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Ausstellung
Der Kampf einer Frauengeneration

Es sind vergleichsweise wenige Werke, mit denen das Museum Abteiberg in Mönchengladbach eine ganze Generation beleuchten will. Im Fokus seiner Ausstellung "In Order to Join" stehen nach dem Krieg geborene Künstlerinnen, die sich die Teilhabe an der Kunstwelt erkämpften.

Von Georg Imdahl | 11.12.2013
    Das Foto zeigt das Museum Abteiberg in Mönchengladbach (Foto vom 13.01.2012). Das Städtische Museum Abteiberg ist ein Museum für Bildende Kunst des 20. und 21. Gezeigt werden Arbeiten von Joseph Beuys, Richard Serra, Andy Warhol, Sigmar Polke, Gerhard Richter, Martin Kippenberger, Markus Oehlen, Heinz Mack, Ulrich Rückriem und Gregor Schneider. Foto: dpa/lnw
    Museum Abteiberg in Mönchengladbach (picture alliance / dpa / Roland Weihrauch)
    In einer Vitrine sind Fotos ausgelegt, die aussehen wie ethnografische Dokumente. Indische Frauen posieren in einfachen Gewändern, sie treten als Mohammedanerinnen in Erscheinung, als Christinnen oder als Hindus. Manche leben ganz in der Gegenwart, fahren Moped oder schwingen im kurzen Rock das Tanzbein; andere Frauen in den sepiagetönten Fotografien scheinen aus der Tiefe des 19. Jahrhunderts in die Kamera zu schauen.
    Bald bemerkt man: Es ist immer dieselbe Frau mit den großen Augen, die da ein Spiel treibt mit Mythen, Kulturen und Klischees ihrer Heimat Indien. Und die zugleich das Genre der anthropologischen Fotografie parodiert. Es ist die Künstlerin Pushpamala N. aus Neu-Delhi. Nicht zufällig wird sie wegen ihres Rollenspiels mit der ungleich bekannteren Amerikanerin Cindy Sherman verglichen.
    Als Selbstdarstellerin setzt sich Pushpamala N. sowohl mit dem politisch-religiösen Kulturkampf in Indien auseinander als auch mit ihrer Rolle als Frau und als Künstlerin. Das macht sie zu einer idealen Teilnehmerin der Ausstellung "In Order to Join [Um dabei zu sein] - Politisch in einem historischen Moment". Eingerichtet wurde die Gruppenschau mit ihren 14 Künstlerinnen von der indokanadischen Gastkuratorin Swapnaa Tamhane und von Susanne Titz, der Direktorin des Museums Abteiberg in Mönchengladbach:
    "Meiner Ansicht nach ist die Generation dieser Künstlerinnen, 1947 bis 1957 geboren, ist die Nachkriegsgeneration eigentlich die erste regelrechte Künstlerinnengeneration. Wenn man sich anguckt - zuvor gab es eine Marina Abramovic, da gab es eine Valie Export, da gab es eine Hanne Darboven, und es gab auch ein paar andere. Aber es waren eigentlich immer einzelne Figuren in einem sehr, sehr großen Feld von männlichen Positionen".
    So Susanne Titz zu der Ausstellung, die sich mit vergleichsweise wenigen Werken an einer historischen Momentaufnahme versucht. Darstellen will sie jene Generation von Künstlerinnen, die sich nicht mehr als Einzelkämpferinnen fühlen müssen. Ein ehrgeiziges Unterfangen, zumal sich die Auswahl nicht etwa auf eine regionale Szene beschränkt, sondern global angelegt ist. Ausgehend von den Performances und Installationen der 1999 gestorbenen Inderin Rummana Hussain schlägt die Schau einen Bogen zu amerikanischen, kanadischen und europäischen Künstlerinnen, deren Werdegang häufig anders verlaufen ist bei den männlichen Kollegen.
    Die erste Künstlerinnengeneration
    "Mir scheint auch, die Biografien sind interessant. Es sind ganz oft Werkkunstschulen, grafische, fotografische oder irgendwie angewandte Ausbildungen anstelle der Kunstakademie. Es sind viele Biografien, in denen das angewandte und das freie Künstlerische eine ganz intelligente Ebene einnimmt, auch weil in den achtziger Jahren ging es auch darum: Mache ich ein Buch - oder hänge ich ein Bild an die Wand? Unter Umständen schaffe ich es, mit dem Buch etwas ganz anderes zu sagen als mit dem Bild an der Wand, das so stark zu einer Trophäe, zu einem Objekt geworden ist", sagt Susanne Titz.
    Tatsächlich gestaltete Rosemarie Trockel im Frühwerk imaginäre Buchtitel etwa für Künstlerinnen und Publizistinnen wie Agnes Martin, Hannah Arendt und Isabelle Graw. Eine großartige Serie mit verschatteten Selbstporträts zeigt die Amerikanerin Adrian Piper im Jahr 1971, als die New Yorker Künstlerin die "Kritik der reinen Vernunft" von Immanuel Kant las. Mit der Aura ihres entblößten, schemenhaft erkennbaren Körpers reagierte die junge Frau auf die strenge Theorie des Philosophen. Von Astrid Klein wiederum ist eine ihrer wenigen Skulpturen ausgestellt: Elektrische Fliegenfänger türmen sich zu einem energiegeladenen Gebilde.
    Eine Reihe großformatiger Schnappschüsse von Angela Grauerholz zeigt beiläufige und doch eindringliche Augenblicke in den Gesichtern von Freundinnen und Bekannten. All diese Werke fügen sich in der Ausstellung nicht wirklich zu einer Einheit, und das Politische, das sie verspricht, teilt sich auch nicht überall mit. Doch gibt es Unterströmungen zwischen den Arbeiten. Die seit Langem in Montreal lebende Grauerholz hat sich in der Ausstellung jedenfalls selbst neu entdeckt:
    "Ich finde es sehr aufregend, weil ich noch nie in so einem Zusammenhang ausgestellt habe oder auch behandelt worden bin. Und ich immer diese Idee hatte, dass irgendwie etwas Feministisches bei mir da war, aber dass es einfach nie ausgesprochen wurde, weder von mir noch von meinen Kritikern. Und insofern finde ich - ein neuer Kontext. Sehr aufregend."