte Olaf Sundermeyer (picture alliance / dpa / Horst Galuschka)
    Aber das Spiel England gegen Russland sei gerade für "russische, gewaltbereite, sehr nationalistisch gesinnte Hooligans eine ganz besondere Herausforderung" gewesen. Den Engländern auf so einer großen Bühne in einer Hooligan Auseinandersetzung zu begegnen sei das "Nonplusultra für einen russischen Hooligan". Sundermeyer sagte, er gehe davon aus, dass die französische Polizei "keine wertigen Informationen über das russische Gewaltpotential von russischen Sicherheitsbehörden bekommen habe". Die französische Polizei müsse ihre Taktik ändern und Fangruppen künftig konsequent trennen. Das sei in Marseille nicht passiert.
    Paradigmenwechsel der Polizei nötig
    Es müsse bei der EM zu einem Paradigmenwechsel bei der Polizei kommen, so Sundermeyer. Er gehe davon aus, dass die französische Polizei im Vorfeld nicht genug mit szenekundigen Beamten und den Fanbetreuern der anderen Nationen gesprochen habe. Dabei seien die in großer Zahl in Frankreich - auch im Umfeld der deutschen Nationalmannschaft.
    Die französische Polizei habe sich offenbar viel zu sehr auf mögliche Terrorszenarien eingestellt und der Informationsweitergabe über gewaltbereite Fußballfans nicht genug Bedeutung beigemessen. Von Drohungen der UEFA ließen sich die russischen Hooligans nicht beeindrucken, so Sundermeyer: "Was in Marseille passiert ist, ist in den Augen der gewaltbereiten russisschen Hooligans ein großer Erfolg". Für sie sei die Auseinandersetzung mit anderen Fangruppen vergleichbar mit dem sportlichen Wettbewerb auf dem Rasen.
    Sanktionen wohl ohne Wirkung auf Hooligans
    Eine Geldstrafe oder ein drohender Ausschluss "wird die in keiner Weise beeindrucken. Sie hatten ihren Erfolg und der wird jetzt abgefeiert." Bei der Frage, wie sich Russland auf WM 2018 im eigenen Land vorbereite, müsse sich der russische Fußball-Verband dazu bekennen, das Hooligan-Problem zu bekämpfen.
    Für das morgige Spiel Deutschlands gegen Polen gelte, dass sich grundsätzlich im Umfeld der deutschen Nationalmannschaft viele gewaltbereite Hooligans in Frankreich aufhielten, auch organisierte Rechtsextremisten. Es komme darauf an, wie die französische Polizei mit den vorhandenen Informationen über diese Leute umgehe. Deutschland gegen Polen sei eine "brisante Partie, beid er es in der Vergangenheit immer wieder Reibereien gegeben hat, weil beide Fanlager sich unbedingt messen wollen".
    Vor zehn Jahren bei der Weltmeisterschaft in Deutschland spielte der Gastgeber in Dortmund gegen Polen. Dort habe es eine "Anfangseskalation gegeben, wie wir das in Marseille erlebt haben, aber die Polizei konnte die Situation nach wenigen Minuten befrieden, weil sie gut informiert war, weil sie die Fanlager voneinander getrennt und isoliert hat." Wenn das bei Deutschland gegen Polen in Paris nicht gelinge, werde die französische Polizei dort mit Ausschreitungen rechnen müssen.
    Hören Sie das vollständige Gespräch als Audio-on-Demand.