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Außen bunt, innen leer

Im Saarland hat vor einem Jahr die Jamaika-Koalition die Arbeit aufgenommen. Damals erhob sie den Anspruch, für das unübersichtliche fünf bis sechs Parteiensystem das Modell der Zukunft zu sein. Doch die Reggae-Combo um Peter Müller hat nie so recht Fuß gefasst.

Von Tonia Koch | 04.11.2010
    Pepp' dich auf, empfiehlt der berühmte Jamaikaner Bob Marley seinen Zuhörern.

    Eine Empfehlung wie gemacht für das Saarland, das seit einem Jahr von einer grün-gelb-schwarzen Mehrheit regiert wird. Und nach 100 Tagen Regierungsarbeit war die Laune unter den so ungleichen Partnern auch tatsächlich karibisch. Horst Hinschberger, Fraktionschef der saarländischen Liberalen.

    "Wenn ich das auf die politische Situation im Saarland übertrage, bin ich sehr optimistisch, dass uns ein großer Wurf gelingen wird, der beispielhaft sein wird für das politische Klima in der Bundesrepublik."

    Immerhin dringt anders als auf Bundesebene koalitionsinterner Streit selten nach außen. Konflikte werden hinter verschlossenen Türen ausgetragen. Die Dinge seien inhaltlich zwar mitunter sehr schwierig, der Umgang jedoch kollegial, sagt der Grüne Landeschef Hubert Ulrich.

    "Es ist eine ungewöhnliche Konstellation aber keine unmögliche Konstellation. Das merkt man eben daran, dass es gelungen ist, erfolgreich zu arbeiten auf Grundlage des vor einem Jahr geschlossenen Vertrages. Dieser Vertrag, der trägt, der wird von allen Seiten ernst genommen und den arbeiten wir eben Stück für Stück ab."

    Die Partner behandeln den Vertrag wie ein Glaubensbekenntnis, um das fragile politische Modell Jamaika nicht zu gefährden. Zuweilen zeitigt dies jedoch zweifelhafte Ergebnisse. Wie im Koalitionsvertrag vorgesehen, schuf die Regierung eine Stabsstelle für Nachhaltigkeit, die mit einem Vertrauten des Grünen Landesvorsitzenden besetzt wurde. Dagegen klagte mit Erfolg ein offenkundig besser qualifizierter Beamter mit CDU-Parteibuch. Die Lösung des Problems sieht nun so aus, dass die Stabsstelle Nachhaltigkeit um den genannten CDU-Mann verstärkt werden soll. Aus eins mach zwei. In einem Land, das zehn Milliarden Euro Schulden angehäuft hat, kommen solche vermeintlich pragmatischen Lösungen bei der Bevölkerung nicht sonderlich gut an.

    "Die haben ihre Posten gesichert und damit hat es sich."

    Durchweg schlechte Bewertungen erntet die Landesregierung auch für ihre politische Leistung.

    "Furchtbar. Arg viel Positives fällt mir nicht ein. Ja, die hätten viel mehr zeigen können bis jetzt. Grauenhaft, grauenhaft, alles zusammengekauft, ich bin ein Grüner, deswegen finde ich es besonders schlimm. Ohne Worte, mir fehlen die Worte, ich habe zwei schulpflichtige Kinder. Misere in der Schule und Jamaika ist nicht in der Lage ein bisschen was zu ändern. Note: sehr schlecht! Uneinigkeit statt Erfolg für die Menschen, nur Zirkus."

    Den veranstaltet im Augenblick vor allem die FDP. Das Klima bei den Saarliberalen ist rau geworden. Der Landesvorsitzende und amtierende saarländische Wirtschaftsminister, Christoph Hartmann, solle doch endlich zurücktreten, heißt es aus den eigenen Reihen.

    "Mir wäre es schon lieber, wenn wir ein neues Gesicht an der Spitze hätten. Ich finde, er ist verbraucht und kann das Ruder nicht mehr herumreißen. Das ist nicht das erste Führungsproblem, das wir in der Partei haben und wir müssen einfach gucken ob wir in Zukunft in Jamaika eine Rolle spielen können. Ob wir mit uns selbst beschäftigt sind oder Strukturen schaffen können und uns auf's Regieren beschränken können."

    Werner Weihrauch und Peter Müller sind keine unbeschriebenen Blätter in der FDP, sondern Leute mit Gewicht. Wie sie, sind viele in der Partei der Auffassung, dass liberale Ziele im Koalitionsvertrag nicht ausreichend berücksichtigt wurden. Dem erst 38-jährigen Landesvorsitzenden mangele es an Durchsetzungsfähigkeit. Hartmann selbst hält die Kritik an ihm für unbegründet. Er sieht sich als Wirtschafts- und Wissenschaftsminister auf dem richtigen Weg. Trotz klammer Kassen stärke er die universitäre Bildung im Land mit über 30 Millionen Euro. Das sei doch das, was zähle, so Hartmann.

    "Wenn wir irgendwann einmal fünf Jahre Jamaika angucken, dann wissen wir jetzt schon, dass das einer der strategischen Punkte gewesen ist, die diese Regierung nachhaltig und positiv nach vorne gebracht hat."

    Die Partei aber goutiert das nicht. Der alleinige Grund, warum der FDP-Landesvorsitzende als angezählt gelten darf, ist das aber nicht. Er bekommt eine parteiinterne Krise, die der liberale Fraktionsvorsitzende Horst Hinschberger ausgelöst hat, augenscheinlich nicht in den Griff. Hinschberger hatte wegen mutmaßlicher finanzieller Unregelmäßigkeit bei der liberalen Stiftung Villa Lessing gegen mehrere Personen Strafanzeige wegen des Verdachts auf Untreue und Betrug gestellt. Unter den Beschuldigten war auch der Ehrenvorsitzende der saarländischen FDP, Werner Klumpp. Der Verdacht gegen Klumpp erwies sich als unbegründet und dieser fordert nun Konsequenzen. Doch Hinschberger will bleiben.

    Die Krise der FDP scheint augenblicklich aber auch das Aufregendste zu sein, was die saarländische Landespolitik zu bieten hat. Nachdem die Opposition mit ihrem Nein, eine richtungweisende Reform der Schullandschaft zu Fall gebracht hat, herrscht Langeweile. Wie steht es um andere Projekte? Statt sich mit der Opposition zu streiten, spielte CDU-Ministerpräsident Peter Müller während der letzten Landtagsdebatte lieber eine Partie Schach. Der Gegner, ein kleiner handlicher Schachcomputer, der mühelos auf die Regierungsbank passt. Müller wird ohnehin schon seit Längerem nachgesagt, dass er die Lust am Regieren verloren hat.

    Und die Opposition? Kann die personellen Querelen nicht für sich nutzen. Ihre Kritik am Regierungshandeln klingt verhalten. Heiko Maas, SPD-Landeschef.

    "Der Ministerpräsident ist auf Jobsuche, die CDU stellt sich die Frage, wer soll ihm nachfolgen, die FDP zerfleischt sich selbst und die Grünen haben sich auf die Zuschauerbänke verabschiedet."

    Davor hatten die Grünen gleich zu Beginn der Regierungszeit die Abschaffung der Studiengebühren und ein striktes Rauchverbot durchgesetzt. Seitdem tut sich inhaltlich nur wenig und gespart wird wegen der Schuldenbremse auf allen Ebenen.